Rhein-Pfalz Kreis „Müssen Werte verteidigen“
Mutterstadt. Der französische Botschafter Philippe Etienne ist am Montag trotz der jüngsten Terroranschläge in Paris der Einladung zum Neujahrsempfang der CDU-Bundestagsabgeordneten Maria Böhmer in Mutterstadt gefolgt. Im RHEINPFALZ-Interview spricht der Diplomat über die Anschläge, die Freundschaft zwischen Deutschen und Franzosen sowie die Rolle der Städtepartnerschaften.
Ich habe sie als einfacher Bürger erlebt und war wie alle anderen sehr schockiert. Ich war aber zugleich auch stolz, wie das französische Volk darauf reagiert hat, indem über vier Millionen Menschen gegen den Terror auf die Straße gegangen sind. Wie bewerten Sie die Reaktionen aus Deutschland? Wir schätzen sehr, wie sich unsere deutschen Freunde verhalten haben. Es kamen ständig Menschen zu französischen Einrichtungen und haben Kerzen angezündet für die Opfer, haben mit Bleistiften und Blumen ihre Solidarität bekundet, zum Beispiel vor unserer Botschaft in Berlin. Die vielen Kundgebungen wie der Schweigemarsch in Frankenthal haben ebenfalls gezeigt, dass die Deutschen wirklich mit uns fühlen. Auch die Schweigeminute nach den Anschlägen fand an vielen Orten in Deutschland wie im Auswärtigen Amt statt. Das alles hat uns Franzosen emotional sehr berührt. Unsere Medien haben das mit großem Interesse beobachtet. Politisch war es äußert wichtig, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck ihr Mitgefühl ausgedrückt haben. Bundeskanzlerin Merkel, Außenminister Steinmeier, Vizekanzler Gabriel, sie alle waren außerdem an unserer Seite in Paris bei der großen Kundgebung am 11. Januar. Was bedeutet die deutsche Anteilnahme darüber hinaus? Sie belegt, dass es uns alle betrifft, da unsere gemeinsamen Grundwerte wie Freiheit angegriffen wurden und unsere Sicherheit auf dem Spiel steht. Diese Verbundenheit ist ein gutes Zeichen für die Zukunft Europas. Wir stehen gemeinsam vor großen Herausforderungen und müssen Europa gemeinsam gestalten und unsere gemeinsamen Werte verteidigen. Haben Sie bei öffentlichen Auftritten wie jetzt hier beim Neujahrsempfang Maria Böhmers mehr Angst als vor den Anschlägen? Nein, auf keinen Fall. Es besteht selbstverständlich die Gefahr weiterer Anschläge, und wir müssen alles dagegen unternehmen, um das zu verhindern. Aber würden wir die Angst unser Verhalten bestimmen lassen, hätten die Terroristen gewonnen. Diesen Gefallen dürfen und werden wir ihnen nicht tun. Haben Sie selbst die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ gelesen, die nach den Morden in aller Munde ist? Noch nicht im Detail. Doch darum geht es gar nicht. Sondern worum? Auch alle Menschen, die die Karikaturen nicht gesehen hatten oder nicht damit einverstanden waren, haben nach den Morden gesagt „Je suis Charlie“. Unser Motto in Frankreich steht in Anlehnung an Voltaire und die Aufklärung. Es geht nicht nur darum, das Recht derer zu verteidigen, die etwas sagen, das uns gefällt. Es geht auch um das Recht jedes Menschen, das zu sagen, was uns nicht gefällt. Kommt vor diesem Hintergrund deutsch-französischen Städtepartnerschaften eine besondere Rolle zu? Ja, durchaus. Manche Leute haben sich vielleicht gefragt, ob solche Partnerschaften, die ja nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, heutzutage überhaupt noch nötig sind. Das sind sie, gerade jetzt, wo viele Menschen Europa gegenüber ein wachsendes Misstrauen entwickeln und es als weit weg empfinden. Wie können solche Partnerschaften diesem Empfinden entgegenwirken? Dahinter stehen Menschen, und die Partnerschaften bestehen in erster Linie zwischen diesen Menschen. Genau das macht Europa aus, macht es erleb-, ja greifbar.