Pirmasens „Zorn ist etwas sehr Intimes“

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Heimspiel für Axl Klein. Mit der Fotoserie „Zorn“ kehrt der in Saarbrücken lebende Fotograf Axl Klein in die Stadt zurück, in der er die ersten 20 Jahre seines Lebens verbracht hat. Die Ausstellung „Zorn“, die heute in Anwesenheit Kleins um 19 Uhr den Event-Advent in der ehemaligen Pirmasenser Hauptpost eröffnet, umfasst 55 Porträts prominenter Personen, jeweils 1,60 mal 1,20 Meter groß. Klein setzt sich darin mit einem elementaren Gefühl des menschlichen Lebens auseinander und der Betrachter ist in der Lage, ganz unterschiedliche Facetten des Zorns bis in die kleinste Regung im Gesicht des Porträtierten nachzuempfinden. Über die Fotos und den Zorn sprach Axl Klein mit unserem Redakteur Christian Hanelt.

Wie kam diese Ausstellung in Pirmasens zustande?

Ich bin in Pirmasens aufgewachsen und mit 20 zum Studium nach Saarbrücken gezogen, wo ich dann auch geblieben bin. Herr Barlog, der Eigentümer der ehemaligen Hauptpost, den ich bis dahin nicht kannte, hat mich eines Tages wegen der Ausstellung kontaktiert. Und ich sagte auch gleich zu, denn in meiner Heimatstadt wollte ich die Ausstellung schon gerne zeigen – zumal meine Familie noch in Pirmasens wohnt. Die Fotoserie dreht sich, der Name sagt es schon, um das Thema „Zorn“. Welche Idee steckt dahinter? Das Thema hat mich schon immer fasziniert. Eigentlich hat das Gefühl des Zorns per se einen schlechten Ruf – es gilt ja als eine der sieben Todsünden. Ich fand es aber interessant, dass dieses Gefühl nicht einfach gut oder schlecht, negativ oder positiv ist, sondern auch viel bewirken kann, es kann ein Motor, ein Antrieb sein, etwas zu verändern. Man kann traurig sein oder ganz lethargisch und resignierend, man kann aber auch zornig werden und daraus neue Energie entwickeln. Für mich ist Zorn eine ganz starke Emotion, ein starkes Gefühl, das sehr vielschichtig ist, aber zum Beispiel nicht mit Wut gleichzusetzen ist. Wut ist entsteht mehr aus dem Affekt heraus. Zorn dagegen hat auch etwas mit Nachdenken darüber zu tun, sich einer Situation bewusst zu werden und daraus neue Energie zu entwickeln. So ist dann auch in den Bildern unheimlich oft zu sehen, wie vielschichtig der Zorn bei den Menschen ist. Jeder interpretiert das auf seine Art. Mein Endruck ist, dass der Ausdruck des Zorns in den Gesichtern der Männer weit facettenreicher, weit emotionaler ist als bei den porträtierten Frauen. Ja, das stimmt. In der Kulturgeschichte ist es einfach so, dass der Zorn beim Mann schon immer eher akzeptiert war als bei der Frau. Die hat nicht zornig zu sein – schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Es haben sich auch viel weniger Frauen bereit erklärt, an dem Projekt mitzumachen, obwohl ich genau so viele angefragt habe. Beim Mann sagt man eher, dass das noch irgendwie ästhetisch oder eben besonders männlich aussieht. Der Mann traut sich auch eher, seine Emotion so zu zeigen. Bei Frauen ist das dagegen absolut negativ besetzt, gilt leicht als hysterisch. Die Kirche zum Beispiel hat den Zorn zu einer der sieben Todsünden erklärt, weil sie darin auch eine Gefahr für sich sieht, denn jede etablierte Struktur möchte nicht, dass ihre Mitglieder zornig werden, weil sie dann auch der Struktur gefährlich werden können. Reizt Sie auch eine vergleichbare Fotoserie zu einem anderen Gefühlsausdruck? Nein. Ich liebe Gesichter. Gesichter sind für mich unheimlich interessant und darum wusste ich auch gleich, dass ich die Fotos in dieser Größe machen möchte. Und mich hat diese Emotion besonders interessiert, weil man sie in einer solchen Nähe, in einem solchen Detailreichtum so selten sieht. Jeder kennt sein Gesicht, wenn er lächelnd vor dem Spiegel steht. Aber kaum einer blickt in den Spiegel und macht ein zorniges Gesicht. Jeder kennt die Aufforderung, wenn man fotografiert wird: „Lach doch mal“. Wie haben Sie den Zorn aus den Porträtierten herausgekitzelt? Wir haben im Vorfeld telefonisch oder per Mail Kontakt aufgenommen, denn die Menschen sollten sich vor dem Shooting schon Gedanken darüber machen, was sie zornig macht. Was das ist, wollte ich aber nicht wissen, da es etwas sehr Intimes ist. So nah mit der Kamera an einem Menschen dran zu sein, ist sowieso schon sehr intim. Ich wollte nicht noch in die Köpfe kriechen. Dann haben wir uns pro Person zwei, drei Stunden Zeit für das Shooting genommen. Manchmal hat es sehr lange gedauert, bis die Leute drin waren, manchmal sogar bis zu 200 Aufnahmen. Wie sind die Porträtierten mit der Situation umgegangen, wie haben Sie den Zorn in sich geweckt? Meret Becker zum Beispiel hat sich so reingefühlt, dass sie zwischendrin sogar geschrien und geweint hat. Das war zum Teil wirklich sehr emotional. Es ist aber natürlich nur eine Interpretation, nur eine Annäherung an dieses Gefühl – das ist wie immer in der Fotografie. Sicher ist es im weitesten Sinne inszeniert gewesen, aber die Leute waren da voll drin. Meret Becker hat Musik von „Slayer“ gehört, Herbert Feuerstein dagegen hat klassische Musik hören wollen, weil sie ihn ganz besonders emotionalisiert hat. Das waren sehr anstrengende Situationen, denn die Menschen mussten ganz ruhig bleiben und die Emotion nur über die Gesichtsmimik und über die Augen transportieren. Hat jemand das Shooting abgebrochen? Nein. Bei manchen hat es sehr lange gedauert und war sehr schwierig, so dass wir beide irgendwann fix und fertig waren. Aber jeder, der sich darauf eingelassen hat, hat es dann auch durchgezogen. Bei manchen ging es sogar ganz schnell. Sammy Deluxe war nach 30 Aufnahmen fertig. Die 55 Porträts Mit dabei sind Barbara Auer, Hugo Egon Balder, Dietmar Bär, Gabi Bauer, Frank-Markus Barwasser,Meret Becker, Carolyn Breuer, Peter Brugger, Jochen Busse, Thomas D, Samy Deluxe, Olli Dittrich, Anke Engelke, Herbert Feuerstein, Annette Frier, Chris Geletneky, Gentleman, Wolke Hegenbarth, Swantje Henke, Christoph Maria Herbst, Klaas Heufer Umlauf, Guildo Horn, Carolin Kebekus, Michael Kessler, Henning Krautmacher, Bettina Lamprecht, Leonard Lansink, Markus Lanz, Roman Lob, Peter Lohmeyer, Bjarne Mädel, Matthias Matschke, Lena Meyer-Landrut, Antoine Monot Jr., Silvia Neid, Sonsee Neu, Magdalena Neuner, Wolfgang Niedecken, Matthias Opdenhövel, Patrice, Axel Prahl, Frank Schätzing, Denis Scheck, Andreja Schneider, Nadine Schori, Devid Striesow, Heinz Strunk, Mina Tander, Konstantin Wecker, Oliver Welke, Julia Westlake, Daniel Wiemer, Roger Willemsen, Joko Winterscheidt und Ranga Yogeshwar.

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