Bobenheim-Roxheim Kolumne aus dem Corona-Homeoffice: Warum Eltern jetzt der Superheldenstatus gebührt

Nette Idee der protestantischen Gemeinde: eine Arche, die Kinder mit Tieren ausstatten können.
Nette Idee der protestantischen Gemeinde: eine Arche, die Kinder mit Tieren ausstatten können.

Eltern sind undankbar. Und unfähig. So sehen es zumindest unzählige Menschen, die sich im Internet tummeln und Artikel und Beiträge kommentieren, die auf die aktuell widrigen Umstände für Familien hinweisen. Der Tenor ist immer derselbe: Früher war alles besser, Kinder wurden einfach konsequenter erzogen, Arbeit und Betreuung gleichzeitig war kein Problem.

Mir ist dann immer nicht so ganz klar, von welchem „früher“ hier gesprochen wird. Von den 50er-Jahren? Also von der Zeit, in der Frauen kein eigenes Konto eröffnen durften, die Erlaubnis des Ehemanns brauchten, um eine Arbeit aufzunehmen, und Eltern ihre Kinder noch züchtigten, um ihren Willen durchzusetzen und den des Nachwuchses zu brechen?

Herr Söder kann gern mal vorbeikommen

Wenn das der neue historische Sehnsuchtsort ist, an den wir uns träumen sollen, dann kappe ich lieber die Internetverbindung in unserem Haushalt. Auch damit ich mir keine Videos anschauen muss, in denen sich der bayerische Ministerpräsident darüber auslässt, dass Homeoffice mit Kindern zu Hause eine tolle Möglichkeit sei, die Work-Life-Balance zu verbessern.

Herr Söder darf gerne mal bei uns vorbeikommen, denn hier ist nichts mehr in Balance. Während ich tippe, rumort es in den Kinderzimmern. Es klingt, als würde etwas Schweres über den Boden geschleift. Ein Rumpeln, ein Krachen und meine Geduld ist erschöpft. Ich verlasse mein Arbeitszimmer und sehe, wie meine Töchter eine Matratze Richtung Treppe schieben, kichernd darauf springen und mir vor Verzückung quietschend vor die Füße rutschen. Eine Millisekunde habe ich Zeit zu entscheiden, ob ich losbrüllen oder mitlachen soll.

Ich entscheide mich für Letzteres. Denn Eltern sind weder undankbar noch unfähig. Sie sind Superhelden. Superhelden, die versuchen, ihren Kindern trotz der Belastung den Alltag so schön wie möglich zu gestalten. Schließlich sind diese komischen Zeiten Teil ihrer Kindheit. In der realen Welt verstehen das viele. Lehrer und Erzieher schreiben aufmunternde Briefe, verschicken Schokolinsen zur Aufheiterung, und die Bobenheim-Roxheimer Protestanten haben am Gemeindehaus eine Arche Noah aus Pappe angebracht, die Kindern mit selbst gebastelten Tieren bekleben dürfen.

Auch in Corona-Zeit: Kinder bleiben Kinder

Zwei Tiere haben meine Mädchen schon beigesteuert. Einen Schmetterling und einen Maulwurf. Dank einer künstlerisch unbegabten Mutter sieht der Maulwurf meiner Vierjährigen aber eher aus wie ein überfahrenes Meerschweinchen mit Riesenklaue. Außerdem hat sie ihm ein regenbogenfarbenes Fell verpasst. Ich bin nicht hundertprozentig bibelfest, aber ich bezweifle, dass ein solches Wesen an Bord war.

Den Kindern ist das egal. Sie freuen sich und basteln fleißig weiter. Das sind Erinnerungen, die bleiben und die verständnisvolle Mitmenschen und wir Eltern schaffen. Deswegen gehe ich jetzt mein Superheld-Cape bügeln und kicke die übrige Wäsche einfach ein Stück zur Seite.

Vera Barth
Vera Barth
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