Mutterstadt Infotafel gegen das Vergessen

Volker Schläfer (mit Hut) übergibt die Infotafel, ganz rechts steht Eberhard Dittus.
Volker Schläfer (mit Hut) übergibt die Infotafel, ganz rechts steht Eberhard Dittus.

Wie überall im Deutschland des Nationalsozialismus wurde in der Pogromnacht am 10. November 1938 auch die Synagoge in Mutterstadt von SA-Leuten angezündet und brannte vollständig aus. Eine Infotafel am ehemaligen Standort erinnert jetzt an das jüdische Gotteshaus.

„Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde Mutterstadt“, beginnt auf der neuen Informationstafel der Text unterhalb eines Fotos des einstigen Fensterachsen-Sakralbaus mit Jugendstilfassade in der Oggersheimer Straße. Die Tafel informiert weiter über deren damalige kuppelähnlichen Dachreiter mit zwei Ziertürmchen und die Fenster mit für Synagogen einzigartigen figürlichen Glasgemälden. Die Innenraumgestaltung mit Bima – einem erhöhten Pult –, Thoraschrein und vier Thorarollen, Ewigem Licht und Frauenempore wird erläutert genauso wie der Anbau mit der Mikwe, dem Ritualbad.

Am frühen Morgen des 10. November 1938 wurde die Synagoge von Mutterstadter Mitgliedern der Sturmabteilung (SA) in Brand gesetzt. Nach einer Explosion brannte das Gebäude völlig aus. Nach dem Abriss wurde ein Löschteich angelegt. 1956 wurde das Gelände von der jüdischen Kultusgemeinde an die Familie Kegel verkauft. 2020 wurden Mauerreste freigelegt, die im Boden verblieben sind und überbaut wurden. Ein Hinweis erinnert an die 63 jüdischen Einwohner, die 1938 in Mutterstadt lebten.

Initiiert, finanziert und aufgestellt wurde die Tafel vom Beigeordneten Hartmut Kegel (FWG) in Kooperation mit der Christlich-jüdischen Erhaltungsinitiative Mutterstadt. Deren Sprecher und Ortschronist Volker Schläfer erinnerte bei der Enthüllung der Tafel an den Augenzeugenbericht des 1908 geborenen und 1938 in die USA geflohenen Ernest Löb, der seinen Onkel Ferdinand an besagtem schicksalhaften Morgen rufen hörte: „Die Synagoge brennt!“ Diesen Schrei hat Löb wohl bis zu seinem Tod 1992 niemals vergessen.

Schläfer führte auch den ebenfalls in die Vereinigten Staaten emigrierten Werner Dellheim ins Feld, der auf Initiative von Herbert Metzger den Mutterstadter Künstler Michael Kunz mit den nötigen Informationen versorgte, um die figürlichen Glasgemälde zeichnerisch nachbilden zu können. Kunz’ Bilder waren während der Veranstaltung zu sehen.

Eberhard Dittus, Beauftragter der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, meinte: „Als Symbol meiner Verbundenheit setze ich mir eine Kippa auf, obwohl ich auch als Vertreter der evangelischen Landeskirche ehrenamtlich Gedenkstättenarbeit betreibe.“ Er lobte die Gemeinde Mutterstadt für jahrelanges Engagement in „Erinnerungs- und Gedenkkultur“ und ebenso das Interesse der Schüler der Integrierten Gesamtschule (IGS) Mutterstadt. Diese waren mit ihrem Lehrer Martin Saxer vor Ort, weil sie sich künftig intensiver mit der Mutterstadter Geschichte befassen wollen.

Dittus berichtete vom Pfälzer Landjudentum, in dessen Bereich sich 1938 93 Synagogen und Gebetsräume befunden haben. 51 davon seien den Flammen zum Opfer gefallen. Er forderte die jungen Zuhörer dazu auf, aus der Geschichte zu lernen und Antisemitismus keinen Platz mehr zu geben. Auch Hartmut Kegel sprach von dem unermesslichen Leid durch Verfolgung, Vertreibung und Ermordung. Das dürfe sich nie mehr wiederholen. Seine Familie habe stets guten Kontakt zu jüdischen Mitbürgern unterhalten. Sein Großvater Theodor Renner habe sogar Widerstand gegen den Brandanschlag geleistet. „Für so etwas gebe ich meine Wagenseile nicht“, soll er gesagt haben.

Als Zeitzeugin berichtete Irmgard Metzger, sie habe mit anderen Kindern in die Schule gewollt, aber nicht gekonnt, da die Synagoge gebrannt habe. „Ich habe es noch in Erinnerung, als wenn es heute gewesen wäre“, meinte die 95-Jährige. Nach wie vor habe sie das Bild vor sich, wie Teppiche und Einmachgläser aus den Häusern der jüdischen Familien geworfen worden seien. Leute hätten dabei zugeschaut und geklatscht, wofür sie sich noch immer schäme. „Eine schlimme Zeit, das soll nie wieder passieren.“

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