Rödersheim-Gronau Im Gemüsekreis: Wie ein kleiner Bauernhof überleben will

Klaus Fix an einem Acker, der sich ausruhen darf. Hier wachsen als Zwischenfrucht ganz verschiedenen Pflanzen. Von Kleearten übe
Klaus Fix an einem Acker, der sich ausruhen darf. Hier wachsen als Zwischenfrucht ganz verschiedenen Pflanzen. Von Kleearten über Disteln bis hin zu Schafgarbe.

Strukturwandel in der Landwirtschaft gab es schon immer. Bereits vor 30 Jahren, als Klaus Fix anfing, Gemüse und Getreide anzubauen, haben Höfe geschlossen. Erst gab es noch zehn im Dorf. Dann acht. Dann drei. „Und jetzt wird es bedenklich“, sagt Fix. Wie können kleine Betriebe wie seiner überleben?, fragte sich der Bio-Bauer. Dann hatte er eine Idee. Und sucht noch Mitstreiter.

Der silberne Kombi ruckelt über den Feldweg. Vorbei an Karotten. An Radieschen. An Petersilie. Jede dieser Kulturen wird hier hektarweise angebaut. Viele Betriebe im Rhein-Pfalz-Kreis haben sich spezialisiert. Haben das entsprechende Gerät, das die Arbeit erleichtert und sie konkurrenzfähig bleiben lässt. Bei Klaus Fix gibt es fast nichts hektarweise. Er ist auf nichts spezialisiert. Stattdessen hat er 40 Kulturen im Anbau. Und sein Traktor ist über 30 Jahre alt. Er macht sich Gedanken, was seine Konkurrenzfähigkeit anbelangt

Der silberne Kombi ruckelt über den Feldweg. Wir sind auf dem Weg zu Fix’ Lieblingsplatz. Den Rand der Fläche säumen hohe Bäume. Hier parkt er den Wagen. Dann geht es entlang verschiedener Parzellen. „Hier wächst Rote Bete“, sagt er und deutet auf eine Reihe Grün mit rotem Stängel. Die könne bald geerntet werden. Etwas weiter ein Stück auf dem gleich sechs verschiedene Kulturen wachsen: Mangold, Brokkoli, Chinakohl, Fenchel, Blumenkohl und Staudensellerie. Gegenüber eine Fläche mit Kartoffeln. „Die haben wir gerade so über die Runden gebracht. Der viele Regen ...“, meint der Landwirt.

Robert Benda aus Grünstadt ist einer der Fahrer, die das Gemüse in die Depots verteilen.
Zur Sache

Von Depots und Freude am Gemüse

Ein Gegenentwurf zur Monokultur

Fix’ Lieblingsplatz wirkt wie ein großer Gemüsegarten. Ein Gegenentwurf zu den riesigen Äckern, auf denen immer nur eine Kultur wächst. Zwischen den Flächen mit Gemüse sind immer wieder blühende Landschaften zu bewundern. Streifen, auf denen Luzerne, Schafgarbe, Kamille, Mohn, Ackerrittersporn, Wilde Möhre und Johanniskraut wachsen. „Machen Sie mal die Augen zu. Hören Sie was?“, fragt Klaus Fix. Ja klar, es brummt und summt ordentlich. Auf dem Blühstreifen ist ganz schön was los. Bienen, Hummeln, Schmetterlinge tummeln sich hier. All das Grün hier dient als Zwischenfrucht. Damit der Boden mal eine Pause hat und mit Nährstoffen versorgt wird, bevor darauf wieder Gemüse angebaut wird. Für Insekten ist Fix’ Prinzip ebenfalls prima. Für Vögel und Kleingetier. Ein Rebhuhn huscht durch die Reihen.

Die Rote Bete kann bald geerntet werden.
Die Rote Bete kann bald geerntet werden.

Neben Gemüse und Kartoffeln baut der Gronauer auch Getreide an, das lässt er mahlen und bekommt dafür Brot gebacken. Bio wie alle seine Produkte. Bio und Biodiversität. Blüten und Bienen. Ein idyllischer Ort und frisches Gemüse. Auch wenn Klaus Fix hier gerne einen Liegestuhl hätte, um diesen Flecken Erde zu genießen – paradiesische Verhältnisse herrschen nicht in seinem Betrieb. Um kleine Höfe wie ihn steht es schlecht. Dafür sprechen die Zahlen.

Riesenbetrieb versus Kleinbauer

Im Jahr 2000 gab es mehr als 12.000 Gemüsebaubetriebe in Deutschland. Im Jahr 2021 erfasste das Thünen-Institut noch rund 6000 in seiner Statistik. Neun Prozent der Betriebe bewirtschaften den Forschern zufolge rund 61 Prozent der Gesamtgemüseanbaufläche in Deutschland. Große Betriebe werden dem Trend nach also immer größer. Kleine geben auf und fallen aus der Statistik. „Die kleinen Betriebe können immer weniger mithalten. Logistisch nicht. Von den Preisen her erst recht nicht“, beschreibt Fix die Lage. Der Lebensmitteleinzelhandel beachte kleine Betriebe oft schon gar nicht mehr. Einkäufer von Supermärkten und Discountern verhandelten mit den Großen und kaufen im Ausland hinzu, was in Deutschland nicht zu haben ist. Laut Thünen-Institut wurden 2020 circa 3,5 Millionen Tonnen frisches Gemüse nach Deutschland importiert. Ganz vorne dabei: Tomaten.

Solawi: Das Prinzip ist einfach

Vom Hofverkauf am Samstagmorgen kann Fix nicht leben. Große Supermärkte bieten seine Ware nicht an. Also braucht er andere Vertriebswege. Seit knapp 25 Jahren packt Fix Abokisten und liefert sie in der näheren Umgebung aus. Nicht zu weit, damit die Ökobilanz noch stimmt, sonst könne er das „bio“ bei seinen Produkten auch gleich sein lassen. Außerdem - und die Idee ist neuer – setzt Fix auf das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi).

Das Prinzip ist einfach: Mehrere private Haushalte tragen die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Rund 220 Mitstreiter bräuchte Fix für sein Vorhaben, damit es sich rechnet und die Betriebskosten gedeckt sind. „Mir fehlen noch rund 50 Leute“, sagt er. Fix wirbt mit seiner naturverträglichen und regenerativen Art, Landwirtschaft zu betreiben. Er wirbt mit dem persönlichen Bezug zum Betreiber und seinen Produkten. Mit Bio. Und mit Regionalität. „Das müsste doch etwas zählen? Oder nicht?“

Auffallend ist, dass sich bislang mehr Städter für Fix’ Solidarische Landwirtschaft begeistern. So hat er drei Depots in Mannheim, wo Mitstreiter ihren Anteil an der Ernte wöchentlich abholen können. Es gibt immer circa sieben verschiedene Gemüsesorten. Gerade waren Salate, Kartoffeln, Kohlrabi, Lauchzwiebeln. Gurke, Spitzkohl und Petersilie drin. „Jetzt geht es auch mit den Tomaten los“, sagt Fix. Der findet es immer noch ein bisschen schade, dass so wenige Leute aus den Dörfern um seinen Hof herum mitmachen. Gerade Landmenschen sollten doch einen Bezug zu den Produkten haben, die wachsen, und den Menschen, die sie anbauen.

Noch lebt die Hoffnung, den Hof weitergeben zu können

Fix hofft, dass sich weitere Mitstreiter finden. Er hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, seinen Hof einem Nachfolger übergeben zu können, wenn er in Rente geht. Mit gutem Gewissen. Weil es ein Betrieb ist, der Dank der Solidargemeinschaft auf guten Füßen steht. Fix hofft, etwas von der Bio-Idee der Pioniere in dieser Branche weitergeben zu können. Fix hofft, etwas von der kleinteiligen Landwirtschaft erhalten zu können, die er so wichtig findet. Er sieht nämlich eine Gefahr: Engpässe und Lieferprobleme für bestimmte heimische Erzeugnisse, falls nur ein oder zwei der spezialisierten Riesenbetriebe ausfallen. Weil etwa ein Landwirt krank wird, in Rente geht und keinen Nachfolger hat. Weil er sich finanziell verhoben hat. Oder er keine Erntehelfer mehr findet. „Wer kommt denn, wenn die Rumänen nicht mehr wollen?“, fragt er. Fix selbst kommt mit zwei Erntehelfern aus, die hier leben und fest angestellt sind. Zudem arbeitet eine Gärtnergesellin bei ihm. Eine fest etablierte Mannschaft, die sich mit dem Betrieb identifiziert. Einen Bezug zu Hof, Arbeit und Produkten, so wie er sich das mit all denen wünscht, die den Hof über solidarische Landwirtschaft unterstützen. Dafür gibt es Treffen und Veranstaltungen. Wer will, kann auf Hof und Feld mitarbeiten, mit Klaus Fix und dem silbernen Kombi über Feldwege ruckeln und seinen Lieblingsplatz kennenlernen.

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