Pirmasens Wein, Mord und Totschlag

Andreas Wagner las ein wenig vor, dann schenkte er ein: Das Publikum im Carolinensaal war begeistert.
Andreas Wagner las ein wenig vor, dann schenkte er ein: Das Publikum im Carolinensaal war begeistert.

Warum musste Rüben-Rudi sterben? Und: Stimmt es, dass Grauburgunder streitsüchtig macht? Diese Fragen standen im Raum, als Winzer und Autor Andreas Wagner am Donnerstag den Pirmasensern im Carolinensaal einen feucht-fröhlichen Abend bescherte. Bibliotheksleiterin Ulrike Weil hatte Wagner eingeladen, um bei den 24. Bibliothekstagen aus seinem Roman „Winzerrache“ zu lesen. Und obwohl niemand den Mann aus Essenheim bei Mainz kannte, war der Saal voll.

Wagner ist Autor und Winzer, und genau das machte seine Lesungen aus. Er weiß, wovon er redet, dadurch ist sein Krimi authentisch und dicht. Neben Typen des Landlebens, die er – wie er zugibt − liebend gern durch den Kakao zieht, spielt der Wein in seinen Romanen eine bedeutende Rolle. So lernte das Pirmasenser Publikum auch die Burgunderfamilie kennen, in allen farblichen Nuancen. Die Weine tauchten nicht nur im Text auf, sondern in allen Lesepausen: als Rosé, Weißwein oder Cuvée in Rot. Die Pirmasenser erfuhren etwa, dass der Graue Burgunder früher Ruländer hieß und umbenannt wurde, weil bei Weintrinkern irgendwann nur noch „Pinot Grigio“ aus Italien gefragt war. Kaum war die Rede vom Burgunder, schon bekam ihn das Publikum im Carolinensaal serviert. Der Abend war geschickt strukturiert: Wagner las ein Stückchen aus dem Krimi. Dann löste er sich vom geschriebenen Wort und durchquerte den Raum, um dem Publikum Wein einzuschenken. Und während er vom Wein, seiner Familie und sich selbst erzählte, genossen die Zuhörer die edlen Tropfen aus seinem Weingut. Ein wenig zu schnell, wie Wagner scherzend bemerkte, denn der Trinkrhythmus des Publikums war seinem Erzähltempo haushoch überlegen. „Am Anfang tut’s weh, und am Schluss weiß man warum“, erklärte Wagner seine Schreibmethode. Doch im Grunde verriet er nicht allzu viel von der Handlung. Eigentlich stellte er nur die Protagonisten vor. Er präsentierte den Rüben-Rudi, Störfaktor im Dorf, der gleich zu Beginn ums Leben kommt. Ein Alkoholiker, der keine Fenster putzt und den eigentlich niemand vermisst. Dann gibt es noch den verfressenen Kurt Otto Hattemer und seine Frau, die dem Gesundheitswahn verfallen ist, und die lebende Gardine, die Chaussee-Helga heißt. „Den Typ kennen Sie sicher nicht, Sie leben ja in der Großstadt“, kokettierte Wagner. Das Publikum lachte – der Gast hatte seine Zuhörer schnell am Wickel. Weil er nicht einfach nur las, sondern mit Stimme und Gestik in die Figuren hineinschlüpfte, war die Lesung spannend und vergnüglich. Da der Autor in wechselnden Perspektiven schreibt, hatte er ausgiebig Gelegenheit, in immer andere Charaktere einzutauchen, und das tat er mit Bravour. Wenn der Autor Wagner an die nächste Leserunde ging, holte er Fakten und Charaktere in die Erinnerung des Publikums, um mit der Handlung fortzuschreiten. Wagner zeigte sich hellauf begeistern vom Carolinensaal. Sonst lese er meist in Bibliotheken, ab und zu gar in einer Pathologie: Das sei der einzige Ort, den er kenne, wo junge Frauen Häppchen reichen und keiner greife zu. Wunderbar verzog er das Gesicht, als er den gruseligen Ort beschrieb. Es war ein geselliger wie informativer Abend: Zu Weinseminar und Lesung gesellte sich zu später Stunde die Historie um den Glykol-Skandal, der die Handlung des Krimis bestimmt. Deswegen spiele die Geschichte auf zwei Zeitebenen, verriet Wagner. Er erzählte, wie das Frostschutzmittel den Geschmack des Weines veränderte und die Weintrinker dazu brachte, nicht mehr Spätlese und Kabinett zu favorisieren, sondern auf trockene Tropfen umzusteigen. Ob er davon gehört habe, dass Grauburgunder streitsüchtig mache, fragte eine Frau aus dem Publikum. Deswegen trinke sie zu Hause nur noch weißen Burgunder. Wagner lachte. Nein, davon habe er noch nie gehört, doch der Gedanke inspiriere ihn zum Schreiben. In seinem aktuellen Roman hänge er just an einer Stelle, an der er mit dieser Idee weitermachen könne. Obwohl es niemandem entging, dass die Lesung Teil des Wagnerschen Marketings war, waren die Zuhörer neugierig geworden auf die Bücher. Der Applaus war stürmisch, der Verkauf der Krimis samt Wein florierte, und Büchereileiterin Weil legte dem schreibenden Winzer ans Herz, doch auch Hörbücher zu machen.

x