Pirmasens „Wir waren zur falschen Zeit am falschen Ort“

Der Pirmasenser Gitarrist Herwig Meyszner gehörte 1993 zum Gründungsquartett der deutsch-amerikanischen Band „Headcrash“, der international wohl erfolgreichsten Band aus der Südwestpfalz. Fast zehn Jahre nach der letzten arbeitet „Headcrash“ nun an einer neuen CD, aus der es am 8. August, 20 Uhr, im Kaiserslauterer Irish-House einige Kostproben zu hören gibt. Über „Headcrash“, seine Arbeit beim Fernsehen und die Pläne für einen Musikclub in Pirmasens sprach Meyszner mit Christian Hanelt.

„Headcrash“ lebt – wieder oder immer noch?

Sowohl als auch. „Headcrash“ war und ist ein Teil meines Lebens, daher ist die Band und die damit verbundene Erinnerung natürlich immer präsent. Was das Spielen beziehungsweise eine neue Platte betrifft so muss man sagen „wieder“ denn seit der letzten Platte sind ja fast zehn Jahre vergangen. Was hat Sie dazu bewogen, jetzt mit „Headcrash“ eine neue CD aufzunehmen? Das hat mehrere Gründe. 2013 rief mich Shane, einer unserer Sänger, an und meinte, er und Allen Wright, der andere Sänger, würden unglaublich gerne wieder auftreten. Wie bei allen Bands, die sehr lange zusammen sind, gab und gibt es Ärger und wir hatten den auch. Wir sind aber auch alle älter geworden und so wurden die Streitigkeiten aus der Vergangenheit kurzentschlossen zu den Akten gelegt. Persönlich war es mir natürlich neben der Freude, wieder mit Allen und Shane zu spielen, ein Anliegen, zu zeigen was die Band kann. Ich halte „Headcrash“ immer noch für die wohl am meisten verkannte Band in Deutschland. Warum? Nun ganz einfach: Erstens – egal ob man nun „Headcrash“ mag oder nicht – gibt es ein Kriterium, was eine Band außergewöhnlich macht, und das ist ein eigener Sound. So etwa ist „Depeche Mode“ eigen, ebenso wie „Metallica“ oder „Muse“. Sagt man nun über eine Band „die klingen wie ,Metallica’ nur heftiger“ oder „die klingen wie ,Depeche Mode’ nur mit Gitarre“, dann ist das schon ein Vergleich. Bei „Headcrash“ kann man das nicht sagen, denn „Headcrash“ klingt nur wie „Headcrash“. Die Kombination ist einzigartig. Diese Aussage gilt, unabhängig davon, ob man die Musik mag oder nicht. Zweitens: Wir waren irgendwie immer zur falschen Zeit am falschen Ort. So zum Beispiel war ich sehr sehr glücklich, zwei Amerikaner als Sänger zu haben. Ein Deutscher, der englische Text schreibt, wird nie so gut schreiben wie ein Muttersprachler. Daher waren Allen und Shane schon einmal eine gute Strecke besser. Zu unserer Zeit hatte aber gerade ,Rammstein’ ihren Durchbruch und alle Plattenfirmen sagten „Warum singt ihr nicht Deutsch?“. Haben Sie noch ein Beispiel dafür, dass sie immer zur falschen Zeit am falschen Ort waren? Wir sollten mit „House of Pain“ auf USA-Tournee gehen. „House of Pain“ waren zu dieser Zeit mega angesagt und hatten Hallen in der Größe zwischen 2000 und 4000 Besuchern gebucht. Die Plattenfirma hatte bereits ein Haus in L.A. für uns für vier Monate gemietet. „House of Pain“ waren Iren und der Sänger wurde kurz vor der Tour mit Kokain erwischt und durfte das Land nicht verlassen. Also keine Tour. Nächstes Beispiel: Tommy Newton, der Produzent unserer ersten Platte, hatte keine Zeit für „Overdose on Tradition“, was unsere Masterpiece werden sollte, und so buchte ich Jonathan Burnside in San Francisco. Er hatte „Clutch“, die „Melvins“, „Nirvana“ und „Consolidated“ produziert und ich hatte große Hoffnungen in ihn gesetzt. Leider hat er uns aber praktisch komplett betrogen und unser Geld bis auf den letzten Cent verbraucht und eine Platte abgeliefert, von der klar war, dass sie ein Flop wird. Geld weg, scheiß Platte und bald darauf keine Plattenfirma mehr. Was ist heute anders? Nun sind einige Jahre vergangen. Besonders Shane und ich sind gereift. Ich habe Songschreiben gelernt aus der Erfahrung bei etwa 250 Pubauftritten mit meinem Freund Michael Halberstadt. Michael hat Jazz studiert und mich mehr als einmal auf der kleinen Pubbühne zusammengefaltet: „Schon mal was von Dynamik gehört?“ oder „Da trifft wieder Feder auf Schlachthof“. Ich musste über Songs nachdenken. „With or without you“ – drei Akkorde – mein Gott wie einfach und wie genial ist das. Shane hatte seine eigene Firma aufgebaut. Er verkauft Sammlerstücke aus Hollywoodfilmen. Dabei hat er gelernt, zu rechnen und Verantwortung zu tragen für seine Mitarbeiter. So sind wir beide zusammengewachsen. Bei den neuen Songs hört man den Unterschied. Es ist immer noch „Headcrash“ – aber viel besser. Haben Sie sich als Musiker früher nicht anerkannt gefühlt? Jeder Musiker – und ich spreche hier nicht von DSDS – sucht Anerkennung für seine Arbeit, seine Kunst. Alle meine Freunde, egal wo sie leben, haben das nie wegen des Geldes getan und auch bei erfolgreichen Bands spielt Geld weniger eine Rolle. Warum sollte „AC/DC“ etwa noch auf Tournee fahren? Bestimmt nicht, weil sie Geld brauchen. Ich habe leider nie Anerkennung erfahren für meine Arbeit – und einen „Headcrash“-Song zu schreiben und ihn live auf die Bühne zu bringen, ist mega Arbeit – das unterschätzen sogar meine Bandkollegen oft. Ich sehe solche unmöglichen Sendungen wie „Sing my Song“, die sogar noch einen Preis bekommen hat, und ärgere mich, dass man Jugendlichen so einen Mist vorsetzt, dass eine ganze Generation von Jungs und Mädels ein falsches Ideal vermittelt bekommen – dass es zum Erfolg führt, wenn man sich zum Deppen und Hampelmann macht. Was ist aus „ich lerne ein Instrument“ geworden, was aus „ich stelle mich mit vier anderen in einen Proberaum“? Die Verdummung nimmt zu und die Kultur leidet – Frank Zappa hatte schon erkannt, dass der Dümmste der Standard für die Musik wird. Dagegen würde ich ankämpfen. Das geht aber nur, wenn ich berühmt wäre und mich Leute zu ihren Talkshows einladen würden. Sonst interessiert es keinen, was Herr Meyszner zu sagen hat. Für das neue Album arbeiten Sie auch mit dem erfolgreichen Produzenten Jacob Hansen zusammen. Es war die Krönung, Jacob Hansen kennengelernt zu haben. Jacob hat unter anderem „Volbeat“ produziert und in ihm haben wir endlich den Produzenten gefunden, der „Headcrash“ so klingen lassen kann wie es klingen soll. Bitte nennen Sie drei Gründe zum Konzert ins Irish House zu kommen. Natürlich zum einen die Band selbst. „Headcrash“ wurde einmal von den Lesern des „Visions“-Magazins zu Deutschlands bester Live-Band gewählt. Das hat seinen Grund – man sieht es der Band an, dass sie Spaß hat und von dem, was sie tut überzeugt ist. Ein „Headcrash“-Konzert ist heute ein logistischer Alptraum mit Mitgliedern, die von Denver, London oder Köln kommen. Ein Konzert ist daher etwas seltenes und die Gelegenheit dazu sollte man nicht verpassen. Sie arbeiten jetzt für das Fernsehen. Was tun Sie da konkret? Sagen wir so: Es gibt bei der Formel-1 einen Fahrer und ein Auto. Ich würde mich dann, um das Auto kümmern. Und so stelle ich all das zur Verfügung, was die Redaktion braucht, um eine richtig gute Sendung zu machen. Ich arbeite dabei für Arte. Sie waren auch beim Open Air der Kimmle-Stiftung involviert. Sehen Sie eine Zukunft für derartige Veranstaltungen in Pirmasens? Ja, ich möchte gerne das Open Air 2016 selbst veranstalten. Ich führe zu diesem Thema gerade Gespräche mit der Stadt, die ich aber gerne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht kommentieren möchte. Ich bin Pirmasenser und ich möchte das gerne in Pirmasens und für Pirmasens machen. Was versprechen Sie sich von einem Musikclub in der Hauptpost und dem, vom Eigentümer Ralph Barlog geplanten Adventsevent? Ralph Barlog und ich sind schon seit 38 Jahren beste Freunde. Er hat wirklich tolle Ideen und er realisiert sie. Wenn er etwas tut, dann 120-prozentig. In dieser Denkweise unterscheiden wir uns wenig – er ist wohl nur etwas professioneller als ich. Das er die Post erworben hat, ist ein Segen für die Stadt. Zur Zeit plant er mit mir zusammen Veranstaltungen für den Monat Dezember in der alten Hauptpost. Es hat so etwas Endzeitliches und man muss auf keine Schäden oder auf Dreck Rücksicht nehmen. Ich sehe die Räumlichkeiten aber als durchaus geeignet an, um dort einen Live-Club zu etablieren. Es wird sich zeigen, ob er kommt. Hat Pirmasens das Besucherpotenzial für einen weiteren Musikclub, rechnet man Spirit und Quasimodo dazu? Eine gute Frage. Hier geht es zunächst nicht um das Potenzial sondern darum, dass es einige wenige gibt, die in dieser Stadt etwas tun. Dazu gehört das Spirit und auch die Schwemme. Wir werden den Teufel tun, gegen diese Leute, mit denen ich zum Teil sehr gut befreundet bin, in Konkurrenz zu treten. Sie waren lange vor mir da und werden es wohl auch nach mir sein. Zum Thema Potenzial ist es so, dass viele Pirmasenser früher wie heute weg fahren, um Spaß zu haben, etwa nach Zweibrücken oder Saarbrücken. Ralph Barlog und ich würden gerne diesen Trend nicht nur umkehren sondern auch noch versuchen, Leute aus den zuvor genannten Städten dazu zu bewegen nach Pirmasens zu fahren. Dies gilt im übrigen auch für die Idee, ein Open Air in Pirmasens 2016 erneut durchzuführen. Leider sind wir aber immer auf die Entscheidungen Dritter angewiesen und so wird sich zeigen, wohin die Reise geht.

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