Pirmasens Unterhaltsame Geheimnislüfterei

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Wenn der Nobelpreis für Literatur an einen Singer und Songwriter gehen kann, dann ist es für die Pirmasenser Stadtbücherei mehr als legitim, ein Gesprächskonzert mit dem Titel „Etwas passiert, und du weißt nicht, was es ist“ anzubieten. Und das Publikum war begeistert von der Idee, denn es war nicht nur die übliche Fangemeinde der Bücherei gekommen, sondern Bob-Dylan-Liebhaber und viele aus dem Freundeskreis der Musiker, die vor einem ausverkauften Haus auftraten.

Fred G. Schütz wollte mit einem Gesprächskonzert über die vorgetragene Musik hinaus bereitwillig über die Lieder sprechen, und da sie allesamt von Bob Dylan waren, dessen Schweigen entgegenwirken. Ein Gesprächskonzert, das in zwei Richtungen geht, hatte Schütz im Kopf, zu dem er sich Zwischenrufe aus dem Publikum durchaus wünschte. Die Rechnung ging nicht ganz auf, denn die Zuschauer wollten lieber passiv bleiben und einfach unterhalten werden. Aber auch das war bestens möglich, denn Schütz hatte so einiges über die Songs auf Lager – und ein paar persönliche Geheimnisse waren auch dabei. Wollte Schütz anfangs unplugged spielen, hat er zum Glück dann doch zum Verstärkter gegriffen, denn er war platt, wie viele Leute in den Carolinensaal gekommen waren. „Bob-Dylan-Lieder haben eine Melodie“, sei es seiner Frau Rike vor langer Zeit entfahren. Ja, gibt Fred G. Schütz heute großzügig zu, sie habe ihm das beigebracht, und Tage, Wochen, Monate darauf verwendet. So wurde die musikalische Voraussetzung für diesen Abend schon vor Jahrzehnten gelegt. Fred. G. Schütz, Bassist Otmar Klein und Drummer Marc Kambach stiegen mit „I Want You“ ins Konzert ein und es war klar, dass sie damit ihr Publikum meinten. Mit „Tangled Up In Blue“ waren sie spätestens da, wo sie hinwollten. So rissen sie ihr Publikum mit in die Klangwelten Dylans und ernteten enthusiastischen Beifall, nicht zuletzt für das fantastische Solo von Otmar Klein am Bass. Der Song sei wie ein Picasso-Bild aus der kubistischen Phase. Durch die permanenten grammatikalischen Personenwechsel von erster, zweiter und dritter Person wisse man nie genau, welche Person einen gerade anschaue. „,Tangled Up In Blue’ gleicht einem Road-Movie, das immer wieder mit neuen Bildern gefüllt wird“, erklärt Schütz die Wirkung des Liedes. Die „Ballad Of A Thin Man“ ist für ihn nicht nur eine wahre musikalische Herausforderung, sie gab dem abendlichen Programm den Namen: „Es passiert etwas, und du weißt nicht, was es ist“. Über die Welt, die sich in diesem Klassiker eröffne, könne man lange nachdenken, und vielleicht immer noch nicht den Sinn erfassen – so surreal sei der Text. Hervorragend war hier Schlagzeuger Marc Kambach, der ein ausgezeichnetes Solo präsentierte und darüber hinaus auch für „Corrina, Corrina“ als Sänger stürmisch beklatscht wurde. Die Musikauswahl war breit gespannt. Sie ging von „Just Like A Women“, „Senor“ und „I Shall Be Released“ hin zu „It’s All Over Now“, das Lied, das als dramaturgische Klammer das Konzert dann auch beschloss. Was Schütz als Hintergrund für das beharrliche Schweigen von Bob Dylan ansieht? „Vielleicht stellt er seine künstlerische und persönliche Unabhängigkeit über alles“, vermutet der Musiker. Vielleicht hatte er auch einfach keine Lust oder hat auf seine Enkel aufgepasst“, mutmaßt Schütz weiter. Die plötzliche Europa-Tournee mit gleich zwei Terminen in Stockholm sehe er als Wiedergutmachung dafür, dass er sich vor der Rede zum Nobelpreis gedrückt habe. Das komplexe Werk von Dylan überließen die Künstler dem Publikum letztlich zur eigenen Interpretation. „Nehmt die Bilder und macht was draus“, ermutigt Schütz, denn die Lieder seien wie ein Vogel. Wenn der erst einmal aus dem Käfig davongeflogen sei, sei er frei. So wurden im Carolinensaal die Lieder von Bob Dylan unterhaltsam kommentiert, aber der Künstler selbst, der bleibt im Dunkeln – ein berechtigtes Mysterium. Doch die Anekdoten der Pirmasenser Musiker reichten völlig aus, um den Abend bereichernd zu gestalten. Der Applaus und die Forderungen nach Zugaben, die das musikalische Trio mit „All Along The Watchtower“ einlöste, belegten die gute Laune des Publikums. Und letztlich kann die Musik für sich alleine sprechen.

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