Speyer Auftakt voller Inbrunst

Ein würdiges Konzert unter dem Zeichen der Verfolgungen im Dritten Reich wurde in der Speyerer Synagoge am Donnerstagabend der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht vorgeschaltet. Emotional berührende Werke jüdischer Komponisten brachten die tiefe Trauer und Niedergeschlagenheit über das Geschehene zum Ausdruck.

Unter den zwischen Traurigkeit und Zuversicht angesiedelten Werken von Bloch, Ben-Haim, Kaminski und Williams stand die Aufführung des Rezitationsmelodrams „Schoah“ der in der Kurpfalz ansässigen Komponistin Tamara Ibragimova auf das russische Gedicht „Holocaust“ von Viola Taraz im Vordergrund. Ibragimova agierte selbst als passionierte Sprecherin der Verse von erniedrigender Ausweglosigkeit und der Rettung eines Mädchens. Die Zeilen über die Grausamkeiten hat sie mit Einspielungen von Geläut und Gebet umkleidet. Die Essenz ihrer Vertonung liegt aber in den energisch zerknirschten Klangfiguren von Geige, Cello und Schlagzeug. Die Energie erstirbt immer wieder in abwärts gerichteten Lamento-Figuren. Violinist Daniel Spektor spielte voller Ingrimm, Cellistin Elina Feiertag mit herber Klangkraft; Alexander Levental setzte am Schlagzeug markante Punkte. Das Gespenst der Reichskristallnacht vertonte Ibragimova mit Saitenstrichen am Flügel, die Rettung des Kindes mit ruhigen Aufwärtsbewegungen der Streicher. Töne der Hoffnung hörte man am Ende in Melodien aus John Williams „Schindlers Liste“, die Spektor in biegsamer Wärme spielte. Levental sekundierte mit weichen gebrochenen Akkorden und vollgriffigen Umspielungen am Flügel. Trostreiche Klänge ertönten auch in Ben-Haims „Berceuse sfaradite“ mit Spektors klangvoller Melodieführung über Leventals wiegenden Begleitfiguren. Ausladend und voller Inbrunst intonierte Feiertag eingangs das „Gebet“ Blochs mit ausdrucksvoller Cello-Kantilene. Für mitreißende Momente sorgten Spektor und Levental mit dem russisch inspirierten, neoklassischen, zweiteiligen Duett „Rezitativ und Tanz“ von Kaminski. Nach dem stark rhythmisierten Rezitativ für die Solovioline leitete Spektor mit Doppelgriff-Trillern zum ostinat kraftvollen Tanz über. Beide beeindruckten hier mit konturiert ausgespielter Motorik: Spektor auf der Geige mit immer wieder neuen Anläufen zu spritzigen Bewegungen, Levental mit kräftig zupackenden Bässen am Flügel. Oberbürgermeister Hansjörg Eger rief in dem von der Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde Rheinpfalz, Marina Nikiforova, eröffneten Besinnungskonzert zur Sorgsamkeit im sprachlichen Umgang auf; die Entschuldigung, dass „man das ja auch mal sagen dürfe“, könne schon der Beginn von Entgleisungen sein, die in einer polarisierten Gesellschaft einen Flächenbrand zulasten von Minderheiten auslösen könnten.

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