Rhein-Pfalz Kreis Schräg, verschroben und ganz nah dran am echten Leben

„Wer mich heere will, soll kumme“, findet Gerd Kannegieser. Denn: Sein Witz funktioniert am besten live.
»Wer mich heere will, soll kumme«, findet Gerd Kannegieser. Denn: Sein Witz funktioniert am besten live.

«Schifferstadt.»„Isch han aa gedenkt, des Älterwerde dauert länger“, hat Gerd Kannegieser gleich zu Beginn seines Auftritts im Schifferstadter Schreiwer-Hais’l gesagt. 30 Jahre macht er nun schon Kabarett – konsequent in Mundart und immer nur live. Es lohnt sich, ihn zu erleben.

Gerd Kannegieser gibt es nur leibhaftig – oder gar nicht. Er macht kein Fernsehen, nimmt keine CDs oder DVDs auf. „Wer mich heere will, soll kumme“, sagte er kürzlich im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Wer dann vor ihm sitzt, wie etwa im Hof des Schifferstadter Schreiwer-Hais`ls, merkt gleich, dass seine Stärke im Umgang mit dem Publikum liegt. „Geht`s dir aa so?“ fragt er öfter, oder er stellt fest „gell, des kennsch`du aach!“, wenn jemand nickt und sich die Lachtränen aus dem Augenwinkel wischt. Er erweckt dabei den Eindruck, als sei er sowieso hier, im Kreis von Bekannten, mit denen er mal einfach so „verzehlt“. Dass da einer steht, der sich vorher recht genau überlegt hat, was er sagt, vergisst der Zuhörer einfach. Die Schranke zwischen Künstler und Publikum scheint aufgehoben. „Warum verzehl’ ich Eich des...?“ heißt sein aktuelles Programm. Dabei fängt er schon so an, dass er als identisch mit der Bühnenfigur Kannegieser wahrgenommen wird. Er entschuldigt sich, dass er so spät angekommen sei. Heute Morgen habe er noch geduscht und da habe sich sein Intim-Piercing im Duschvorhang verfangen. Dann erzählt er, dass er nicht losgekommen sei, trotzdem los wollte, aber der Duschvorhang nicht in die Hose gepasst habe. Solcher Art erzählter Slapstick ist eine der Spezialitäten Kannegiesers – man hat ein zum Schreien komisches Bild vor Augen. Und wenn das Publikum wieder bei Atem ist, legt er nach: „Nää, das war jo bloß Schbass – ich han gar kä Duschvorhang ...“ Die Mundart klingt nach Westpfalz. Kannegieser stammt aus der Gegend von Kaiserslautern. Er hat Mathematik, Philosophie und Germanistik studiert und ist im Hauptberuf Lehrer. Aber keine Angst, das merkt man nicht, wenn er als Kabarettist auf der Bühne steht. Was ihn von anderen Kabarettisten unterscheidet, sagt er selber im Programm: Da gebe es viele, die die Welt retten wollen. Kannegieser will das nicht – oder zumindest nicht so offensichtlich. Er erzählt vom Halter Fritz, vom Köhler Herrmann und von seinem Stammtisch. Natürlich kennt jeder im Publikum einen der dargestellten Typen oder deren Sprüche. Kannegiesers Bühnenfigur ist jemand, der auch so im Publikum sitzen könnte: Mit 61 Jahren nicht mehr ganz jung, denkt er gerne an früher. Da war die Welt noch übersichtlicher. Zum Beispiel gab es da noch keine Handys und ständige Erreichbarkeit. Da stand das Telefon mit Brokatbezug mitten im Flur. Schon allein deshalb war da nix mit Telefonsex ... Da ging man mit seinem Mädchen noch ins Kino und guckte Karl-May-Filme. Wo Winnetou sein Pferd beim Namen rief, um die letzten Galopp-Reserven herauszuholen. Was bei Kannegiesers R4 auf der Autobahn leider nicht so klappte. Damals gab es zwar kein Twitter, aber „es Kättche“, die Nachbarin, die lautstark ihre Statusmeldungen aus dem offenen Fenster auf in die Straße brüllte: „Bischde schunn widder mit de dreckische Schuh iwwer de Debbisch geloffe? Waad numme wann isch disch verwisch...!“ Und die Küchengeräte waren noch nicht online und vernetzt, der Toaster analog und wenn er „nedd duud“ macht ’s Kättche keinen Neustart, sondern schmeißt ihn aus dem Fenster. Das Sympathische an Kannegieser ist, dass er kein Besserwisser ist. Tatsächlich findet man bei ihm Heimat – aber nicht kitschig verklärt, sondern etwas schräg, etwas verschroben und bevölkert mit Typen, die man selber kennt, oder selber ist. Den ein oder anderen derben Spruch lässt ein Stammtisch-Kumpel los, aber „der is halt so, ganz grad’ raus ...“

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