Pirmasens Leserbrief an die Lokalredaktion:

Es ist bemerkenswert, dass Herr Wenzel und Herr Rojan den Mut aufbringen, das Hotel Matheis als „Bruchbude“ hinzustellen. Bestaunen doch die Abrissbeobachter ein statisch völlig intaktes Gebäude mit soliden Betondecken, das den stärksten Spezialbaggern trotzt. Außerdem frage ich mich, welche Anwohner von besserer Wohnqualität profitieren sollen - Hallo, dort wohnt niemand mehr! Das wertvolle Bahnhofsviertel überstand den Krieg fast unbeschadet und wurde erst in den letzten 40 Jahren systematisch abgeräumt, um leere Flächen zu schaffen. Dem Abbruch des ersten Pirmasenser Bahnhofsgebäudes (Geburtshaus des Dichters Roland Betsch) 1976 folgten in den 1980er-Jahren Bahnhofshotel und Stadtwaage, die Häuserzeile in der Teichstraße, die Villa des Stadtwerkedirektors, 2008 die Hinterkappenfabrik Dörr mit prachtvoller Villa und nun wandert als letztes Zeugnis das Grandhotel Matheis auf den Schutt. Die Alte Post wirkt seitdem wie eine Art Denkmal für sich selbst auf dem „Präsentierteller“. Funktionaler Zusammenhang des öffentlichen Gebäudes ist nach dem Abriss der benachbarten Bauten nicht mehr erkenntlich, der städtebauliche Halt verloren und sein Denkmalwert auf das Mindeste reduziert. So was muss man erst mal nachmachen! Man hätte „Geld in die Hand nehmen müssen“, um das Hotel Matheis zu sanieren, ist ein abgelutschtes Totschlagargument. Werden doch für die Beseitigung des von der Stadt freiwillig gekauften Spekulationsobjekts ausgerechnet Stiftungsmittel eingesetzt, die unter anderem auch für den Erhalt von Kulturdenkmalen in Pirmasens zweckgebunden sind. Die Gesamtkosten hätten Außensanierung und Einrichtung eines Gastronomiebetriebes ermöglicht. Optional wären die oberen Etagen wieder als Hotel nutzbar gewesen. Die Alte Post hätte von einem Gourmettempel in direkter Nachbarschaft erheblich profitiert. Ebenso Pirmasenser Firmen. Über einen warmen Geldsegen freuen sich stattdessen wohlsituierte Immobilienbesitzer und flinke Abbruchunternehmer, die ausgerechnet in den Regionen ansässig sind, in denen man uns weder eine vierspurige B10 noch den Zweibrücker Flughafen gönnt. Anstatt in der eigenen Stadt zu investieren und damit zu demonstrieren, dass man noch an ihre Zukunft glaubt, bindet man sich lieber eine weitere öde Fläche ans Bein. Auf die künftigen Unterhaltungskosten kommt es bei 350 Millionen Schulden anscheinend nicht mehr an. Pirmasens erlebt gerade seine schwärzeste Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg: Innerhalb einer Woche wird das Schicksal von Hotel Matheis und Deutscher Schuhfachschule besiegelt. Es fallen somit genau 70 Jahre nach dem Großangriff 1944 gleich zwei international bekannte Prestigeobjekte der sinnlosen Zerstörung zum Opfer. Für wen soll man sie auch erhalten? Erinnern sie doch an eine Zeit, als Pirmasens in einem Satz mit Kaiserslautern und Ludwigshafen genannt wurde und man neidisch auf die Schuhstadt blickte. Aber offenbar wollen manche der kommenden Generation eine „besenreine“ Geisterstadt übergeben, in der in Zukunft alles leer steht und identitätsstiftende Kulturdenkmale überflüssig sind.

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