Rhein-Pfalz Kreis „Wir sind die Leidtragenden“

Böhl-Iggelheim/Limburgerhof/schifferstadt. Seit gestern Morgen stehen viele Züge der Deutschen Bahn still, da die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) abermals zum Streik aufgerufen hat – für vier Tage. Was die Pendler und Reisenden davon halten, haben sie uns an den Bahnhöfen in Böhl-Iggelheim, Schifferstadt und Limburgerhof erzählt.

„Jeder möchte doch mehr Geld“, fasst Neal Fabian aus Böhl-Iggelheim seinen Unmut zusammen. Der 18-Jährige muss zur Arbeit nach Ludwigshafen, doch das Warten auf einen Zug dauert ihm zu lange. Gut, dass seine Mutter bereitsteht und ihn kurzerhand zum Betrieb fährt. „Wenn ich streike, ist das Arbeitsverweigerung“, ärgert er sich noch, ehe er ins Auto steigt. Karl-Heinz Wiegand (72) ist extra früh aufgestanden. Dass die Lokführer in den Ausstand treten, findet der Rentner in Ordnung. „Sie tragen ja auch sehr viel Verantwortung für viele Menschen“, erklärt er. Allerdings passen die häufigen Streiks nicht ganz zum Werbespruch „Die Bahn macht mobil“. Das Einzige, was mobil bleibe, seien die Preise. „Die steigen jedes Jahr“, sagt er. Gisela Bierbaum aus Ketsch ist mit dem Auto wie gewohnt zum Böhl-Iggelheimer Bahnhof gefahren und versucht nun, mit dem Zug zu ihrem Arbeitsplatz in Kaiserslautern weiter zu pendeln. Eigentlich habe sie durchaus Verständnis dafür, dass die Lokführer die Loks stehen lassen. „Doch wenn heute kein Zug kommt, fahre ich ab morgen mit dem Auto nach Kaiserslautern“, kündigt die 48-Jährige an. Obwohl ihr die zusätzlichen Kosten, die ihr dadurch entstehen, niemand erstatte. René Jerger geht zur Schule – in Neustadt. Für heute sei ein Ausflug geplant. Der 20-Jährige hofft, rechtzeitig dort hinzukommen. „Ich hätte zwar auch mit dem Auto fahren können, darauf hatte ich aber keine Lust“, gesteht der Böhl-Iggelheimer. Den GDL-Streik versteht er einerseits, andererseits „sind wir die Leidtragenden“. Auf das Verständnis von Walter Jöckle können die Streikenden nicht zählen. Der 59-Jährige ist stocksauer. „Auf diesen Typ“, sagt er knapp. Gemeint ist der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky. Denn der Berufspendler hat gerade eine Zwölf-Stunden-Schicht in der BASF in Ludwigshafen hinter sich und möchte einfach nur noch nach Hause nach Germersheim. Zunächst hat er den Hauptbahnhof Mannheim angesteuert. „Weil da mehr los ist und man sich wenigstens mit einem Kaffee aufwärmen kann, während man wartet“, erläutert er. Nach Schifferstadt hat es Jöckle noch geschafft, sitzt hier nun aber erst mal fest. Was ihn außerdem ärgert: Zwischen Ludwigshafen und Neustadt fahren die S-Bahnen noch mehr oder weniger regelmäßig, nur Richtung Speyer und Germersheim tut sich nichts. „Ich bin dafür, dass die Regierung eingreift und die Streikmöglichkeiten solcher kleinen Gewerkschaften wie der GDL auf ein vernünftiges Maß einschränkt. Das sind doch keine Zustände mehr“, sagt er. Ein Auto besitzt er zwar, das habe heute aber seine Frau benötigt. „Ob man das glauben kann?“, fragt sich derweil die Schifferstadterin Katrin Biber. Die 51-Jährige bezieht sich auf die Ankündigung, dass um 7.55 Uhr doch noch ein Zug nach Speyer gehen soll. Dorthin muss sie zur Arbeit. Sie wartet kurz. Das Fahrrad hat sie jedoch schon griffbereit, den Helm aufgesetzt. Wenn dieser Zug auch nicht kommt, radelt sie los – Kälte und Streik zum Trotz. Sebastian Kleuther aus Ludwigshafen wartet ebenfalls auf eine Verbindung nach Speyer, wo er arbeitet. Über die Streikgründe weiß er nicht so genau Bescheid, gibt der 26-Jährige zu. Das deutsche Streiksystem findet er unabhängig davon in Ordnung. „Dass jetzt vier Tage gestreikt wird, ist aber trotzdem bitter für uns Berufspendler“, schränkt er ein. Carola Hammelmann (53) aus Schifferstadt versteht die Lokführer. „Als Arbeitsnehmerin weiß ich, dass manche Dinge nur so durchgesetzt werden können“, sagt sie. Früher aufgestanden als sonst ist sie nicht, der Recherche im Internet sei Dank. Der Chef wisse ebenfalls Bescheid, und falls wider Erwarten überhaupt nichts gehen sollte bei der Bahn, greife Plan B: zu Hause bleiben und Überstunden abbauen. Am Limburgerhofer Bahnhof wartet Mirjana Henkes. Sie muss nach Heidelberg zur Arbeit. Laut Internetseite der Deutschen Bahn sollte ihr Zug kommen. Nun hofft die 28-Jährige, dass er das tatsächlich tut. Ansonsten müsse sie eben das Auto benutzen. Für den erneuten Streik habe sie mittlerweile kein Verständnis mehr. Ähnlich sieht es Christiane Reimer (30), die auch nach Heidelberg muss, wo ihr Arbeitgeber sie erwartet. Die ganze Strecke mit dem Auto zurückzulegen, hält die Limburgerhoferin für keine gute Idee. „Die Straßen sind heute bestimmt verstopft“, ist sie überzeugt. Als Alternative würde sie deshalb mit dem Auto höchstens nach Ludwigshafen-Rheingönheim fahren und dort auf die Straßenbahn wechseln. „Mit der OEG würde ich bis Heidelberg kommen, auch wenn das wohl ziemlich lange dauern würde“, erklärt sie. Marco Saporito arbeitet in Limburgerhof. Der Speyerer ist gerade einem der Züge entstiegen, die noch fahren und glücklich, dass ihm das gelungen ist. Um beizeiten an seinem Arbeitsplatz einzutreffen, ist er extra eine Stunde früher als sonst aufgestanden. Für den Ausstand hat er gar kein Verständnis. „Denn er trifft Leute wie mich. Ich habe kein Auto und hätte einen Urlaubstag nehmen müssen, wenn ich keinen Weg gefunden hätte, hierherzukommen“, beschreibt der 36-Jährige die Lage aus seiner Sicht. „Sehr begrenzt“, antwortet Manfred Julius (52) aus Limburgerhof auf die Frage, ob er Verständnis für den Streik aufbringt. „Ich finde es unverständlich, dass der Vorschlag für einen Schlichtungsprozess von der GDL einfach abgelehnt wurde.“ Zumal die Deutsche Bahn ja anscheinend bereit sei, die Kernforderungen wie zum Beispiel eine Lohnerhöhung um fünf Prozent zu erfüllen. Die Gründe für den neuerlichen Streik empfinde er als schwierig nachvollziehbar. Sollte es ihm nicht gelingen, mit der Bahn zur Arbeit in der BASF zu gelangen, wäre das Auto eine Alternative.

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