Interview „Wenn die Tonleiter sitzt, kann man alles pfeifen“

„Ich pfeif auf die Oper“ nimmt Nikolaus Habjan wörtlich und pfeift sich quer durch das Opern- und Operetten-Literatur.
»Ich pfeif auf die Oper« nimmt Nikolaus Habjan wörtlich und pfeift sich quer durch das Opern- und Operetten-Literatur.

Zum Auftakt der neuen Spielzeit darf sich das Pirmasenser Publikum auf einen Höhepunkt freuen: Mit dem Nestroy-Preisträger Nikolaus Habjan gastiert am Samstag, 31. Oktober, ein vielseitiger Künstler in der Festhalle. Unter dem Motto „Ich pfeif auf die Oper“ gestaltet der 33-jährige Österreicher einen gepfiffenen Abend mit den beliebtesten Arien der Opern- und Operettengeschichte.

Sie sind Kunstpfeifer. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Bei meinem Studium der Musiktheaterregie hatte ich auch Gesangsstunden und bald erkannte ich die Grenzen meines Stimmumfanges. Gleichzeitig musste ich bei Proben zu einer Oper einem Sänger erklären, was er bei einer Arie zu tun habe und pfiff dabei die Melodie. Dieser Sänger gab mir den Rat, das Pfeifen professionell zu machen.

Würden Sie die Entwicklungsgeschichte des Kunstpfeifens kurz darstellen – diese Kunstform hat ja in Österreich eine lange Historie?
In der Regierungszeit Kaiser Franz-Josefs I. erfreute sich diese Kunstform großer Beliebtheit. Kronprinz Rudolf war ein großer Bewunderer dieser Kunst. Die Wiener Gebrüder Schrammel gastierten mit dem berühmten Kunstpfeifer Hans Tranquillini, genannt „Baron Jean“, der von 1855 bis 1895 lebte, europaweit und auch in den USA.

Haben Sie das Kunstpfeifen irgendwo gelernt – ist es insoweit eine anerkannte Kunstform?
Das Pfeifen habe ich mir selbst beigebracht. Ich übe sehr viel. Man fängt mit einem Ton an, wenn man ihn sauber pfeift, versucht man, sich an der Tonleiter, und wenn die sitzt, kann man fast alles pfeifen.

Welche Fähigkeiten bedarf es, um Kunstpfeifer zu werden?
Sicherlich ist ein gutes Gehör nötig, eine gute Atemtechnik und natürlich viel Übung.

Können Sie uns einen Tipp geben, wie man ein guter Pfeifer wird?
Üben, üben, üben!

Mit Pfeifen ist einst auch Ilse Werner erfolgreich gewesen. Lässt sich deren Art des Pfeifens mit Ihrem Pfeifen vergleichen?
Ilse Werner war eine Naturbegabung. Sie pfiff Schlager und kombinierte das mit Gesang. Mein Schwerpunkt liegt auf der Klassik.

Werden Sie als Kunstpfeifer vom traditionellen Opern-Publikum ernst genommen?
Am Anfang sind Opern-Connaisseurs oft sehr skeptisch wenn man ihre „heilige“ Arien pfeift. Aber sobald sie merken, dass bei mir keine Note fehlt und jeder Ton exakt sitzt und ich quer durch die Opern-Literatur switchen kann – von Koloraturarien bis zum Heldentenor – sind sie doch beeindruckt.

Wie setzt sich Ihr Programm zusammen?
Arien aus drei Jahrhunderten Opern-Literatur und auch Arien, die man aus der Pizzawerbung kennt.

Nach welchen Kriterien suchen Sie die Stücke für Ihr Repertoire aus?
Nachdem ich alle Arien aus dem Gedächtnis pfeife, ist eine wichtige Voraussetzung die Merkbarkeit des Stückes.

Wie muss ein Stück beschaffen sein, damit es gut zu pfeifen ist?
Nachdem ich einen sehr großen Tonumfang beim Pfeifen beherrsche, ist die technische Frage zweitrangig. Ich muss das Stück verinnerlichen, um es dann gut wieder geben zu können.

Sind Sie schon einmal an einem Stück gescheitert?
Wenn ich ehrlich sein soll: Ja. Einige Stücke müsste man jahrelang üben, um sie zu beherrschen.

Sie sind auch Puppenspieler. Verbinden Sie in Ihren Vorstellungen das Puppenspiel mit dem Pfeifen?
Nein, Puppen können fast alles – am besten Sterben. Aber Pfeifen können sie definitiv nicht.

Sie treten in der Hamburger Elbphilharmonie auf, aber auch in relativ kleinen Provinz-Sälen wie der Festhalle in Pirmasens. Worin unterscheidet sich da die Atmosphäre und das Publikum?
Das Publikum, das vor mir sitzt ist mir das Wichtigste, ohne Publikum wäre ein Konzert sinnlos. Mein Ehrgeiz besteht darin, das Publikum zu begeistern, egal wo ich pfeife.

Wie haben Sie bislang die Corona-Krise erlebt? Haben Sie in irgendeiner Form staatliche Unterstützung erhalten?
Die Krise hat viele von uns erwischt, viele meiner Gastspiele und Projekte wurden verschoben oder abgesagt. Meine Premiere im Wiener Akademietheater erlebte die Generalprobe im März, die Premiere aber erst am 8. Oktober. Staatliche Unterstützung habe ich keine erhalten.

Hat Sie die Zeit des Lockdowns kreativ beflügelt oder sind Sie da eher in ein Loch gefallen?
Die Absage der Premiere schockte mich. Ich wurde von 100 auf Null runtergebremst. Mit der Zeit lernt man, die Situation zu akzeptieren, und ich nützte sie, um kreativ tätig zu sein. Ich habe Puppen gebaut und an kommenden Projekten gearbeitet.

Was erwarten Sie sich von dem Konzert in Pirmasens?
Ich hoffe, dass es mir gelingt, Menschen für die Oper zu begeistern und ihnen Appetit auf klassische Musik zu machen.

Bitte nennen Sie drei Gründe, in Ihr Konzert zu kommen.
Erstens gute Musik, mal anders erleben. Zweitens klassische Ohrwürmer erleben und drittens: So ein Konzert gibt es nicht alle Tage!

Infos

  • Für das Konzert „Ich pfeif auf die Oper“ mit Nikolaus Habjan am Samstag, 31. Oktober, in der Pirmasenser Festhalle gibt es Eintrittskarten im Kulturamt, Telefon 06331/ 842352, zu Preisen zwischen 15 und 25 Euro, ermäßigte Karten kosten jeweils die Hälfte.
  • Begleitet wird Nikolas Habjan bei dem Konzert von Ines Schüttengruber (Cembalo, Klavier), Nikolai Tunkowitsch (Violine), Marie Spaemann (Violoncello) und Helmut Thomas Stippich (Akkordeon, Harmonika).

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