Pirmasens „Sänger zu sein, ist der wunderbarste aller Berufe“

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Der abgesagte Liederabend der Mozartgesellschaft, der ursprünglich am 30. Oktober vergangenen Jahres im Rahmen von Euroclassic stattfinden sollte, wird nun am Freitag, 10. März, um 20 Uhr in der Pirmasenser Festhalle nachgeholt. Der Bariton Benjamin Appl und der Pianist Simon Lepper interpretieren Lieder nach Gedichten von Joseph von Eichendorff. Mit Benjamin Appl sprach Christian Hanelt.

Inwieweit ist es für Sie ein Unterschied, in kleinen Häusern wie der Pirmasenser Festhalle aufzutreten oder in einem der großen Konzerthäuser der Welt?

Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen sogenannter Provinz und Metropolen. Jeder Konzertbesucher hat das gleiche Recht und denselben Anspruch auf eine optimal erbrachte Leistung, egal woher er kommt, wie sehr er sich auf diesem Gebiet auskennt oder wie viel er für die Karte bezahlt hat. Natürlich sind wir Sänger abhängig von Tagesform, äußeren Einflüssen und unserer Gesundheit. Dennoch versuche ich, bei jedem Auftritt mein Bestes zu geben, egal wo ich konzertiere und wie viele Leute im Publikum sitzen. Gibt es ein Konzerthaus, in dem Sie unbedingt einmal auftreten wollen? Eigentlich hatte ich schon das große Glück, in fast allen Konzertsälen auftreten zu dürfen, die auf meiner „geheimen“ Liste von Wunschorten standen. Dazu zählen die Wigmore Hall in London, die Carnegie Hall in New York und der Concertgebouw in Amsterdam. Der Musikverein Wien ist sicherlich ein Konzerthaus, wo ich gerne auftreten würde. Oft entdeckt man wunderbare, eher unbekanntere oder verschlafene Konzerthallen an Orten, wo man sie nicht vermuten würde. Dann macht das Singen doppelt Freude, wenn dann auch noch die Akustik und die Atmosphäre stimmen. Gibt es Unterschiede beim Publikum, ob Sie in einer der Metropolen oder in der Provinz auftreten? Diese Unterscheidung kann ich mit meinen bisherigen Erfahrungen nicht machen. Für einen Sänger, der ja auf der Bühne frontal zum Publikum steht, kein Instrument in den Händen hält oder sogar die Möglichkeit hätte, sich hinter einem Instrument teilweise zu verstecken, ist es sehr wichtig, den Kontakt zum Publikum zu spüren. Für mich sind gerade Liederabende immer Momente von Kommunikation und Dialog zwischen Ausführenden und Zuhörenden. Auch wenn man sich vielleicht nicht so fühlt, so hat jeder im Publikums einen aktiven Part beim Geschehnis und ist Teil dieses Dialoges – wenn auch nicht verbal – zwischen Auditorium und Bühne. Was werden Sie in Pirmasens singen? In Pirmasens werde ich einen Abend mit Liedern geben, die alle als Grundlage Gedichte von Joseph von Eichendorff haben. Da er ja als einer der wichtigsten Lyriker der deutschen Romantik gilt, wurden seine wunderbaren Gedichte auch von den großartigsten Komponisten vertont. Robert Schumanns Meisterwerk „Liederkreis op. 39“ gehört sicherlich unter den Lied-Liebhabern zu den Favoriten, er wird im ersten Teil des Konzertes erklingen. Im zweiten Teil wird es mit den Komponisten Felix Mendelssohn, Johannes Brahms, und Hans Pfitzner eine schöne Abwechslung von verschiedensten Kunstliedern geben. Daher denke ich, wird für jeden etwas dabei sein. Gibt es in Ihrem Repertoire ein Stück, das für Sie eine ganz besondere Herausforderung darstellt? Sicherlich stellt der „Schumann op. 39“ große Anforderungen an den Sänger sowie den Pianisten. Alle Lieder sind kleine, aneinandergereihte Miniaturbilder mit verschiedenen Emotionen: Auf der einen Seite muss man in der Lage sein, sich schnell emotionell umzustellen, zum anderen auch einen Bogen zwischen den Liedern schaffen. Das verlangt hohe Konzentration und Ausdauer. Auch Pfitzners dunkle Version von „In Danzig“ ist sehr ungewöhnlich, da muss man schon den richtigen „Ton“ finden. Sie singen Oper, Konzert und geben Liederabende. Wo liegt für Sie der Schwerpunkt? Momentan liegt bei mir ganz klar der Schwerpunkt im Bereich des Liedes. Dies hat sich einfach in vielerlei Hinsicht in den letzten Jahren so ergeben, unter anderem wegen des Absolvierens des „BBC New Generation Artists Schemes“ und des „Echo Rising Star“-Programms. Beide hatten den Fokus auf diese doch so wunderbare Kunstgattung gelegt. Unterstrichen wird das auch mit meiner Entscheidung, meine Debüt-CD mit Liedern zu machen. Dennoch finde ich es für mich sehr wichtig, alle drei Bereiche abzudecken: Schließlich bereichern sie sich gegenseitig – nicht nur stimmlich sondern auch physisch und interpretatorisch. Was oder wer hat Sie inspiriert, eine musikalische Karriere anzustreben? Meine Zeit bei den Regensburger Domspatzen war sicherlich sehr prägend, was das Singen angeht. Dennoch entschloss ich mich nach dem Abitur, eine Ausbildung als Bankkaufmann zu absolvieren und Betriebswirtschaft an der Universität Regensburg zu studieren. Trotzdem brannte in mir immer das Interesse an der Musik und am Singen, so dass ich nebenher privat Gesangsstunden nahm, um kleinere Solopartien bei Konzerten und bei Gottesdiensten zu übernehmen. Es hört sich vielleicht schon abgedroschen an, aber Singen ist wirklich nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung. Sicherlich ist es kein einfacher Beruf, denkt man an Einschränkungen und Aufopferungen im täglichen Leben, aber er ist gewiss der wunderbarste aller Berufe. Sie waren der letzte Privatschüler von Dietrich Fischer-Dieskau. Inwieweit hat er Sie beeinflusst? Bei einem öffentlichen Meisterkurs im malerischen Schwarzenberg bei der gleichnamigen Schubertiade im Jahr 2009 begegnete ich Dietrich Fischer-Dieskau zum ersten Mal persönlich. Nach diesem Kurs hatte ich das große Glück, mit im regelmäßig bis zu seinem Tod im Mai 2012 zu arbeiten und mein ganzes Liedrepertoire mit ihm zu erarbeiten. Er ist für mich das größte Vorbild als Sänger. Als Lehrer hat er mir so vieles mit auf den Weg gegeben. Wir haben an Gesangstechnik, Interpretation, Bühnenauftreten, Aussprache und vielem anderen gearbeitet. Zutiefst war ich beeindruckt von seiner Ernsthaftigkeit, sich so umfassend mit der Musik auseinanderzusetzen. Er lehnte sich nie zurück oder war fertig, ein Werk final zu beurteilen. Er hatte immer den Antrieb, mehr aus der Musik und dem Text zu ziehen. Welche Erinnerungen haben Sie an die Regensburger Domspatzen? Grundsätzlich beurteile ich meine Zeit bei den Regensburger Domspatzen als sehr wunderbar. Meine beiden älteren Brüder hatten sehr gute Erfahrungen im Knabenchor gemacht, so dass ich mich dann letztlich auch anmelden ließ. Die Vorteile, die mir diese Schule und der Chor verglichen mit anderen Schulen brachten, sind doch herausragend: eine wunderbare musikalische Grundausbildung sowie das Reisen und Kennenlernen von Menschen und Kulturen sind sicherlich Dinge, von denen ich noch heute zehren kann. Ich würde jederzeit wieder dort hingehen. Haben Sie einen Bezug zu Jazz oder Rockmusik und können Sie sich vorstellen, auch das zu singen? Das ist eine heikle Sache. Meiner Meinung nach gibt es in allen Bereichen gute Musik, aber eben auch schlechte. Als Musiker der jüngeren Generation muss man sich natürlich einen Ruf aufbauen. Erst mal muss man sich als ernstzunehmenden Künstler etablieren, dann aber auch sein eigenes Profil finden und vielleicht, falls man es wirklich so empfindet und es nicht eine Idee eines Agenten oder Labels ist, neue Wege gehen. Man hat nur eine Reputation im Leben und die sollte man umsichtig behandeln. Sie werden von der Kritik als Star der jungen Generation gefeiert. Das ist sicher eine große Ehre. Erzeugt das aber nicht auch großen Druck? Sicherlich ist das auch mit Druck verbunden. Ich sage immer: Umso höher man auf eine Leiter steigt, umso dünner wird die Luft oben. Das merke ich ganz klar. Dagegen kann man nur selbst arbeiten, indem man sich gut auf die Auftritte vorbereitet, versucht, ein gesundes Leben zu führen und nachsichtig mit seiner Stimme umgeht. Der Rest liegt dann auf der anderen Seite und hat mit Geschmack zu tun. Ich musste lernen, dass meine Art zu Singen nicht jedem gefällt. Wie definieren Sie Erfolg? Erfolg hat für mich immer etwas mit Erfüllung zu tun, mit Hingabe und mit Liebe für etwas. Ich sehe eine Gefahr, wenn man Erfolg primär mit externen Faktoren vermischt und anfängt, Erfolg zu messen. Hat jemand Erfolg, weil er eine gewisse Anzahl von Auftritten im Jahr hat? Oder weil er besser verdient als ein anderer? Ich denke, derjenige ist erfolgreich, der von anderen für seine Arbeit wertgeschätzt und geschätzt wird, aber auch das macht, wo er dahinter steht, was er liebt und gerne macht. Bitte nennen Sie drei Gründe, in Ihr Konzert zu kommen? Die Form des Kunstliedes ist einzigartig. Konzertgänger in anderen Ländern beneiden uns dafür. Wir sind uns dessen oft gar nicht bewusst. Es ist Teil unserer Geschichte und Identität. Wir haben immer Angst und beschweren uns, dass wir von äußeren Einflüssen überschwemmt werden, dass unsere westliche Kultur verloren geht. Falls sie wirklich verloren gehen sollte, so liegt es einzig an uns. Wir sollten uns unsere Geschichte, Kunst und Musik besser bewusst machen, durch die wir uns jahrhundertelang definiert haben. Dazu gehört meiner Meinung nach eben auch die Form des Kunstliedes. Ich denke, dass das Programm sicherlich einen wunderbaren Querschnitt bietet und verschiedene Emotionswelten beinhaltet. Oft wird das Kunstlied auf eine sehr intellektuelle Weise betrachtet. Das trifft sicherlich auf das Lied zu, dennoch finde ich die persönliche, emotionale Seite daran viel spannender: Damit kann sich jeder identifizieren und anknüpfen, handeln doch alle Lieder von Gefühlen, die uns alle bekannt sind: Verlust, Liebe, Tod, Trauer, Freude.... Liederabende sollen eben auch ein Erleben für jeden sein, das erhoffe ich mir auch für den in Pirmasens. Und letztendlich dann auch ein ganz einfacher und pragmatischer Grund: Ich würde mich persönlich sehr freuen Sie im Publikum zu sehen. Infos Karten für das Konzert am Freitag, 10. März, 20 Uhr, in der Pirmasenser Festhalle gibt es für 14 (ermäßigt sieben) Euro im Pirmasenser Kulturamt, Telefon 06331/842352. |han

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