Pirmasens „Geschichte erlebbar machen“
Die gut besuchte Gedenkveranstaltung an die Pogromnacht am 9. November 1938 fand am Mittwoch im Foyer des Forums Alte Post statt. Anschließend wurde an mehreren Stationen in der Stadt an das Schicksal der jüdischen Mitbürger, die dort gewohnt hatten, erinnert.
Oberbürgermeister Bernhard Matheis mahnte, „der 9. November als Ausdruck, dass sich ein ganzes Volk gegen eine Minderheit erhoben hat, muss im kollektiven Gedächtnis bleiben“. Solche Gedanken, eine Minderheit an den Pranger zu stellen, seien nicht verschwunden, auch nicht aus scheinbar stabilen Demokratien. Die Erinnerung müsse wachgehalten werden und man müsse wachsam sein. Karola Streppel vom Arbeitskreis „Geschichte der Juden in Pirmasens“ sagte, man solle aus Einzelschicksalen jüdischer Mitbürger lernen, die Jahrzehnte in Pirmasens gelebt und im hohen Alter im Konzentrationslager ermordet wurden. Im strömenden Regen ging es zur Teichstraße 10, wo heute ein Parkplatz ist. Eine Stele erinnert an den ehemaligen Besitzer Eugen Mandel, geboren am 2. April 1872 in Kaiserslautern, und seine Frau Pauline (Paula), geborene Brück, geboren am 8. März 1884 in Alsenz. Wie Frank Eschrich vom Arbeitskreis berichtete, hatte Eugen Mandel in Pirmasens eine stattliche Schuhagentur. Sein gesamtes Vermögen wurde „arisiert“, das heißt enteignet. Vertreter der NSDAP traten in seinem Namen als Verkäufer vor einem Notar auf. Vom festgesetzten Kaufpreis seien noch Beträge abgezogen worden und die Auszahlung des kümmerlichen Restes an Eugen Mandel von der Devisenstelle gesperrt worden. Am 27. September 1942 wurde er ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er am 19. Dezember 1942 starb. Seine Frau starb am 23. Januar 1943 in Auschwitz. Matthias Strugalla berichtete: In der Schützenstraße 9 hatte Robert Dreifus, geboren am 8. Februar 1900, eine Zahnarztpraxis betrieben. Er hatte am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Von Frankreich, wohin er emigriert war, wurde er ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo er am 20. Januar 1944 starb. In der Ringstraße 36-38 erinnerte Frank Eschrich an die Ledergroßhändler Kurt, geboren am 11. Februar 1898, und Ludwig Dreifuß, geboren 9. Mai 1886. Beide wurden 1942 deportiert und am 8. Mai 1945 für tot erklärt. Weiter erinnerte er an Alfred Lazarus Schwarz, geboren am 23. März 1889, und seine Frau Berta Schwarz, geborene Levy, geboren 6. August 1892. Sie wurden am 10. November 1941 ins Ghetto Minsk deportiert. An der ehemaligen Kaufhalle informierte Eschrich über die „Arisierung“ am Beispiel der Eisenwarenhandlung Moritz Kahn. Beim „Verkauf“ sei der Eigentümer nicht anwesend gewesen und der Preis sei durch die NSDAP festgelegt worden. Wenn es gelang, den Kaufpreis unter den Verkehrswert zu drücken, sei eine „Arisierungsabgabe“ zugunsten des Reiches angefallen. Und obwohl sie das Geld nie erhalten hatte, sollte die Witwe ans Finanzamt eine Judenvermögensabgabe von 25.000 Reichsmark zahlen, was sie nicht konnte. Im Oktober 1940 wurde sie nach Gurs deportiert. In der Alleestraße 37 erinnerte Streppel an Emma Markus, geborene Kahn, geboren am 29. Oktober 1858. Sie ging 1939 nach Berlin und wurde mit 84 Jahren nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 22. Dezember 1942 für tot erklärt wurde. Bei der Kranzniederlegung in die Synagogengasse forderte OB Matheis dazu auf, „Geschichte am Schicksal von Menschen erlebbar zu machen“. Die Nationalsozialisten hätten „versucht, den Anschein der Rechtmäßigkeit lange aufrechtzuerhalten. So kann etwas passieren, was mit Humanität niemals vereinbar ist“, sagte Matheis. Man müsse Konsequenzen aus diesem Teil der Geschichte ziehen und wachsam sein. Das Projekt mit den Gedenktafeln trage dazu bei, das Gedenken an die junge Generation weiterzugeben. Er warnte, „Nationalismus hat Renaissance, gepaart mit dem Hinweis, das eigene Land sei wertvoller als anderes“. Man müsse widersprechen. Infos im Netz unter www.pirmasens.de/Gedenken. |arck