Rhein-Pfalz Kreis Sensationsfund unter Wasser

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LUDWIGSHAFEN/Aach. Sechs Flaschen Sauerstoff, Lampen, Kamera – wenn Joachim Kreiselmaier in der Aachquelle taucht, hat er eine Ausrüstung dabei, die über 200 Kilogramm auf die Waage bringt. „Ich bin unterwegs wie ein Schwerlaster“, sagt er und lacht. Die Tauchgänge in der Aachquelle bringen noch mehr Herausforderungen mit sich. So besteht die Quelle aus einem verzweigten Höhlensystem, „einem großen Labyrinth“, erklärt der Ludwigshafener. Die Sicht ist schlecht, die Orientierung schwierig, und ein Tauchgang ist auch nur dann möglich, bis die Schüttung – also das Wasser, das aus der Quelle kommt – unter vier Kubikmetern liegt. Dies alles nimmt der 55-Jährige gerne auf sich, ist er doch schon seit seiner Jugend ein passionierter Taucher. „Gelernt habe ich das Tauchen bei der DLRG“, erzählt der Informatiker. Schon bald hat ihn das Höhlentauchen fasziniert, und die erste erreichbare – und vor allem interessante – Höhle von Ludwigshafen aus ist eben die Aachquelle. In der Region bei Aach im Landkreis Konstanz versickert aus dem Bett der Donau Wasser im Untergrund. Das fließt unterirdisch in ein Höhlensystem und kommt nach zwölf Kilometern in der Aachquelle wieder ans Tageslicht und wird zur Radolfzeller Aach, die in den Bodensee fließt. „In diesen Höhlengängen dürfen nur wenige Taucher mit spezieller Ausbildung und Ausnahmegenehmigung tauchen“, erläutert Kreiselmaier. Bei einem Tauchgang im Sommer 2015 fielen dem Höhlentaucher dann plötzlich kleine Fische auf. „Ich habe an der Seite die Blutgefäße durchschimmern sehen. Die Fische waren deutlich weniger pigmentiert als Seefische“, erinnert er sich. Sofort war ihm klar: „Ich habe etwas Besonderes entdeckt.“ Kreiselmaier fotografierte die Fische und zeigte die Aufnahmen der Wissenschaftlerin Jasminca Behrmann-Godel, die am Limnologischen Institut der Universität Konstanz arbeitet. Dort werden Binnengewässer und ihre Ökosysteme erforscht. Behrmann-Godel bat Kreiselmaier um ein lebendes Exemplar des Höhlenfisches. Da hieß es erst einmal warten, bis die Bedingungen gut waren. Denn bis zur Fundstelle sind die Taucher rund anderthalb Stunden unterwegs und müssen gegen die Strömung schwimmen. Kreiselmaier gelang es dann im November 2015, einen Höhlenfisch zu fangen. Die Konstanzer Wissenschaftlerin untersuchte den Fisch zusammen mit dem Evolutionsbiologen Arne Nolte von der Universität Oldenburg und Jörg Freyhof vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin, der übrigens auch aus Ludwigshafen stammt. Das Ergebnis: Jörg Kreiselmaier hat den ersten europäischen Höhlenfisch entdeckt. Eine Sensation in Fachkreisen. Denn gleichzeitig wurde mit dem Fund die bisherige Annahme der Forschung widerlegt, dass es nördlich des 41. Breitengrades gar keine Höhlenfische gebe. Denn der bislang nördlichste Höhlenfisch wurde am 41. Breitengrad in den USA im Bundesstaat Pennsylvania entdeckt. Die Aach-Höhlen liegen auf dem 47. Breitengrad. Das Forscherteam geht davon aus, dass die von Kreiselmaier entdeckte Schmerle vermutlich vor rund 20.000 Jahren, nach dem Ende der sogenannten Würmeiszeit, aus der Donau in das Höhlensystem bei Aach im Kreis Konstanz eingewandert ist und sich im Laufe der Jahrtausende dem Leben im Dunkeln angepasst hat. Die Wissenschaftler vermuten eine große Schmerlen-Population in dem Höhlensystem. Jetzt wurden die Ergebnisse in der internationalen Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht und lösten einen richtigen Medienrummel aus. „Wir haben es bis in die Tagesschau geschafft“, berichtet der Entdecker aus Ludwigshafen stolz. Auch international wurde sein Fund wahrgenommen. „Ich habe Höhlenfisch in viele Sprachen übersetzt und gegoogelt. Überall gab es Treffer, nur nicht auf Niederländisch, Indisch und Hindi“, sagt er. Jetzt will Joachim Kreiselmaier möglichst schnell wieder tauchen, natürlich in der Aachquelle, denn in dem Höhlenlabyrinth gibt es noch viel zu entdecken.

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