Pirmasens Gericht: Aus guter Sache wird ein „großes Schlamassel“

Eine 69-Jährige musste sich vor dem Amtsgericht verantworten, sie war mit Polizisten aneinander geraten.
Eine 69-Jährige musste sich vor dem Amtsgericht verantworten, sie war mit Polizisten aneinander geraten.

Wegen tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, Körperverletzung und Beleidigung in vier Fällen hat das Amtsgericht Pirmasens eine 69-jährige rüstige Rentnerin zu einer Geldstrafe von 2000 Euro verurteilt.

Am 28. April 2021 wollte die Angeklagte die Autopapiere für den Wagen ihres Freundes auf der Polizeiinspektion in Pirmasens abholen. Doch einer der Beamten hatte eine Anordnung über die Beschlagnahmung dieses Wagens vorliegen. In einem Büro hätten die Polizisten dann ihre Handtasche verlangt, gab die 69-Jährige über eine Dolmetscherin vor Gericht an. Auf ihre Frage nach dem Warum habe sie keine Antwort erhalten. Stattdessen hätten zwei Beamte ihre Arme schmerzhaft nach hinten und ihr Kinn auf einen Tisch gedrückt. Vor Schmerzen habe sie dann geschrien, ihre Fingernägel in den Arm eines Beamten gedrückt und die Polizisten beleidigt, hatte sie am ersten Verhandlungstag zugegeben. Einer habe dann ihre Handtasche weggenommen.

Polizeibeamte hatten ausgesagt, dass sie der Frau mehrfach erläutert hätten, dass es nur um die Autoschlüssel gehe. Und sie hätten ihr mehrfach angedroht, sie zu durchsuchen. Doch die Rentnerin habe ihre Handtasche fest an ihren Körper gedrückt. Deshalb hätten sie vermutet, dass die Schlüssel darin seien. Das waren sie auch, wie die Beamten schließlich feststellten. Die Polizisten waren davon überzeugt, dass die Frau sie verstanden hatte.

Die Rentnerin sollte ihrem Sohn einen Gefallen tun

Der Sohn der Angeklagten erzählte am Montag zu den Hintergründen: Der Freund seiner Mutter sei öfters betrunken und ohne Führerschein mit seinem Auto gefahren. Deshalb hätten sie den Mann überredet, dass sie sein Auto verkaufen dürfen. Dazu hätten sie aber den Fahrzeugbrief gebraucht. Er, der Sohn, habe ihn bei der Polizei abholen wollen. Weil er aber an dem Tag arbeiten musste, habe er seine Mutter gebeten, zur Polizei zu gehen. Abends habe sie ihm am Telefon einen Brief vorgelesen, mit dem Inhalt, dass das Auto beschlagnahmt sei. Er habe seiner Mutter die Bedeutung erklärt: „Das Auto gehört dem Mann nicht mehr“. Er habe dann auf der Dienststelle angerufen, sich für seine Mutter entschuldigt, und mitgeteilt, wo das Auto steht.

„Wegen einer guten Sache habe ich meine Mutter hingeschickt. Jetzt ist sie beschuldigt. Wahnsinn“, kommentierte der Sohn. Seit 20 Jahren erledige er alles Amtliche für sie. Sie sei „der amtlichen Sprache nicht mächtig“, erläuterte er. Seine Mutter habe definitiv nicht verstanden, was mit ihr auf der Polizei passiert. „Ein großes Schlamassel“, sagte er.

Verteidigung fordert Freispruch

Verteidiger Thomas Haberland kritisierte, dass die 69-Jährige „zum Gegenstand einer Maßnahme gemacht“ wurde, die eigentlich ihren Freund betraf. Gegen sie habe keine Anordnung vorgelegen. Und eine Beschlagnahme-Anordnung umfasse nicht auch eine Durchsuchung. Dafür sei eine Anordnung des Gerichts nötig. Deshalb hätten die Polizisten nicht rechtmäßig gehandelt. Folglich habe rechtlich kein „Widerstand“ vorgelegen. Außerdem habe es Kommunikationsprobleme gegeben. Das Ganze sei „überflüssig wie ein Kropf“ gewesen. Er plädierte auf Freispruch für seine Mandantin.

Die Richterin ging jedoch davon aus, dass die Beamten nach Polizeigesetz rechtmäßig handelten, als sie die Autoschlüssel von der Angeklagten verlangten, um dem rechtmäßigen Eigentümer, dem Land Rheinland-Pfalz, Gewalt über das Auto zu verschaffen. Eine Absicht zur Strafvereitelung sei ihr aber nicht nachzuweisen. Indem sie die Handtasche an ihre Brust drückte, habe sie gewusst, dass diese durchsucht werden sollte, folgerte das Gericht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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