Speyer „Deutschland unter den besten Vier“

Herr Réthy, tut es Ihnen nicht leid, dass Sie wegen der Veranstaltung in Mannheim das Relegationsspiel von Wolfsburg gegen Kiel verpassen?

Es gibt ja die Festplatte oder um 23.15 Uhr die Zusammenfassung im ZDF. Da jeden Tag irgendwo Fußball gespielt wird, geht es ja gar nicht anders. Sonst könnte ich sonst nichts mehr machen. Das Europa-League-Finale am Mittwoch haben Sie aber geguckt? Ja, und ich fand es ziemlich langweilig. Es war halt schnell entschieden. Ja. Für mich war im Hinblick auf die Weltmeisterschaft interessant zu sehen, wie Griezmann drauf ist. Außerdem war ein Nationalspieler von Uruguay dabei, und Frankreichs Nummer zwei stand im Tor. Haben Sie sich über den Kommentator aufgeregt? Nein, wieso? Er macht doch nur seinen Job. Normalerweise arbeiten alle Kollegen sehr professionell, und wenn sie keinen Fehler machen, rege ich mich auch nicht künstlich auf. Finden Sie nicht, dass das Aufregen über den Kommentator zu einem gelungenen Fußballabend gehört? Wer es braucht, kann es gerne so handhaben. Mein Naturell ist ein anderes. Kommt denn das Feedback der Zuschauer bei Ihnen an? Mir schreibt niemand. Dazu würde ja Mut gehören. So etwas wird meistens anonym in den sogenannten sozialen Netzwerken geäußert. Seit wann passen eigentlich Fußball und Sterneküche zusammen? Der Koch ist wohl ein großer Fußballfan und hatte deswegen die Idee zu dieser Veranstaltung. Für mich passt es, da Journalisten gerne essen und auf gute Gastronomie angewiesen sind, da sie viel unterwegs sind. Dass Menschen 200 Euro Eintritt bezahlen, um bei einem Gourmetmenü Geschichten aus der Welt des Fußballs zu hören – wäre das vor 30 Jahren Ihrer Meinung nach auch schon denkbar gewesen? Ja, das wäre auch vor 30 Jahren denkbar gewesen. Da Fußball immer mehr einen Eventcharakter bekommen hat, gibt es das nur heute viel mehr. Vor der Weltmeisterschaft wimmelt es von solchen Veranstaltungen. Für mich ist Mannheim praktisch, da die Anfahrt nur eine Dreiviertelstunde dauert. Nach Rostock würde ich für so etwas nicht fahren. Man merkt schon, die Zeichen stehen auf WM. Ist es richtig, dass Sandro Wagner nicht mitfahren darf? Es ist nicht richtig. Dass man jemanden nicht mitnimmt, der in der Qualifikation die meisten Tore geschossen hat, kann ich nicht verstehen. Es liegt vielleicht an der Persönlichkeit – Nils Petersen ist sicher jemand, der eher stillhält, während Wagner eine offensivere Persönlichkeit ist. Als Journalist finde ich das ganz angenehm, weil er rhetorisch nicht so geschult ist und auch mal ungefiltert was sagt. Finden Sie es richtig, dass Mesut Özil und Ilkay Gündogan mitfahren? Absolut richtig. Denn bei uns herrscht nicht ein System wie unter Erdogan. Wir haben Meinungsfreiheit. Und letztlich haben sie kein politisches Statement abgegeben. Die Aktion war komplett idiotisch. Aber Idiotien im Rahmen der Meinungsfreiheit sind erlaubt. Sie haben kein Verbrechen begangen. Und wenn Joachim Löw findet, dass sie aus sportlichen Gründen dabei sein müssen – was ich teile –, dann sollten sie dabei sein. Wer sind denn aus Ihrer Sicht die Wackelkandidaten? Bei den Feldspielern Jonathan Tah, Sebastian Rudy und Matthias Ginter. Vielleicht auch Petersen, wenn es doch zu viele Offensivspieler sein sollten. Es kann natürlich auch sein, dass noch jemand wegen einer Verletzung zu Hause bleiben muss. Wird Deutschland den Titel verteidigen? Das ist zuletzt 1962 Brasilien gelungen. Was die Breite des Kaders angeht, hat Deutschland das beste Aufgebot. Aber am Ende können Kleinigkeiten entscheiden, wie man bei der Europameisterschaft 2016 gesehen hat. Sie werden sicher unter den besten Vier sein. Die anderen Favoriten sind für mich Frankreich, Brasilien und Spanien. Und Portugal? Diejenigen, die um Ronaldo herum spielen, sind nicht auf dem absoluten Toplevel. Freuen Sie sich auf die WM? Immer. Genau wie die Spieler. Es ist unheimlich anstrengend, macht aber großen Spaß. Werden Sie in Russland eigentlich zum Essen kommen? Das ist auf Reisen nicht immer leicht. Manchmal muss ich abends noch Spiele von Mannschaften sehen, die ich später selbst kommentieren werde. Da muss man sich auch manchmal schnell was holen und im Zimmer auf der Bettkante essen. Früher waren Sie öfter in Kaiserslautern. Tut es Ihnen leid, dass das erst einmal nicht mehr der Fall sein wird? Ja, sehr. Es tut mir leid für alle Traditionsklubs, die allmählich Platz machen müssen. Wenn man in die Stadt hineinfährt, und oben leuchtet der Berg – das ist wie ein Mahnmal. Aber man muss eben auch besser wirtschaften. Schafft es der 1. FCK, wieder hochzukommen? Das Potenzial ist da. Das Wichtigste ist, dass die Kultstätte Stadion erhalten bleibt.

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