Mutterstadt Stolperstein-Verlegung: Erinnern an die Dellheims und andere Opfer

„Ein Stein. Ein Name. Ein Mesch.“: In Mutterstadt werden 20 weitere Stolpersteine verlegt.
»Ein Stein. Ein Name. Ein Mesch.«: In Mutterstadt werden 20 weitere Stolpersteine verlegt.

20 weitere Stolpersteine sind in Mutterstadt zum Andenken an Opfer des Nationalsozialismus verlegt worden. Berücksichtigt wurde dabei die fünfköpfige Familie Dellheim, deren jüngste Tochter Isolde noch am Leben ist. Die Spenderin ihres Steins ist eine Zeitzeugin und eine gute Bekannte der Familie.

„Die Opfer haben ein Recht auf Erinnerung und wir müssen diese Erinnerung wahren“, zitiert Bürgermeister Hans-Dieter Schneider (SPD) in seiner Begrüßungsrede die Mahnung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD), die Opfer der Verbrechen des Nationalsozialismus nicht zu vergessen. Dies war auch für den Künstler Gunter Demnig Anfang der 1990er-Jahre das Hauptmotiv zur Gründung seiner Stolperstein-Initiative, deren Motto lautet: „Ein Stein. Ein Name. Ein Mensch.“. Selbst ist der 75-jährige Kölner an diesem Morgen nicht dabei, er wird aber am 22. September dabei sein, wenn 20 Messing-Tafeln sowie eine Schwelle verlegt werden – darin eingelassen die Namen der Opfer, deren Geburtsjahre und die Art ihrer Misshandlung.

Für dieses Mal hatte er die Verlegung der Steine, für die der jeweils zuletzt frei gewählte Wohnsitz der Personen entscheidend ist, durch den Mutterstadter Bauhof ausdrücklich genehmigt. Die fünf Löcher für die Stolpersteine der Familie Dellheim sind im Gehsteig vor der Pension „Ruth“ in der Friedensstraße 8 neben vier dort bereits vorhandenen Steinen vorbereitet. Außerdem sind die Schicksale von Fritz (*1898) und der katholischen Marie Margarete Dellheim (*1904) sowie ihren Kindern Ruth (*1922), die die Pension bis 1989 betrieben hat, Harri Fritz (*1930) und Isolde Maria *(1939) vom Stolpersteine-Team, Büroleiter Gunther Holzwarth, Archivarin Christina Wolf und Volker Schläfer vom Historischen Verein im Vorfeld recherchiert worden.

„Die Ehe galt als Mischehe“, informiert Schläfer, was wegen „Blutschande“ strafbar gewesen sei. Reich sei die Familie nicht gewesen. Fritz habe verschiedene Berufe ausgeübt, darunter Kaufmann, Kraftfahrer, Arbeiter oder Pferdehändler. Marie sei wegen „Beleidigung“ zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt worden, da sie die Unterhaltung mit einem Polizeibeamten als „wunderbar“ bezeichnet habe, wodurch sie, als Ehefrau eines Juden, diesen „verächtlich“ gemacht habe. Nur wenige Monate später sei Fritz Dellheim für „Dachau-reif“ erklärt und dort hingebracht, aber später wieder entlassen worden. Von der Deportation nach Gurs seien die Dellheims durch die katholische Mutter verschont geblieben. Fritz sei seit 1940 mehrmals von der Familie Unhold versteckt worden. Erst als ab März 1945 auch Halbjuden ins KZ kommen sollten, sei die Familie nach Edenkoben geflohen.

Isolde Frühling (geborene Dellheim) war erst fünf Jahre alt, kann sich aber noch an damals erinnern. „Ich bin im Wägele gesessen“, erzählt sie. Und dass sie bei einem Spaziergang mit ihrem „Bappe“ gerade noch rechtzeitig Unterschlupf in einem Holz-Unterstand gefunden habe, als die Amerikaner im Tiefflug anrückten. „Sonst wären wir umgekommen“, blickt sie auf die Kriegsjahre zurück. Spenderin für Isoldes Stein ist Irmgard Metzger. Sie wohnte in der Nähe der Familie und kannte sie gut. Sie hat Isolde als Mädchen erlebt, ebenso den Synagogenbrand. Das habe sie so tief im Herzen beeindruckt, dass sie einen Entschluss fasste. „Als der Krieg rum war, habe ich mir vorgenommen, den Juden zu helfen, dass sie geachtet werden“, sagte die 96-Jährige.

Isolde selbst spendet den Stein für ihren Vater Fritz, Hans-Jürgen Külbs für seine Mutter Ruth. Schüler des IGS-Sozialkunde-Leistungskurses von Lehrer Martin Saxer tragen an fünf Verlegeorten die Recherchen zu den Opfern vor. „Interessierte Schüler sollen eingebunden und mit der Gemeinde vernetzt werden“, begründet Jens Pellkofer die Teilnahme. Ein Rückblick und eine Sensibilisierung für Geschichte seien wichtig, meint der Schulleiter der Integrierten Gesamtschule. Neben den weiteren jüdischen Opfern Ludwig, Thekla und Julius Löb (Rheingönheimer Straße 23), Ida, Jakob und Marie Löb (Speyerer Straße 24), Ferdinand und Liese Löb (Speyerer Straße 1), Bernhard und Jenny Löb (Neustadter Straße 2), sowie der derzeit ältesten Betroffenen Emma Marum (Dannstadter Straße 15) erhalten auch Fritz Schalk (Ruchheimer Straße 18), Josef Köhler (Eckenerstraße 1), Walter Riegel (Dannstadter Straße 4) und Hermann Klein (Speyerer Straße 1) einen Stein. Die Stifter sind Einzelpersonen und verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen. An das Leid, das über die Familien der Opfer gebracht wurde, zu erinnern, muss in Bürgermeister Schneiders Augen stets eine generationsübergreifende Pflicht bleiben. „So etwas darf nie wieder geschehen!“, betont er.

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