Rhein-Pfalz Kreis Der Kommissar bekommt ein Gesicht
Schifferstadt/Neustadt. Wenn zwei Künstler sich treffen, dann muss da nicht zwangsläufig etwas Gutes daraus entstehen. Doch als der Schifferstadter Autor Harald Schneider und der Neustadter Zeichner Steffen Boiselle sich bei einer Veranstaltung in Ludwigshafen über den Weg liefen, war der Grundstein für ein gemeinsames Projekt gelegt: Schneiders Krimikommissar Reiner Palzki sollte ein Gesicht bekommen. Boiselle sollte der bislang abstrakten Figur Form und Farbe verleihen.
Wer mal einen von Schneiders Palzki-Romanen gelesen hat, der hat eine bestimmte Vorstellung, wie der Kommissar aussehen soll. Der sportlichste Typ ist der Ermittler sicherlich nicht, das Gesicht eher rundlich, ein bisschen Bauch – irgendwo müssen sich die häufigen Abstecher zum Speyerer Imbiss Currysau ja niederschlagen. Steffen Boiselle hatte zwei, drei Bücher gelesen, wie er erzählt, „dann hatte ich ein Bild von Palzki vor Augen“. Seine innere Vorgabe für den Polizisten: nicht der Dünnste, Weizen-Trinker, Fast-Food-Liebhaber. Da hat er „einfach mal vor mich hingemalt“. Relativ wenige Skizzen habe er gebraucht, bis die grobe Form von Palzki stand. Vorgaben von Harald Schneider habe er keine bekommen. „War auch nicht nötig. Er hat diese ja durch die Bücher schon gegeben.“ Ein markantes Kinn sei schon mal ausgeschlossen gewesen. So von wegen Fast Food. Nicht zu beamtenmäßig sollte Palzki erscheinen. Und eben auch nicht der Sportlichste. „Aber es gibt noch Chancen, dass er was draus macht“, sagt Boiselle und lächelt. Kein Typ Arnold Schwarzenegger, aber auch kein Zwerg. „Ich könnte mir vorstellen, dass er Musik von den Beatles hört“, rundet der Zeichner das Bild ab, das er sich von Schneiders Romanfigur gemacht hat. Die Chemie zwischen ihm und Boiselle habe von Anfang an gestimmt, berichtet Harald Schneider. Bei einer Lesung in Oppau haben sich die beiden getroffen. „In der Pause hat sich dann die Gelegenheit ergeben, mal miteinander zu sprechen. Und der Funke ist sofort übergesprungen“, erinnert sich Schneider. Die Ehefrauen der beiden Künstler mussten sich allerdings keine Sorgen machen. Vielmehr ging es darum, dass beide auf einer Wellenlänge lagen, was Palzki und dessen Visualisierung anbetraf. „Etwas später haben wir uns dann in Neustadt getroffen und Nägel mit Köpfen gemacht.“ Boiselle habe sofort ein Gespür dafür gehabt, wie Palzki rüberkommen müsse, berichtet Schneider und ergänzt: „Nicht schmächtig.“ Und als kleines Schmankerl kommt Boiselle auch im neuen Palzki-Roman vor. Als Freund des Studenten/Journalisten Dietmar Becker. Es sei keine einfache Entscheidung gewesen, Palzki ein Gesicht zu geben, sagt Schneider. „Ich habe mich lange gescheut. Viele Leser haben mir Kommentare geschickt und erzählt, wie sie Palzki sehen. Jeder hatte da eine andere Vorstellung.“ Diese Fantasie habe er nicht zerstören wollen. Doch die Zeit sei jetzt – nach inzwischen zehn Romanen – reif gewesen. Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihm und Boiselles Werk sieht Schneider übrigens nicht. Die Skizzen gingen normalerweise ganz schnell, erzählt Boiselle. „Am Anfang zeichne ich einfach mal drauf los. Wobei die letzten fünf Prozent länger dauern als die ersten 70.“ Da noch ein bisschen, hier noch ein Strich, dann woanders wieder eine Nuance wegnehmen ... „Zum Schluss muss es stimmen.“ Doch bis es soweit ist, hat Boiselle einen Prozess vor sich, bei dem, wie er erzählt, alles offen ist. 20 Seiten mit Skizzen und Zeichnungen hat er einfach weggeworfen. Die Entstehung der Figur habe sich über ein paar Wochen gezogen. „Die Figur muss sich geistig setzen“, berichtet Boiselle. Da kann es sein, dass er die Arbeit auch mal zwei Tage ruhen lässt. Beim Zeichnen selbst steht Boiselle auf Handarbeit. Auch wenn tendenziell immer mehr mit Computern gearbeitet wird. „Wenn man unter Zeitdruck steht, ist der Computer besser“, erläutert er. Doch wie sieht Palzki in zehn Jahren aus? Schließlich lässt Harald Schneider die Figur sich ja weiterentwickeln. Der Kommissar wird älter – genau wie seine Kinder und seine Ehefrau. „Palzki wird dann auch anders aussehen“, sagt Boiselle. Wie? „Vielleicht ein bisschen weniger Haare“, sagt der Zeichner und grinst. Aber selbst wenn Palzki nicht altern würde, würde sich die Figur mit der Zeit verändern. „Das passiert automatisch, durch Übung und Praxis. Aber die Veränderung wird nicht dramatisch.“ Und jetzt? Gibt es den nächsten Schritt bei Palzki? Der Kommissar als Comic? „Könnte man machen. Das wäre aber sehr aufwendig“, erklärt Boiselle, der beim Zeichnen gerne Musik hört. „Wäre durchaus möglich“, will auch Harald Schneider die Idee vom Palzki-Comic nicht verwerfen. „Das wäre eine tolle Ergänzung. Aber die Comics müssten dann lustig und skurril und weniger kriminell sein.“