Speyer Der Urknall

Die Erde geht über dem Mond auf: Vor 50 Jahren machte der Astronaut William Anders dieses Foto von Apollo 8 aus. Zum ersten Mal
Die Erde geht über dem Mond auf: Vor 50 Jahren machte der Astronaut William Anders dieses Foto von Apollo 8 aus. Zum ersten Mal sahen Menschen die Erde so – und die drei Astronauten Borman, Lovell und Anders lasen damals im All jene ersten Verse der biblischen Schöpfungsgeschichte, die Haydn in seinem Oratorium vertont.

Morgen um 19 Uhr erklingt Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ im Historischen Museum der Pfalz in Speyer. Leo Kraemer dirigiert das PalatinaKlassik-Vokalensemble, den Philharmonischen Chor an der Saar und die PalatinaKlassik-Kammerphilharmonie. Vorab hier einige Gedanken zu dem Werk vom Ende des 18. Jahrhunderts.

Das Stück beginnt chaotisch. In einer instrumentalen Einleitung, die so gar nicht nach klassischer Harmonie klingt, vielmehr wirr und ziellos anmutet, malt der Komponist in Tönen die Vorstellung des Chaos vor der Erschaffung der Welt. Langsam und leise und dunkel sind auch die ersten gesungenen Passagen des Erzengels Raphael und des Chores. Doch dann „sprach Gott: Es werde Licht“. „Und es ward Licht“ – und wie! Urplötzlich wird die Musik in klarem C-Dur hell und laut und freudig. Von diesem singulären Augenblick in der Musikgeschichte – gleichsam einem tönendem Abbild des Urknalls – an schildert Joseph Haydn auf den Text des Barons van Swieten in seiner Musik die Schönheiten der Schöpfung und singt den Lobpreis des Schöpfers. Dieser nimmt am Ende des ersten Teils geradezu ekstatische Züge an. Doch fast mehr noch als diese Pracht bewegt und begeistert in diesem Werk Haydns Kunst der Tonmalerei und seine Fähigkeit, eine geradezu kindlich naive Freude an der Welt in all ihren Daseinsformen mit einer klassischen Kompositionskunst höchsten Ranges zu verbinden. Im dritten Teil treten dann nicht mehr himmlische Wesen in Erscheinung, sondern die ersten Menschen, die sich der Schöpfung, des Schöpfers und nicht zuletzt ihrer selbst erfreuen. Vom Sündenfall und dem Bösen in der Welt weiß das Werk noch nichts. Doch es bietet viel mehr als nur schöne Musik. Gerade in seiner Vorstellung einer vollkommenen Schöpfung ist es in unseren Tagen vielleicht so stark wie noch nie eine Mahnung zur Bewahrung unserer Welt. Das Haus, in dem Haydn seine „Schöpfung“ in den 1790er-Jahren komponierte, existiert noch und ist ein schön eingerichtetes Museum im sechsten Wiener Bezirk Mariahilf, nicht weit entfernt vom Westbahnhof. Dort gibt es einen kleinen Garten, in dem zu Haydns Zeiten Obstbäume gestanden haben. Hier hat der Meister die Früchte der Schöpfung direkt vor seiner Haustür genießen können. Wer das Werk vor- und nachhören mag oder seine Haydn-Sammlung ergänzen will: noch eine Anmerkung zur Diskographie. Es gibt unzählige Einspielungen des Werks. Herausragend ist die unter Leonard Bernstein, 1986 mit Chor und Orchester des Bayerischen Rundfunks aufgenommen, und sind aus pfälzischer Sicht die zwei unter Karajan aus den 1960er-Jahren, bei denen Fritz Wunderlich überragender Tenor-Solist ist. Bei den Aufnahmen mit alten Instrumenten ist die mit Les Arts Florissant unter William Christie von großer Wirkung. Info Eintrittskarten für „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn gibt es bei den RHEINPFALZ-Servicepunkten und beim RHEINPFALZ-Ticketservice unter der Telefonnummer 0631 37016618. Bereits heute musizieren die PalatinaKlassik-Ensembles unter Leo Kraemer in der Gebläsehalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte zur Ausstellung „Legende Queen Elizabeth II“ Krönungsmusiken von Händel, Mozart und Purcell. Eine zweite Aufführung der Schöpfung ist am 11. November um 17 Uhr in der Kirche St. Laurentius in Hülzweiler. Mehr Infos unter www.palatina-klassik.eu.

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