Pirmasens Liebe und Sex in der Bibel

Pfarrer Wolfdietrich Rasp beschäftigt sich am Sonntag in der Lutherkirche in seiner Predigt mit Maria und Josef.
Pfarrer Wolfdietrich Rasp beschäftigt sich am Sonntag in der Lutherkirche in seiner Predigt mit Maria und Josef.

Sommerkirche nennen sich die gemeinsamen Gottesdienste der Luther- und der Johanneskirchengemeinde in den Ferien. In diesem Jahr stehen „Liebende der Bibel“ im Mittelpunkt der Predigten. Darüber sprach Christian Hanelt mit Pfarrer Wolfdietrich Rasp.

Wie kam es zu der gemeinsamen Gottesdienstreihe von Luther- und Johanneskirche in den Sommerferien?
Wir machen das jetzt schon seit über zehn Jahren. Angefangen haben wir damit, als in der Johanneskirche die Orgel renoviert wurde. Während dieser Zeit ist die Johanneskirchengemeinde in die Lutherkirche umgezogen. Und wir haben dann aus dem Gedanken des „wir beherbergen einander“ heraus entschieden, uns im Sommer bei den Gottesdiensten abzuwechseln – einmal in der Johanneskirche, einmal in der Lutherkirche. Die Kirchen stehen ja auch nur 500 Meter auseinander.

Das Besondere an diesen Gottesdiensten ist ja auch, dass sie unter einem bestimmten Thema stehen.
Wir hatten in der Sommerkirche schon einige Themenreihen. In diesem Jahr haben wir uns vorgenommen, uns nach Liebespaaren in der Bibel umzusehen und die mal genauer zu betrachten. Und das Spektrum dessen, was wir zum Thema „Liebende der Bibel“ gefunden haben, reicht von „Gott und Mensch“, worüber Wolfgang Brendel, Prädikant der Johanneskirchengemeinde, am letzten Sonntag gepredigt hatte, über David und Jonathan oder Maria von Magdala und Jesus bis hin zu Josef und Maria, die ich am kommenden Sonntag vorstellen möchte.

Nehmen wir das Beispiel David und Jonathan, ein homosexuelles Paar. Wie geht die Evangelische Kirche mit diesem Thema um?
Über David und Jonathan wird der Dekan in seiner Predigt sprechen, und ich bin mir sicher, dass er auch das Thema Homosexualität ansprechen wird – ich würde es auf jeden Fall tun. Und ja, die Bibel lässt die Deutung durchaus zu, dass David und Jonathan ein sehr enges, auch intimes Verhältnis hatten. In der Bibel gibt es einige problematische Liebesbeziehungen.

Da hat sich in Kirche und Gesellschaft schon einiges verändert. So lange ist es schließlich noch gar nicht her, dass sich die Staatsanwälte für homosexuelle Menschen interessierten.
In der Bibel heißt es, dass die Liebe dazu da ist, dass sich die Menschen vermehren. Dass aus dieser Motivation heraus gerade im Volk Israel Homosexualität tabuisiert und auch sanktioniert wurde, ist rational durchaus verständlich. Dass wir es heute anders sehen, ist eine gute Entwicklung – das kann ich ganz unumwunden sagen.

Vergleicht man die Beschreibungen zum Thema Liebe im Alten Testament mit denen im Neuen Testament, ist doch ein starker Bruch zu erkennen, von einem erfüllten, zum Teil sehr freien und auch drastisch beschriebenen Sexualleben zu einem eher von Keuschheit geprägten.
Da ist schon eine Veränderung zu beobachten – da gebe ich Ihnen völlig recht. Es schwingt aber immer die Liebe zu Gott mit: Das ist die Grundkonstante, die Grundverbindung. Gottes Liebe zu den Menschen und die Menschliebe zu Gott – das ist die Verbindung beider Testamente, und das ist auch die Tradition, die uns mit unseren jüdischen Geschwistern im Glauben verbindet. Ich glaube, die Gedanken im Neuen Testament sind entstanden auf der Folie der damaligen Gesellschaft, einer hellenistisch geprägten Gesellschaft, in der in gewissen Milieus sehr freie Sexualpraktiken herrschten. Und davon hat sich das Christentum sehr stark abgegrenzt durch Rigidität, durch die Konzentration der Liebe auf die Liebe zu Gott und von Gott zu den Menschen. Die Vermehrung war da eher sekundär. Die tätige Nächstenliebe hat dort tatsächlich eine große Konjunktur erfahren.

Auffällig ist auch die direkte Sprache des Alten Testaments was die Sexualität betrifft.
Im Alten Testament gibt es tatsächlich Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll. So wird gerade bei den Geschichten um König David und seinen Nachfolger Salomo sehr offen gesprochen. Da heißt es, David sei nicht mehr warm geworden und bekam daher Abischag von Schunem zur Seite gestellt, damit ihm wieder warm werde. Konkret heißt das nichts anderes, als dass der gute Mann alt und sexuell durch war. Deshalb hat man ihm eine junge Frau gebracht, in der Hoffnung, dass da doch noch etwas geht.

Und bei Hesekiel wird sogar über die ideale Größe des Penis geschrieben.
Ja. Tatsächlich ist die hebräische Bibel, also das, was wir Altes Testament nennen, sehr viel bodenständiger und weniger philosophisch durchdacht, als das, was wir im Neuen Testament haben. Man sieht das auch an der Geschichte des jungen Königs David: Als ihm mitgeteilt wurde, dass die Philister erschlagen wurden, wurden ihm statt Köpfe oder Skalpe die Vorhäute der Besiegten vorgelegt. Das ist alles sehr handfest und sehr bodenständig.

Und welche Rolle hat die Frau, wenn es um die Liebespaare in der Bibel geht?
Ihre Rolle ist es, Kinder zu kriegen. Punkt.

Das ist ein Bild, das unsere Gesellschaft heute vielfach noch prägt.
Ja. Die Rollen sind immer noch abgesteckt. Ich habe jetzt gerade wieder eine Geschichte gehört, dass in der freien Wirtschaft ein Mann, der Elternzeit in Teilzeit nehmen wollte, den Stuhl vor die Tür gesetzt bekommen hat. Für Frauen ist gesetzlich alles definiert, für Männer ist es dagegen im Augenblick noch schwieriger, ihre Rolle zu verlassen. Wir schreiben das Jahr 2022 nach Christus – nicht vor Christus. In der Bibel ist die Rolle der Frau in diesem Spiel tatsächlich sehr patriarchal geprägt. Sie hat zu tun, was der Mann sagt. Über ihre Strippen hat sie zwar etwas Einfluss, aber was die Fragen der Sexualität angeht eher nicht.

Es heißt ja auch an einer Stelle, dass die Frau dem Mann gehört. Sehen Sie vor diesem biblischen Hintergrund die Kirche in einer besonderen Pflicht, die Gleichberechtigung zu fördern?
Ja. Ganz eindeutig. Ganz am Anfang heißt es, Gott schuf sich Mann und Frau zum Bilde, das heißt, Gott hat männliche und weibliche Anteile. Ich glaube tatsächlich, dass es eine Aufgabe ist, dass Menschen gemeinsam diese Kirche und darüber hinaus diese Welt gestalten. Und es zieht langsam sogar in der Provinz Pirmasens die Erkenntnis in den Gemeindealltag ein, dass wir in den Gemeinden auch Transpersonen haben.

Wo sehen Sie auf einer Skala von eins bis zehn aktuell die Evangelische Kirche beim Thema Gleichberechtigung positioniert?
Also wenn Sie einen Funktionär der Evangelischen Kirche der Pfalz fragen, der ich ja nun bin, würde ich mir natürlich wünschen, dass wir bei zehn wären – aber das sind wir nicht. Ich denke, wir sind bei sieben oder acht. Natürlich wünsche ich mir, wir wären bei zehn, aber das sind wir nicht trotz Präsidentin und Oberkirchenrätinnen. Wir haben in den Gemeinden viele engagierte Frauen, prozentual mindestens genau so viele wie Männer. Ich habe viele Kolleginnen, siehe Kollegin Tamm, worüber ich sehr froh bin, denn das macht uns einfach reicher. Und wir haben eine Präsidentin, die ganz stark den liberalen Traditionen verpflichtet ist.

Und wie steht es mit dem Umgang der Evangelischen Kirche mit homosexuellen und transsexuellen Menschen?
Was homosexuelle Liebe und Transpersonen angeht, bin ich froh, dass wir da inzwischen eine einheitliche Regelung haben: Wir trauen sie, wir konfirmieren. Im letzten Jahr hatte ich eine Person in der Konfirmationsgruppe, die war mit dem einen Geschlecht geboren und ich habe sie mit dem anderen Geschlecht konfirmiert. Das ist etwas, was sogar hier in Pirmasens inzwischen Einzug hält.

Sommerkirche

Der nächste gemeinsame Gottesdienst der Luther- und der Johanneskirchengemeinde unter dem Motto „Sommerkirche“ findet am Sonntag, 7. August, 10 Uhr, in der Lutherkirche statt. In der Predigtreihe „Liebende der Bibel“ beschäftigt sich Pfarrer Wolfdietrich Rasp mit Jesus und Maria.

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