Pirmasens „Ich fühle mich zutiefst als Pirmasenser“

Michael Herl ist im Herzen Pirmasenser geblieben.
Michael Herl ist im Herzen Pirmasenser geblieben.

Michael Herl, Jahrgang 1959, Journalist, Autor, Fernsehmoderator, Regisseur, Schauspieler und Dokumentarfilmer kommt am Donnerstag, 7. Juni, zu einer Lesung in der Buchhandlung Thalia in seine Heimatstadt Pirmasens zurück. Herl, künstlerischer Leiter des Stalburg Theaters in Frankfurt, liest dabei aus seinem Buch „Eigentlich…“, das 99 seiner Kolumnen enthält, die er seit 2012 jeden Dienstag in der „Frankfurter Rundschau“ veröffentlicht. Mit Michael Herl sprach unser Mitarbeiter Peter Schneider.

Was hat Sie dazu bewogen, die bereits in der „Frankfurter Rundschau“ veröffentlichten Kolumnen nun auch noch als Buch zu veröffentlichen und wie ist die Resonanz darauf ausgefallen?

Wer lässt sich nicht gerne als Autor eines Buches feiern? Das Problem ist, dass ein solches Buch in der Regel erst geschrieben werden muss, und das ist Arbeit. Diesen mühsamen Zwischenschritt von der Idee bis zum Produkt konnte ich galant umgehen, da ja meine Texte bereits geschrieben waren – und schwupps, durfte ich auf die Buchmesse und bekam dort trockene Brezeln und warmen Prosecco. Das ist die höchste Weihe für einen Autor. Und die Resonanz? Gelobt und geschimpft wurde von den jeweils üblichen Verdächtigen. Also Schimpfe von Kirchen und AfD - und Lob von allen anderen. Was verbindet Sie heute noch mit Pirmasens? Komische Sache. Als Kind lebte ich fünf Jahre mit meinen Eltern in Mailand, da mein Vater dort für die Firma Sandt Schuhmaschinen verkaufte. Dann folgte die Einschulung in Pirmasens, von dort zog ich dann mit 20 weg. Von meinen 58 Lebensjahren verbrachte ich also nur 13 auf dem Horeb. Dennoch fühle ich mich zutiefst als Pirmasenser. Ich zähle und träume sogar auf Bärmesenserisch, obschon ich des Hochdeutschen nahezu akzentfrei mächtig bin. Leider verschlägt es mich seit dem Tod meiner Mutter nur noch selten dorthin, zum Beispiel ab und zu zu einem Spiel des FK Pirmasens. Waren Sie tatsächlich einst Jugendspieler beim FKP, wie es in einer Ihrer Geschichten steht? Ja, ich spielte bis zur B-Jugend bei der Klub, gab aber keine bella figura ab. Ich ging auch eher unkonventionell zu Werke. So brachte ich tatsächlich mal einen Ruppertsweiler Mittelstürmer zur Weißglut, indem ich ihm immerzu Sätze wie „Frarohl endem häcksel mumpf“ ins Ohr flüsterte. Der wurde dann ausgewechselt. Hätte er sich halt mal ein wenig mit Hugo Ball beschäftigt, der Dummfrosch. Welche Ihrer Kolumnen in der „Frankfurter Rundschau“ erhielt das meiste Feedback? Womöglich „Sardinen shoppen“, in der Sie der Kirche gewaltig auf die Füße treten? Ich sag ja, die Kirchen... Die bieten sich so köstlich als Opfer an, weil sie so gar keinen Spaß verstehen. Schmeißen mit ihren Glocken Sonntagmorgens die Leute aus dem Bett, nur weil eine Handvoll Rentnerinnen zum Gebet gekrochen kommen – und die sitzen doch eh schon in der Kirche, bevor das Getöse beginnt. Und warum um Himmels Willen sollte denn Gott keine Dampfnudel sein? Den hat doch nie jemand gesehen. Ist Ihnen die umtriebige Pirmasenser Autorengruppe mit Bernd Ernst, Julian Ehrgott, Timo Arnold und Stefan Schwarzmüller ein Begriff und was halten Sie von einem Zusammenschluss von Autoren, um gemeinsam Lesungen zu veranstalten? Nee, die waren mir bis dato unbekannt. Aber ich finde es großartig, dass so etwas geschieht. Literatur ist überall, nicht nur in den Ballungszentren. Eine wohltuende Antwort auf all jene Möchtegern-Autoren, die nach Berlin rennen und dort Wichtigtuer unter Wichtigtuern sind. Ich sage: „Pirmasens. If you make it there, you can make it everywhere!“ Wie muss man sich Ihre Arbeit als Künstlerischer Leiter des Stalburg Theaters vorstellen? Unaufhörlich Stücke lesen, Regie und Schauspieler aussuchen, Proben begleiten, bei der Premiere Blumensträuße übergeben und sich dann mit allen sinnvoll betrinken. Dann beginnt das wieder von vorne. Und alle paar Jahre schreibe ich selbst ein Stück. Ansonsten: Viel zu viel Bürokratie. Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich beeinflusst? Als ich mit 17 bei der „Pirmasenser Zeitung“ als freier Mitarbeiter anfing, sagte der damalige Chef vom Dienst, Roland Wagner, mal zu mir: „Michel, Du schreibst wie der Hemingway“. Ich nickte still, rannte in die Buchhandlung Richter, kaufte mir „Der alte Mann und das Meer“, las ein paar Zeilen und stellte fest: „In der Tat, der Kerl schreibt wie ich“. Spaß beiseite: Zuletzt verschlungen habe ich die Autobiografie meiner Freundin Eva Demski „Den Koffer trage ich selber“. Die Antwort einer großen, alten Dame auf alle „#MeToo“-Debatten. Herr Herl, danke für dieses Interview. Die letzten Worte gehören Ihnen. Pirmasenser, kauft bei den letzten verbliebenen Bäckern und Metzgereien Eurer Stadt, sonst machen die auch noch zu. Infos Einlass zur Lesung von Michael Herl am Donnerstag, 7. Juni, in der Pirmasenser Thalia-Buchhandlung ist ab 19 Uhr. Beginn ist voraussichtlich gegen 19.30 Uhr. Der Eintritt kostet sechs Euro an der Abendkasse.

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