Pirmasens „Gayle, du bist very deutsch geworden“
„Denglish“ nennt Gayle Tufts die Sprache, mit der sie in ihrer One-Woman-Show „Some like it heiß“, mit der sie am Donnerstag, 6. August, in der Alten Post in Pirmasens auftritt, Sprach- und Genregrenzen sprengt. „Denglish“, diese Mischung aus Deutsch und ihrer Muttersprache Englisch, benutzt Tufts, um Begebenheiten ins Absurd-komische zu überzeichnen. Und obwohl die gebürtige Amerikanerin seit Anfang der 90er Jahre in Deutschland lebt, ist ihr Blick auf dieses Land nach wie vor der einer Außenseiterin. Über „Denglish“ und ihr Leben in zwei Welten sprach die Autorin, Sängerin, Komödiantin und vor allem Entertainerin Gayle Tufts mit unserem Redakteur Christian Hanelt.
Mit dem Militär habe ich gar nichts zu tun – das hängt mit meiner politischen Einstellung zusammen, denn ich unterstütze keinen Krieg. Außerdem würden die dort mein „Denglish“ wohl gar nicht verstehen – die verstehen ja kaum Deutsch. Und wenn ich etwas über Angela Merkel sagen würde, würden die kaum wissen, wer das ist. So wäre es auch mit den vielen Bemerkungen, die ich über die kulturellen Unterschiede und über Deutschland mache. Was ich aber oft mache, sind Veranstaltungen wie jetzt gerade in New York, als ich vor der deutsch-amerikanischen Handelskammer gespielt habe, also vor Deutschen in Amerika, die halt auch irgendwo in dieser Welt dazwischen leben. Insoweit sehe ich mich als Brückenbauerin. Ist es tatsächlich so, dass Amerikaner so wenig über Deutschland wissen? Es ist wirklich unglaublich. Ich habe einmal in einer Universität in Florida – eine Universität wohlgemerkt – einen Vortrag gehalten vor durchschnittlich 19-jährigen Studenten. Dabei habe ich etwas über Berlin gesagt und die haben mich nur fragend angesehen. Wir denken, Berlin ist der hippste Ort der Welt für junge Leute – aber die haben keine Ahnung. Dabei waren das Deutsch-Studenten, die haben Deutsch studiert – aber eben nur die Sprache. Und ich habe gefragt, „Die Mauer?“ – da kam nichts; „der Kalte Krieg?“ – nichts. „Der Zweite Weltkrieg?“ – der hat ihnen etwas gesagt. „Und an was denken sie bei Deutschland?“ An Bier, Fußball und Heidi Klum. Wie deutsch sind Sie inzwischen? Nach 25 Jahren in Deutschland bin ich relativ deutsch geworden. Wenn ich in Amerika bin, höre ich immer eine deutsche Stimme in meinem Kopf, die mir solche Sachen sagt wie „die spinnen hier alle“ oder „das ist so dreckig in New York“. Ich warte inzwischen auch an der Ampel, was ich vorher nie gemacht habe. Wenn man in New York lebt, hat man keine Zeit, deshalb geht man, wenn kein Auto in Sicht ist. Ich sage mir dann „Gayle, du bist very deutsch geworden“. Sie haben einmal gesagt, die Deutschen jammern gerne und die Amerikaner sind grundlos optimistisch. Jammern sie auch schon? Ich habe lange in New York gewohnt und die Menschen dort jammern auch sehr gerne. Aber grundsätzlich bin ich doch optimistisch. Es gibt dieses „Yes we can“ von Obama, diesen Esprit, wir machen etwas, dieses vom Tellerwäscher zum Millionär. Heißt das, dass die Amerikaner vorwärtsgewandt, die Deutschen dagegen eher rückwärtsgewandt sind? Ich glaube, Ihr Deutsche habt einfach mehr Wurzeln – der Vater kommt aus Pirmasens, der Opa kommt aus Pirmasens, der Ur-Opa kommt aus Pirmasens und der Ur-Ur-Opa auch. In Amerika kauft man ein Haus und verkauft es wieder, findet man einen Job in Minneapolis, dann geht man halt nach Minneapolis. In Amerika wird man groß mit der Gewissheit, dass nichts von Dauer aber alles möglich ist. Inwieweit das wahr ist, ist etwas anderes. Und es gibt immer einen Schimmer Hoffnung – das sieht man in jedem Hollywood-Film und hört es in jedem romantischen Lied – selbst im Film „Titanic“ heißt es „my heart will go on“. Was hat Sie eigentlich nach Deutschland geführt? Ich habe zunächst nur Freunde besucht, die ich von der New York University kannte, wo ich auch studiert habe. Und dann war es die Arbeit, die mich nach Deutschland geführt hat. Ich sage immer ein bisschen ironisch, dass mich die Krankenversicherung angelockt hat, aber in gewissem Sinn war das wirklich so. Als Performerin in New York war ich zwar gut im Geschäft, aber in den USA müssen viele Menschen einen Nebenjob haben – ich war Kindergärtnerin –, um ein soziales Netz mit Krankenversicherung und Rente zu haben. Ich hatte in Berlin von einem Tanztheater einen Job angeboten bekommen. Eigentlich wollte ich das nur zwei Jahre machen. Aber zwei Jahre vergehen schnell und ich habe gedacht, bevor ich diese Sprache nicht gelernt habe, gehe ich nicht zurück. Und wie das Leben so spielt, habe ich dann meinen ersten musikalischen Partner kennengelernt, und schließlich auch meinen Mann. Außerdem hat mich das Publikum hier gehalten, denn wir hatten damals wirklich in einer Marktlücke unseren Platz gefunden – es gab Anfang der 90er Jahre nicht so viele Frauen, die gesungen haben und witzig sind. Damals gab es keine Anke Engelke, Barbara Schöneberger oder Carolin Kebekus. Kabarettistinnen spielten meistens die Putzfrauen, die auf herzlich gemacht haben, dann gab es Männer als Frauen verkleidet und es gab Ute Lemper – dazwischen war nichts. Und da habe ich gesagt „okay, dann mach ich das“. Haben Frauen einen anderen Humor als Männer? Der ist bei jedem Menschen anders, das ist nicht geschlechtsspezifisch. Ich würde mich auch nicht als Comedian bezeichnen – das ist nur ein Teil meiner Show. Im Grunde bin ich eine Entertainerin. Sie waren aber auch einige Zeit beim „Quatsch Comedy Club“. Das war sehr schön, aber es ist ein Männerclub. Man fährt durch die Gegend, steht auf klitzekleinen Bühnen, hat normalerweise keine Umkleide oder Garderobe und übernachtet in Hotels die alle „Deutsche Eiche“ heißen. Das ist für viele Frauen aber kein Lebensstil. Gibt es einen Unterschied, worüber der Amerikaner lacht und worüber der Deutsche lacht? Auch da gibt es keinen so großen Unterschied. Es gibt ja auch in Deutschland eine große Bandbreite von Comedy – man kann den türkischen Comedian sehen, man kann den schwulen Comedian sehen. In Amerika ist das wahrscheinlich noch breiter gestreut. Die Comedy, wie wir sie heute kennen, ist in Deutschland etwa 20 Jahre alt. In Amerika dagegen hat das schon in den 60er Jahren begonnen mit Leuten wie Woody Allen. Das Programm „Some like it heiß“ gibt es seit 2011. Was hat sich seitdem verändert? Ich bin immer noch ein bisschen in den Wechseljahren – sie sind zwar etwas abgeebbt, sind aber immer noch ein Thema. Allerdings geht es in dem Stück nicht nur um die Wechseljahre, es geht um die wechselnden Jahre – eigentlich um das Erwachsenwerden. Diese Wechseljahre sind wirklich ein Ding – es ist Pubertät mit Vernunft. Und das kann man wirklich nur mit Humor nehmen – diese Hitzewallungen und Schlafstörungen. Es war nicht immer eine witzige, aber eine sehr reiche Zeit, eine Zeit voller Gefühle. Und davon bringe ich etwas für ein paar Stunden auf die Bühne. Dazu gibt es noch ein paar schöne Balladen, so dass das Programm nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer ist. Wechseljahre als Thema ist ja fast schon ein Tabubruch. Ja. Das ist das eines der größten Tabus. Ich weiß auch nicht warum, denn wir sprechen heute über alles andere, über jede Form der Sexualität, über Transgender und das alles ist wunderbar. Wir können über Geburt und Tod reden. Aber über Wechseljahre?! Man denkt wohl, dann sind Frauen irgendwie außer Kontrolle, denkt an Sekt schlürfende Weiber, die wütend sind, schreien und dann irgendwann besoffen „Fever“ von Peggy Lee singen. Aber so ist das nicht. Wir probieren es in unserer Show mit Glammer – so wie immer bei mir.