Speyer Die Skandalnudeln verblüffen

Wespenplage kurz vor Weihnachten? So mögen manche Beobachter es vor elf Jahren empfunden haben. Die Metalfans in der voll besetzten Speyerer Halle 101 dagegen kamen am 21. Dezember 2007 auf ihre Kosten: Für den „X-Mas Rock“ sorgte damals die amerikanische Gruppe W.A.S.P., deren Bandname sich ohne Abkürzungspunkte wie das englische Wort für „Wespe“ liest.

21 Lieder umrahmten vor sechs Jahren die Trauerfeier für den Kölner Schauspieler und Moderator Dirk Bach. Von Boy George war etwas dabei, ebenso von Meat Loaf und Neil Diamond – und allein fünf Songs von W.A.S.P. waren zu hören. Bach galt zu Lebzeiten als großer Fan der 1982 in Los Angeles gegründeten Band – daher die ungewöhnliche Musikauswahl. Den Kaliforniern haftet der Ruf notorischer Skandalnudeln an. Oberster Bürgerschreck ist der 1956 geborene Sänger und Gitarrist Blackie Lawless. Außer ihm gehören derzeit - nach diversen Wechseln in den vergangenen 36 Jahren - Doug Blair (Gitarre) und Mike Duda (Bass) zur Formation, die auch schon 2007 in Speyer mit dabei waren. Manche sagen, der Bandname gehe auf den ersten Bassisten Rik Fox zurück, der im Hinterhof des Proberaums eine Wespe entdeckt habe. Die Punkte sollen dem Namen laut Lawless „etwas Mystisches“ verleihen. Darüber hinaus kursieren verschiedene Deutungen der vier Buchstaben als Abkürzungen. Die Bandbreite reicht von „White Anglo-Saxon Protestants“ (weiße angelsächsische Protestanten als größte US-Bevölkerungsschicht) über „We Are Sexual Perverts“ (wir sind sexuell Perverse – eine Version, die die Band selbst gern verbreitet), „We Are Satan’s People“ (wir sind Teufelsvolk – die bevorzugte Lesart christlicher Organisationen) und „We’re All Shitty Players“ (wir sind alle beschissene Spieler – eine spöttische Bezeichnung für das musikalische Talent der Gruppe) oder „We’re All Side Players“ (wir sind alle Nebenbei-Spieler – eine Anspielung auf Lawless’ beherrschende Rolle). Der Bandgründer selbst sagt auf entsprechende Fragen gern: „We Ain’t Sure Pal“ (wir sind uns nicht sicher, Kumpel). Schon mit ihrer ersten Single überhaupt hatte es die Gruppe 1986 auf die „schwarze Liste“ der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften geschafft. Grund dafür war weniger der kontroverse Titel „Fuck Like A Beast“ (deutsch: Ficken wie eine Bestie), sondern die Schallplattenhülle. Darauf war ein Kreissägenblatt zu sehen, das sich seinen Weg durch die Geschlechtsteile des Sängers bahnt. Solche Schockeffekte verwendeten W.A.S.P. mit Vorliebe auf der Bühne: Da hantierte Lawless mit Sägen und Ketten herum oder zerteilte mit einer Axt rohes Fleisch, um es danach ins Publikum zu werfen. Aus einem Totenschädel trank der Sänger künstliches Blut, und einem nackten Mädchen, das sich während der Show in einem Holzverschlag räkelte, schnitt er symbolisch die Kehle durch. So wie W.A.S.P. das, was Ozzy Osbourne, Alice Cooper und Kiss an Provokation boten, auf die Spitze trieben, so schossen ihre Gegner mit Bomben- und Morddrohungen gegen die Gruppe weit übers Ziel hinaus. Die ließ sich jedoch nicht davon abhalten, schlechten Geschmack neu zu definieren: So stellten W.A.S.P. in den 90er Jahren auf der Bühne die Vergewaltigung einer gekreuzigten Nonne mit einem um die Hüften geschnallten Küchenmesser dar, spießten einen Plastikfötus daran auf und schlachteten eine Schweineattrappe. An diesem Freitag vor Weihnachten 2007 in der Halle 101 dann aber die große Überraschung: Die amerikanischen Schock-Rocker zelebrierten ihr Meisterwerk, die musikalisch wie inhaltlich gelungene Metal-Oper „The Crimson Idol“ von 1992. Sie erzählt die Geschichte von Jonathan Aaron Steele, der in einer bigotten Spießerfamilie aufwächst. Mit dem Ledergürtel will sein Vater ihn zu einem „ordentlichen“ Menschen peitschen. Steele flieht in die Großstadt, wird Rockmusiker und gerät in einen Sumpf aus Alkohol, Drogen und Groupies. Äußerlich ein Star, fühlt er sich ungeliebt, leer, ohne Sinn und Hoffnung. Sein letzter Auftritt ist sein Freitod auf der Bühne. In Speyer zeigten W.A.S.P. synchron zur Livemusik einen zur Geschichte passenden Film. Die Formation spielte das vollständige Album in eindrucksvoller Qualität. Da gab es krachenden Metal zum Mitsingen ebenso wie bemerkenswert gefühlvolle Balladen. Das Publikum jedenfalls schien sich im tragischen Helden durchaus wiederfinden zu können. W.A.S.P. sind auch elf Jahre später weiterhin aktiv. In Deutschland standen sie zuletzt im August beim „Summer Breeze“ Festival im mittelfränkischen Dinkelsbühl auf der Bühne. Kontakt —Jetzt sind Sie gefragt, liebe Leser: Waren Sie bei diesem Konzert dabei? Verbinden Sie eine Erinnerung mit W.A.S.P.? Und wer sollte Ihrer Meinung nach unbedingt einmal (oder vielleicht auch noch einmal) in Speyer auftreten? —Schreiben Sie uns doch mal unter der E-Mail-Adresse redspe@rheinpfalz.de unter dem Betreff „Rock’n’Roll“ oder auf Facebook. Die spannendsten Beiträge greifen wir im Laufe unserer Serie auf.

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