Rhein-Pfalz Kreis Von Esperanto zum Regionalkrimi

MESSKIRCH. Ob es Harald Schneiders Palzki-Romane ohne den Gmeiner-Verlag gegeben hätte? Das wird wohl eine Frage für Theoretiker und Freunde der gepflegten Spekulation bleiben. Sitz des Verlags ist Meßkirch. Dabei macht die Gemeinde im Schwarzwald nicht den Eindruck, dass es hier hauptsächlich um regionalen Mord und Totschlag geht – rein literarisch, versteht sich. Ein Besuch.

Beschaulich und idyllisch – das sind die Attribute, die einem einfallen, wenn man nach Meßkirch kommt. Die Gemeinde im Kreis Sigmaringen liegt gut 30 Autominuten von Villingen-Schwenningen entfernt. Noch einen Tick beschaulicher und idyllischer wird es, wenn man zum Gmeiner-Verlag will. Das Verlagsgelände liegt etwas außerhalb von Meßkirch. Das Areal erinnert an einen Aussiedlerhof. Und das war es auch, bestätigt Armin Gmeiner. „Vor 20 Jahren haben wir umgebaut“, erzählt der Geschäftsführer des Verlags, der seinen Namen trägt. 30 Mitarbeiter hat das Unternehmen. Fast überflüssig zu erwähnen, dass alle Büros über eine großartige Aussicht verfügen. Gmeiner unterhält auch Büros in Stuttgart und Frankfurt. Doch der Firmensitz ist und bleibt Meßkirch. „Aus Verbundenheit zur Heimat“, sagt Armin Gmeiner. In den vergangenen zehn, zwölf Jahren sei das Unternehmen gewachsen. Hauptsächlichen Anteil daran haben die Regionalkrimis, mit denen sich Gmeiner in der Republik längst einen Namen gemacht hat. 1998 ging’s los. Gunter Haug machte den Anfang mit „Tiefenrausch“. Fast schon logischerweise ein Schwabenkrimi. Doch damit war die Erweiterung noch lange nicht abgeschlossen. 2007 kamen die historischen Romane dazu, 2010 die Frauenromane. 2011 kam die Regionalführerreihe „66 Lieblingsplätze“ dazu, im vergangenen Jahr die „Stadtgespräche“. Über 300 Autoren stehen mittlerweile beim Hause Gmeiner unter Vertrag. Klar, dass da interessiert, wo sich Harald Schneider einreiht. Da macht Armin Gmeiner nur eine Handbewegung: Er zeigt mit dem Daumen nach oben. Der Schifferstadter hat sich mit seiner Serienfigur Reiner Palzki und dem skurrilen Humor einen Platz ganz oben in der Hitliste der Regionalkrimi-Autoren erarbeitet. „Vor allem, weil er sich immer marketingtechnisch etwas einfallen lässt“, ergänzt Claudia Senghaas, Programmleiterin beim Gmeiner-Verlag. Angefangen hat in Meßkirch alles 1986 – das Jahr der Gewerbeanmeldung. Zum ersten Mal verlegerisch tätig wurde Gmeiner nicht auf Deutsch, sondern auf Esperanto. Mit einer Wörterkartei der Kunstsprache hob Armin Gemeiner sein Geschäft aus der Taufe. Es folgten regionalgeschichtliche Sachen und Chroniken. „Aber alles auf kleiner Flamme“, sagt Armin Gmeiner. Die Entwicklung, die sein Verlag seitdem genommen hat, sei so nicht abzusehen gewesen. Der Geschäftsführer spricht von Fügungen. Zum Beispiel das Treffen mit Claudia Senghaas, die die Programmleitung übernommen hat. „Aber das macht es gerade so schön, weil nicht alles so geplant war“, philosophiert Gmeiner. Pro Jahr erscheinen inzwischen rund 170 Titel mit dem Logo des Meßkircher Verlags drauf. „Auf die gesunde Mischung kommt es an“, erklärt Claudia Senghaas. 20 Titel aus Baden-Württemberg in einem Programm – das würde nicht funktionieren. Und Armin Gmeiner ergänzt: „Spannung und Kultur – die beiden Felder wollen wir kontinuierlich ausbauen.“ Etwa 800 Titel sind bislang erschienen. Ausgeliefert werden sie über das Verteilzentrum in Leipzig. Warum der Schwerpunkt regionale Krimis? „Das Genre war auf einmal da“, erzählt Claudia Senghaas. Habe ihm früher etwas Piefiges angehaftet, würden sich die Menschen der Heimat immer mehr bewusst. Der Gmeiner-Verlag also in einer Art Vorreiter-Rolle? „Wir waren auf jeden Fall ganz früh dabei. Und wir möchten es nicht mehr missen“, sagt Armin Gmeiner. Die Verlagsräume verteilen sich auf drei Gebäude. Und natürlich sind in jedem Zimmer Bücher zu finden. Das Zentrum ist der Mittelhof. Hier hat nicht nur Armin Gmeiner im ersten Stock sein Büro. Neben dem Konferenzraum ist das Büro, in dem die Reihe „66 Lieblingsplätze“ koordiniert wird. Auf einer Deutschlandkarte sieht man, was schon abgedeckt ist. Einmal die Treppe hoch und man kommt in das Büro, in dem die Bücher gesetzt, also für den Druck fertig gemacht werden. Gedruckt werden die Gmeiner-Bücher dann in Kempten im Allgäu oder in Pößneck in Thüringen. Für einen vom Umfang her durchschnittlichen Gmeiner-Roman von 300 bis 400 Seiten werden etwa ein bis zwei Stunden zum Setzen veranschlagt. Einen Raum weiter ist die neue Werbeagentur, die am 1. Oktober die Arbeit aufgenommen hat. Hier sollen unter anderem Hauszeitschriften für den Buchhandel konzipiert werden. Eine Tür nebenan ist die kaufmännische Abteilung, wo das Budget geplant wird. Auch Honorare, Angebote und Rechte werden verwaltet. Bis ein Buch des Verlags die Kosten wieder reingeholt hat, müssen rund 3000 Exemplare davon verkauft werden. Ab 4000 ist das Werk in der Gewinnspanne. „Allerdings reden wir hier von einem Durchschnittsbuch, dass es in der Realität selten gibt“, erläutert Armin Gmeiner. Und geht gleich weiter in sein Büro. An der Wand ist – natürlich – ein Regal mit Krimis. Ganz oben noch das alte Format. Es geht über den Hof ins Nebengebäude. Kater Lucky will auch durch die Tür, hinter der sich Marketing und Handlager befinden. Darf er auch. „Lucky darf hier eh alles“, klärt Gmeiner auf. Für die Zweibeiner der Tour geht’s erst mal nach links in Richtung Marketing. An der Wand hängt ein Anzeigenplan – in welchem Medium wird wann zu welchem Preis für welches Produkt geworben. Einen Schreibtisch weiter liegt das neueste Gimmick, das es zu kaufen gibt: ein E-Reader, auf dem schon ein Gmeiner-Roman drauf ist. Auch die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit ist in dem Komplex beheimatet. Hier werden unter anderem die rund 700 Lesungen organisiert, auf denen die Gmeiner-Autoren sich und ihre Bücher im Jahr präsentieren. Über den Flur geht’s zum Handlager. Von jedem Buch, das im Verlag jemals erschienen ist, lagern hier rund 20 Exemplare. Eine Regalreihe ist noch frei. „Wenn man mir vor 25 Jahren gesagt hätte, dass die 1000 in greifbarer Nähe sind ...“ Armin Gmeiner schmunzelt und schaut etwas ungläubig. Letzter Teil des Rundgangs: das Lektorat. Dafür geht’s in Haus Nummer drei – wieder über den Hof. Kater Lucky will nicht mit. Er hat die Büros wahrscheinlich schon oft genug gesehen. Wer hier im ersten Stock arbeitet, der achtet darauf, dass man auf Seite zwei nicht gleich erkennt, wer der Mörder ist. Ist eine Geschichte stimmig? „Sorry“ hat man vor 100 Jahren halt hier noch nicht gesagt. Auch Claudia Senghaas’ Büro ist hier. Allerdings trifft man sie dort nur selten an. Sie ist fast immer irgendwo unterwegs. Auch, um neue Autoren „an Land zu ziehen“. Und wohin steuert der Verlag in der Zukunft? „Vielleicht probieren wir noch weitere Genres aus“, sagt Claudia Senghaas und denkt laut: „Kinderbuch, Jugendkrimi, Fantasy.“ Eigentlich fühle er sich mit der aktuellen Größe des Verlags sehr wohl, sagt Armin Gmeiner. „Aber das Geschäft darf ruhig sukzessive weiterwachsen.“ Vielleicht ja bald mit einer Thrillerreihe. Auf jeden Fall aber mit den nächsten Abenteuern von Reiner Palzki aus der Feder von Harald Schneider. Eins wird sich aber mit Sicherheit nicht ändern: In Meßkirch wird’s auch weiterhin beschaulich und idyllisch sein.

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