Pirmasens Gescheitert an Hochmut und Gier

Die Kunstmesse hat den unmittelbaren Kontakt zwischen Künstler und Publikum hergestellt und so Berührungsängste genommen.
Die Kunstmesse hat den unmittelbaren Kontakt zwischen Künstler und Publikum hergestellt und so Berührungsängste genommen.

75 Jahre Pirmasenser Rundschau: Vier Mal durfte Pirmasens die Landeskunstmesse „Kunst und Künstler im Messestand“ ausrichten. Dann war Schluss. Zu provinziell, befanden viele Künstler. Doch der Umzug nach Mainz brachte der Ausstellung kein Glück und schon gar nicht die von den Künstlern erhofften lukrativen Verkäufe.

„Die in der Bundesrepublik einzigartige, von der rheinland-pfälzischen Kultusministerin Rose Götte ins Leben gerufene Präsentation ,Kunst und Künstler im Messestand’ erwies sich als Besuchermagnet“, jubelte die ausrichtende Pirmasenser Messe GmbH am 31. Oktober 1995. Und doch, es sollte bald Schluss sein mit der Landeskunstmesse in Pirmasens, in der vermeintlich ach so tiefen Provinz.

1999 hat es in Pirmasens zum vierten und letzten Mal „Kunst und Künstler im Messestand“ geheißen, und 230 Künstler waren damals der Einladung gefolgt – mehr als zuvor. In Künstlerkreisen jedoch machte sich da schon Aufbruchstimmung breit. Ein anderer Standort wäre für die Messe besser, so die Meinung vieler Künstler, denen sich der rheinland-pfälzische Berufsverband Bildender Künstler (BBK) anschloss – eine einflussreiche Lobby.

Nach dem Motto „jeder ist sich selbst der Nächste“ plädierten einige Speyerer Künstler für eine Alternative – man ahnt es schon – in Speyer. Pirmasens sei zu abgelegen. Allerdings: Die Speyerer Stadtspitze hatte eine Aufnahme der Messe schon früh ausgeschlossen. Das von den Künstlern favorisierte Kasernengelände werde demnächst abgerissen, hatte dann auch der Speyerer Bürgermeister Brohm seinem Pirmasenser Kollegen Joseph Krekeler unaufgefordert mitgeteilt. Aus Ludwigshafen gab es ein Angebot, die Messe auszurichten. Und für den damaligen Vorsitzenden des BBK, Gernot Meyer-Grönhof, war der ideale Ort die Landeshauptstadt.

So wurde fleißig nach Argumenten gesucht, Pirmasens zu verlassen. Und je näher die Künstler Mainz waren, umso schlechter wurden die Karten für das entlegene Pirmasens, wo sich auch kaum jemand Gehör verschaffen konnte. Die Argumente blieben einseitig – nichts wie weg von Pirmasens. Für den BBK stehe nicht der kommerzielle Erfolg im Mittelpunkt, so Meyer-Grönhof damals. Die Künstler hätten sich in den vergangenen Jahren nicht besonders gut vertreten gefühlt durch die Pirmasenser Messeleitung, die vordergründig kommerzielle Interessen verfolge. Die Kosten für Teilnehmer – Standgebühren vor allem – hatten sich zwar verdoppelt, waren aber im Vergleich zu anderen Messen immer noch gering. Dennoch: „Für 300 Mark gibt es einen Hasenkäfig“, kommentierte Fred Feuerstein, einer der Speyerer Künstler, der, nebenbei bemerkt, gar nicht auf der Messe vertreten war. Und schließlich führte Meyer-Grönhof auch noch „starke atmosphärische Probleme“ an, weshalb er eigentlich nicht an eine Fortsetzung der Messe in Pirmasens glaubte.

„Ein Umzug der Messe wäre für die Stadt ein Jammer“, meinte der Langmühler Künstler Wolfgang Fritz. Immerhin sei die Kunstmesse auch ein Stück Strukturförderung für die Region. Allerdings sei der Gedanke eines Platzwechsels nicht neu: „Das ist ein uraltes Thema seit der ersten Messe.“ Objektiv betrachtet, räumte Fritz ein, erscheine jedoch ein verkehrsgünstigerer Standort wie Mainz besser, da dort mehr Besucher zu erwarten seien.

Die Front gegen den Messestandort Pirmasens war am Ende so groß, dass sich das Kulturministerium – in der Vergangenheit war aus Mainz nie ein Zweifel am Standort Pirmasens zu hören – offen für Alternativen zeigte. Und in Pirmasens wollte man lange den eisigen Gegenwind nicht spüren: „Das ist nur eine Aktion Einzelner'', so die damalige Messe-Geschäftsführerin Cristina Frank zu Forderungen nach einem Ortswechsel. Und ganz selbstbewusst: „Wir machen eine professionelle Messe und haben die besten Voraussetzungen für die Kunstmesse.“ OB Krekeler hingegen, selbst ein großer Kunstliebhaber und -sammler, wurde mehrfach im Mainzer Kulturministerium vorstellig, um die Messe für Pirmasens zu retten.

Und das Ende der Geschichte? Die Kunstmesse, 1993 vom damaligen BBK-Landesvorsitzenden Heinrich Renaud Gruber aus Rodalben in Pirmasens ins Leben gerufen, wurde auf Druck des BBK nach Mainz verlegt, wo sie in der Rheingoldhalle zuletzt im März 2012 rund 8000 Besucher anzog.

Die Messe zog zwar nach Mainz, doch aus den fetten Verkäufen, die man sich, auch wenn viele es nicht zugeben wollten, im boomenden Rhein-Main-Gebiet versprach, wurde nichts. Und keine der Kunstmessen in Mainz erreichte die Besucherzahlen, die einst in Pirmasens verzeichnet wurden. So war man letztlich auch beim BBK nicht mehr zufrieden mit der Entscheidung, die man selbst vorangetrieben hatte, nach Mainz zu gehen – auch wenn man dies nicht zugeben wollte und verkündete: Obwohl in Pirmasens dereinst ganz ordentliche Verkäufe und auch gute Besucherzahlen zu verzeichnen waren, habe sich der Standort Mainz doch bewährt.

Am Ende stellte Kulturstaatssekretär Walter Schumacher die Frage, „Wozu soll das Land eine Kunstmesse finanzieren – immerhin waren es 2014 rund 100.000 Euro –, wenn die Künstler selbst dieses Forum nicht mehr wollen?“ So präsentierten zum Beispiel 2012 nur noch 134 Künstler ihr Schaffen, halb so viele, wie einst in Pirmasens. Und wieder flammte die Diskussion über einen Wechsel des Standortes auf – eventuell sogar zurück nach Pirmasens? Doch das war für den BBK keine Option, da dies aus seiner Sicht am wirtschaftlichen Erfolg der Messe, um den es ja angeblich gar nicht gegangen sei, nichts geändert hätte. Rheinland-Pfalz sei eben ein Land ohne Tradition im Bereich der Bildenden Kunst, so der BBK.

Die Lösung war eine Landeskunstausstellung die jedes Jahr andernorts gastiert, zuletzt übrigens 2020 in Pirmasens in der Alten Post.

Die Schlosstreppen im Bau: noch ohne Stierkopf, ohne Wasserkaskaden, der pure Beton. Rechts das Volksbank-Gebäude, der damaligen

75 Jahre Lokalredaktion Pirmasens

Im Mai 1947 erschien erstmals ein Pirmasenser Lokalteil der RHEINPFALZ. Das war die Geburtsstunde der „Pirmasenser Rundschau“. Hier sehen Sie unsere Berichterstattung zum Jubiläum.

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