Rhein-Pfalz Kreis Nach dem Abi als Tramper nach Stockholm

Waldsee. Wenn Otto Reiland über seine fußballerische Glanzstunde spricht, hat er ein breites Lächeln im Gesicht. Die Erinnerung bereitet ihm sichtlich Vergnügen. 1966 wurde er Pfalzmeister der Mittelstufen. Mit seinem Team vom Altsprachlich-Naturwissenschaftlichen Gymnasium Speyer schlug er in Landau die Gastgeber mit 1:0. „Wir haben alles weggeputzt, was sich uns in den Weg stellte“, sagt der 64-Jährige. Im Halbfinale hatten die Speyerer eine Mannschaft aus Pirmasens ausgeschaltet, in deren Reihen der spätere FCK-Profi Hannes Riedl kickte. Reiland war als dessen Sonderbewacher abgestellt. „Es hat gewirkt, zumindest hat er nicht getroffen“, sagt Reiland, in dessen Team auch der spätere ZDF-Intendant Markus Schächter spielte. 40 Jahre nach dem Triumph der Speyerer Mittelstufenschüler lud Schächter alle als Zuschauer ins Aktuelle Sportstudio ein. Der junge Reiland blieb am Ball, spielte im Verein, natürlich für die TuRa Otterstadt. Denn im Karpfendorf wuchs er auf. Fußball oder das Mitwirken im Musikverein, weitere Freizeitaktivitäten habe es für die Jugend damals nicht gegeben, erzählt Reiland, der stark in den kleinen landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern eingebunden war. „Mit sieben Jahren konnte ich Traktor fahren und mit einem Pferdefuhrwerk umgehen.“ In dieser Zeit entstand Reilands Vorliebe für praktische Arbeit. Weiter verfolgt hat er diese Laufbahn aber nicht. Er ging aufs Gymnasium, was damals nicht selbstverständlich war. „Ich war der einzige aus unserer Klasse.“ Seine Eltern hätten früh erkannt, dass ihr Betrieb keine Zukunft hatte. Reilands gaben die Landwirtschaft auf, als der Vater starb – der junge Otto war da 14 Jahre alt. Um Geld zu verdienen, jobbte er in den Ferien regelmäßig bei der Firma Netter auf dem Bau. „Mit mir können Sie ein Haus bauen“, sagt er. 1969 begann er ein Volkswirtschaftsstudium in Heidelberg, wo er dank Bafög über die Runden kam. Die Zeit an der Universität war prägend für seine politische Sozialisation. Eine kleine Gruppe Linker habe jeden Tag vor der Mensa Flugblätter verteilt, erinnert sich Reiland. „Das war dermaßen aggressiv, unausgewogen und einseitig. Das war politisch nicht meine Welt.“ 1975 schloss er sich der CDU an und gründete die Junge Union Waldsee mit. 1972, noch während des Studiums, traf er eine Entscheidung, die für einen Otterstadter nicht weniger prägend ist: Er zog nach Waldsee. Grund war seine Hochzeit mit der Waldseerin Marliese Tremmel. In der Firma der Schwiegereltern, einem Beton-Werk, arbeitete er ab 1974 als frischgebackener Diplom-Volkswirt mit. Seine politische Karriere begann mit der Wahl zum ehrenamtlichen Verbandsgemeinde-Beigeordneten 1979. „Es war kein anderer da, der es konnte oder wollte“, blickt Reiland zurück. Fünf Jahre später wurde er Verbandsbürgermeister, ein Amt, das er heute noch hat. Seit 1999 ist er zudem Waldseer Ortsbürgermeister, auch dafür kandidiert er am 25. Mai wieder. Kein Wunder, dass ihn manche als „König Otto“ bezeichnen. Doch auch bei denen, die dies im spöttischen Tonfall sagen, klingt der Respekt für die politische Leistung des Christdemokraten durch. Reiland sagt, er habe lange überlegt, ob er wieder kandidieren solle, doch reize es ihn, die neue Verbandsgemeinde „auf die Füße zu stellen“. Das war auch mal anders: 1972, wenige Tage nach seiner Hochzeit, trat die damalige Gebietsreform in Kraft, wurde die neue Verbandsgemeinde gegründet. „Das hat mich zu der Zeit überhaupt nicht interessiert“, sagt er und lacht über die Ironie dieser Geschichte. Angebote, für den Landtag zu kandidieren, schlug Reiland aus. Er strebte nicht nach Höherem, war zufrieden in seinem dörflichen Umfeld – auch der Familie wegen. 250 Schritte hat er von der Eingangstür des Rathauses bis zu seinem Hoftor gezählt. Er genoss es, mittags mit seiner Frau und den beiden Töchtern essen zu können. Der Nachwuchs ist inzwischen aus dem Haus, Reiland ist zweifacher Großvater. In die weite Welt hatte es ihn nur als Jugendlicher gezogen. Da träumte er noch davon, als Holzfäller in Kanada zu arbeiten. Direkt nach dem Abitur reiste er zum Onkel nach Stockholm – als Tramper. Was gut klappte, aber nicht ohne Tücken war. Auf der Hinfahrt wurde er am Hamburger Hauptbahnhof abgesetzt, nicht ahnend, dass in der Stadt praktisch keine Anhalter mitgenommen wurden. Den Fußmarsch an den Rand der Hansestadt beschreibt er als quälend. Und auf der Rückreise nahm ihn ein Autofahrer mit, der jede Tankstelle ansteuerte; aber nicht um das Auto zu betanken, sondern um Alkohol zu trinken. „Das war mir irgendwann zu riskant, da habe ich mich vorzeitig verabschiedet.“ Reiland wundert sich selbst, mit welch jugendlicher Unbekümmertheit er seine Stockholm-Reise angegangen war. Seine Mutter hatte das damals anders gesehen: „Die ist vor Angst schier gestorben.“

x