Pirmasens Ruhe im Kopf
In Pirmasens hat sie den Segelschein gemacht, danach ging es auf den Atlantik: 2011 ruderte Janice Jakeit allein 6500 Kilometer über den Atlantik. Unter dem Motto „Rudern für die Stille“ trat sie eine 90-tägige Reise vom portugiesischen Partimao nach Port St. Charles auf Barbados an, wollte zusammen mit der Umweltorganisation Ocean Care auf den Unterwasserlärm und seine tödlichen Folgen für Meerestiere aufmerksam machen. Am Donnerstag sprach sie auf Einladung des Pirmasenser Stadtmarketings in der Festhalle darüber.
Auf die Idee für den „verrückten Trip“ kam die aus dem Erzgebirge stammende Jakeit in den 90er Jahren. Damals hatte sie von einer Amerikanerin gelesen, die den Atlantik überqueren wollte, scheiterte und knapp mit dem Leben davon kam. „Als ich nach einigen Wochen wieder von ihr und einem neuen Versuch gelesen hatte, hat es in meinem Kopf klick gemacht. Ich dachte, da draußen muss irgendetwas sein, das es auch unter den widrigsten Umständen wert ist gesucht zu werden“, berichtete sie im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Ständig auf der Suche nach Zufriedenheit und Glück verließ sie erst ihren Job in der IT-Branche und machte sich selbstständig. Doch auch das und eine gut funktionierende Partnerschaft reichten ihr nicht aus. Im Jahr 2009 ging sie an die Planungen. Sie trainierte körperlich und mental, lernte Grundlagen der Medizin, kaufte sich ein Boot, kümmerte sich um Sponsoren und Pressearbeit und legte den Segelschein in der Yachtschule von Leo Germann in Pirmasens ab. „Ohne Herrn Germann und seinen Kurs wäre ich nie im Leben ans Ziel gekommen“, so Jakeit. Am 23. November 2011 stach sie in See, ausgerüstet mit zwölf Kilogramm Medikamenten und 200 Kilogramm Proviant – „unter anderem hatte ich Wurstkonserven von der Wasgau AG bekommen, die mich als Sponsor unterstützt hat. Die haben mir auch am Besten geschmeckt, schließlich musste ich bei zwölf Stunden Rudern rund 8000 Kalorien pro Tag zu mir nehmen“, so die Abenteurerin, die bis dahin nur auf dem Speyerer Altrhein in ihrem Boot geübt hatte. „In der ersten Zeit war ich sehr seekrank und konnte kaum etwas zu mir nehmen. Ich hatte Angst und Panik, verlor teilweise die Orientierung und war generell überfordert“, erzählte sie dem Publikum. Trotz Schmerzen kämpfte sie 90 Tage gegen Stürme, Wellen und durch Hitze und Haie zerrüttete Nerven an und lernte als „Kontrollfreak“, „endlich einmal etwas wie Vertrauen zuzulassen“. Denn: „Auf dem Ozean entscheidet nicht mehr der Kopf, ob man überlebt oder nicht. Das musste ich lernen. Schließlich nützt es nichts, wenn man sich intellektuell mit einer acht Meter hohen Welle auseinandersetzt. Das Meer entschied über mein Schicksal“. So habe sie begriffen, dass man Stille und Freiheit nicht ohne Demut und Vertrauen finden könne. Neben Strapazen hat Jakeit aber auch „unwahrscheinliche Glücksmomente“ und das Gefühl kennengelernt, wie es ist, wenn Ruhe im Kopf herrscht. Sie sah Delphine wenige Meter neben ihrem Boot und einen Wal, der sie zwei Wochen lang begleitet hat. Der Weg zurück in den Alltag war alles andere als einfach: „Als ich auf Barbados angekommen bin, waren die Gefühle sehr ambivalent. Auf der einen Seite habe ich mich gefreut, meiner Familie und meinen Freunden wieder in die Arme fallen zu können. Auf der anderen Seite hatte ich dort draußen das Glück und die Stille gefunden. Da hatte ich schon Angst, ob das auch in der alltäglich lauten Welt noch so funktioniert“, erklärte die 37-Jährige. Nach ihrer Ankunft schottete sie sich zwei Jahre lang ab und ist heute dazu fähig, „die auf dem Ozean gefundene Stille und das gefundene Glück in den Alltag zu übertragen“. (tada)