Pirmasens „Ich bin dreimal nach Windsberg gekommen“

Ein unzertrennliches Paar: Karl Sieber und seine Geige.
Ein unzertrennliches Paar: Karl Sieber und seine Geige.

Karl Sieber, ehemaliger Bundeschorleiter, Geiger des Salon-Orchesters Die Westrich Saloniker und Gründer des überregionalen Karl-Sieber-Chores wird heute 80 Jahre alt. Unser Mitarbeiter Fred G. Schütz unterhielt sich mit dem beliebten Musiker über seine musikalischen Vorlieben, die Teilnahme beim Song für Pirmasens und seine weiteren Pläne für die Zukunft.

War das Musizieren bereits in Ihrer Familie angelegt?

Ich hatte einen Großvater, der Geige gespielt hat und der auch meine Mutter unterrichtete. Deshalb hat sie Wert drauf geleget, dass ich Geigenunterricht bekam. Den habe ich 1945, sofort nach Kriegsende, erhalten. Haben Sie einen Beruf außerhalb von Musik und Schule gehabt? Ich war vom Gymnasium abgegangen und ging zur Post in Zweibrücken, habe aber weiter Geige gespielt, damals in einem Streich-Quartett. Christian Paulus aus Maßweiler, der ursprünglich im Orchester des Pfalztheaters gespielt hatte, dann Lehrer wurde, weil Orchestermusiker so schlecht bezahlt wurden, hat zu mir gesagt: „Werde doch Lehrer, Du mit Deinen musikalischen Fähigkeiten. Was willst Du bei der Post?“ Also ging ich nach Speyer ins Kolleg und habe das Abitur gemacht und anschließend an der Pädagogischen Hochschule mit dem Schwerpunktfach Musik in Kaiserslautern studiert. Damals hießen die Volksschullehrer ja noch Zehnkämpfer, weil wir alles unterrichteten. Aber Musik war mein Schwerpunkt. Später als Lehrer war ich einige Jahre Fortbildungsleiter für ein Projekt „Musik in der Grundschule“. Hatten Sie damit Ihre Bestimmung gefunden? Ja, das kann man so sagen. Ich habe mich dabei äußerst wohl gefühlt. Manche Lehrer hatten sich ja ein bisschen vor Musik gefürchtet und wenn ich eine ihrer Musikstunden übernommen habe, dann nahmen sie mir eine Zeichenstunde ab. So ging das. Ich habe dann auch einen Schulchor aufgebaut. War das der Anfang Ihrer Chorleiterarbeit? Im Grunde hat das schon mit dem Geigenunterricht begonnen. Mein Geigenlehrer ließ mich die Geigenmelodien, Tonleitern und Drei-Klänge immer auch singen. Das war also zusätzlich noch Gesangsunterricht. Als ich 17 Jahre alt war habe ich bei einer Schulveranstaltung am heutigen Leibniz-Gymnasium die Solo-Partie in der Telemann-Kantate „Der Schulmeister“ gesungen. Haben Sie musikalische Vorlieben? Ich habe Schubert sehr geliebt und habe dann auch mit meinem überregionalen Männerchor die anspruchsvolleren Stücke mit Klavierbegleitung, zum Beispiel „Der Gondelfahrer“ oder „Nachtgesang im Walde“ gesungen. Schubert war schon ein Schwerpunkt, zumal er 84 Männerchöre komponiert hat und sie selbst nie von einem Männerchor gehört hat – die gab es in Wien zu seiner Zeit nicht; also hatte er dieser Liede für ein Quartett geschrieben, eigentlich für die kleine Besetzung. Aber ich habe auch gerne moderne Sachen gemacht, etwa von Walter Rein, der nach dem Krieg, als es noch große Männerchöre gab, sehr anspruchsvolle Literatur geschrieben hat. In der Festhalle habe ich auch mal ein reines Rein-Konzert gegeben. Und was ich auch sehr geliebt habe waren Kompositionen rheinland-pfälzischer Komponisten, die ich für ein Konzert allesamt in die Festhalle eingeladen hatte. Wir haben zum Beispiel eine Suite irischer Liebeslieder, die Hilger Schallehn gesetzt hatte, einstudiert und auch uraufgeführt. Die Instrumentalstimmen waren dabei zum Leidwesen der Musiker noch nicht gedruckt, sondern standen nur handschriftlich zur Verfügung. Heute, mit den Notensatzprogrammen wäre das kein Thema mehr. Wann haben Sie Ihre erste Chorleiterstelle übernommen? Da war ich 17. Fritz Ringeisen, der Vorstand des Nünschweilerer Chores, hatte mich angesprochen, ob ich nicht den Chor übernehmen wolle. In Zweibrücken gab es mehrere Wochenendseminare, wo er mich immer hingefahren hatte; ich hatte ja noch kein Auto. Nach Abschluss des Seminars habe ich dann 1956 den Nünschweilerer Chor übernommen, den ich runde 30 Jahre lang geführt habe. Sie haben aber immer nur weltliche Musik gespielt? Ja, ich hatte nie einen Kirchenchor. 1959 habe ich die Chorgemeinschaft Windsberg übernommen. Und das hatte eine Vorgeschichte. Ich hatte ja noch den Chor Höheischweiler und wollte keinen weiteren Chor übernehmen. Ich hatte noch Tischtennis gespielt und das war genug. Deshalb sagte ich dem Vorstand des Windsberger Chores ab. Dann haben die aber Pfarrer Hutterer eingespannt, ich solle doch wenigsten ein paar Wochen Singstunden halten, damit der Windsberger Chor an Ostern in der Kirche singen könne. Der Chor hatte keinen Leiter mehr und die Windsberger hatten schon gute Sänger, die waren sehr anspruchsvoll. Ich habe mich breitschlagen lassen und dann saß da eine junge Sopranistin, auf die ich dann ein Auge geworfen hatte. In gewisser Weise bin ich also dreimal nach Windsberg gekommen, als Chorleiter, dann durch meine Frau Gisela und drittens als Lehrer. So kam eine in jeder Beziehung enge Verbindung mit Windsberg zustande. Ich habe mehrere weitere Chore hier gegründet – Frauenchor, Kinderchor, den Männerchor „Hochwaldlerchen“ und war hier 50 Jahre lang Chorleiter. Ein echter Renner waren auch die Windsberger Weinfeste mit jeweils fünf Veranstaltungen im Jahr – 25 Jahre lang. Die Leute kamen von weit her mit Bussen und die Sänger traten in Kostümen auf, je nach Thema. Das war der Durchbruch für die Chorgemeinschaft, die dann auch ihre eigene Sängerhalle gebaut hat. Heute würde niemand mehr eine Sängerhalle bauen, weil es die Chöre gar nicht mehr gibt. Woran liegt das? Erstens hat die Jugend heute viel mehr Angebote, früher gab es auf dem Dorf neben dem Chor nur noch den Fußball. Zweitens ziehen viele junge Leute weg für Studium oder Beruf. Und drittens hat sich die Chorszene verschoben. Ich kann das mit Zahlen belegen: Seit 1974 war ich ja Kreisvorsitzender des Sängerkreises Pirmasens und von 1974 bis heute haben sich 20 Chöre in der Region aufgelöst. Aber, das darf man nicht verkennen, es gibt heute sehr gute Chöre an Schulen, siehe Kant-Gymnasium, es gibt auch im kirchlichen Bereich mehr junge Chöre und dann eine blühende Chorszene in Großstädten, vor allem dort, wo es Musikhochschulen gibt. Vor zwei Jahren in Stuttgart gab es einen Wettbewerb der Jazz-Chöre, 70 Jazz-Chöre waren da angetreten, einer besser als der andere. Der Deutsche Chorverband befasst sich nun mehr mit diesen Spitzenchören und bietet relativ wenig für den kleinen Chor auf dem Land. Die Chorleiterarbeit war bei Ihnen aber immer Liebhaberei, nie Brotberuf? Ganz klar, das war immer Liebhaberei. Als ich den Chorleiterstab an meinen Sohn Wolfgang übergeben hatte, der unter anderem hauptberuflich die Betriebschöre der BASF leitet, bin ich sozusagen wieder zu meinen Wurzeln zurückgekehrt und spiele jetzt seit ein paar Jahren die Geige beim Salonorchester Die Westrich-Saloniker. Wir proben wöchentlich, ich übe auch noch jeden Tag Geige, ich schreibe mir sogar die Zeiten auf. Wir spielen viel außerhalb der Region, nächsten Monat zum Beispiel auf dem Winzerhof Hafner in Göcklingen. Das sind so zehn Konzerte im Jahr und das macht mir großen Spaß.

x