Pirmasens Dorothee Wüsts Leben in der Wunderwelt der Theologie

Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst im Gespräch mit (v.li.) Andreas Ganter, Timo Konrad und Christian Hanelt von der Redaktion der
Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst im Gespräch mit (v.li.) Andreas Ganter, Timo Konrad und Christian Hanelt von der Redaktion der »Pirmasenser Rundschau«.

Dorothee Wüst ist eine waschechte Pirmasenserin. Aufgewachsen im Winzler Viertel steht sie seit März 2021 als Kirchenpräsidentin an der Spitze der Evangelischen Kirche der Pfalz. Beim Redaktionsbesuch erzählte sie von ihren Wurzeln, aber auch, warum die Zeit des „Rasenmähersparens“ vorbei ist.

Es gibt Fragen, die lassen sich nicht mit einem schlichten Ja oder Nein beantworten. Da ist es auch schon mal notwendig, Argumente genauer abzuwägen, um so zu einer vielleicht etwas komplexeren Antwort zu finden, die eine ausgewogene Sicht der Dinge wiedergibt. Der Umgang – nicht nur – der Kirchen – mit dem Corona-Krisenmodus, die Finanzlage der Kitas oder ihre ganz persönliche Meinung zu Waffenlieferungen in die Ukraine. Für Dorothee Wüst sind das Themen, zu denen sie sich eindeutig, aber nicht einsilbig positioniert.

So stellt sich die Kirchenpräsidentin dann auch im Redaktionsgespräch als nachdenkliche, ihre Wort wohl abwägende Frau vor, die insbesondere wenn es um die Frage der Waffenlieferungen auch nicht zögert, ihre innere Zerrissenheit zu offenbaren, denn egal, wie man sich in dieser Frage entscheidet, die Antwort ist für sie immer mit Schuld verbunden. Und doch sagt sie: „Ich kann damit leben“. Sicher nicht leicht für eine Christin.

Im Winzler Viertel aufgewachsen

Ihre „kirchliche Prägung“ hat Dorothee Wüst in ihrer Heimatstadt Pirmasens erhalten – hier, wo sie im Winzler Viertel aufgewachsen ist, in die Wittelsbachschule ging, in der ihr Vater damals als Lehrer unterrichtete, und wo sie in der Pauluskirchengemeinde, wo ihr Vater Presbyter war, als Kind erstmals Kirche erlebt hat. Hier hat sie den Kindergottesdienst besucht und das kirchliche Leben so kennengelernt, wie es zu dieser Zeit „normal“ war. „Das war keine übermäßige kirchliche Sozialisation.“ Prägender seien da eher die Jahre als Jugendliche gewesen, als sie mit 16 oder 17 Jahren zur Mathäuskirchengemeinde des damaligen Pfarrers Friedrich Knecht gestoßen ist. „Der hatte den Jugendlichen Raum gelassen, sich zu entfalten.“ Es war in der Kirchengemeinden damals noch nicht so leicht, Jugendlicher zu sein, aber auf dem Kirchberg ging das, erinnert sich Wüst. „Pfarrer Knecht war ganz unprätentiös und was er gepredigt hat, hatte Hand und Fuß. Er war eine ganz glaubwürdige Person. Und ich glaube, ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.“

Dass Dorothee Wüst dann nach dem Abitur am ehemaligen Altsprachlichen und heutigen Kant-Gymnasium Theologie studiert hat, war jedoch nicht vorgezeichnet, „war nicht absehbar – weder für mich noch für andere“. So hat Wüst nach dem Abitur zuerst Geschichte studiert , hat aber da schon bald gemerkt, „das ist nicht mein Weg“. Durch ihre kirchlichen Kontakte in Pirmasens, ist sie auf die Idee gekommen, es mit Theologie zu probieren – „weniger wegen des Berufsbildes Pfarrer, sondern weil das Studium für mich so viel hatte, was ich gerne mache: Geschichte, Latein, Griechisch und Kirchenmusik. Und mit all dem, war ich dann auch im Studium richtig gut unter. Es ist wirklich eine Gnade, so frei denken zu dürfen. Theologie ist wirklich eine ganz große Wunderwelt.“

Pirmasens auf einem „interessanten Zeitsprung“

Nach Pirmasens zurück ist Dorothee Wüst nicht mehr gekommen. Nur noch drei, vier Mal im Jahr ist sie privat hier, um sich um das Grab ihrer Eltern zu kümmern – erlebt Pirmasens also eher aus der Distanz. Und dabei sieht sie die Stadt auf einem „interessanten Zeitsprung“, der auch für die Kirche eine besondere Herausforderung darstellt.

Wüst weiß: Diese Stadt hatte lange keinen Mittelstand. Ein Problem, das heute noch in abgeschwächter Form existiert. Es gab das große Heer derer, die in den Fabriken gearbeitet haben und die, die davon profitierten. Diese Sozialstruktur, das Thema „arm/reich“, ist heute noch eine große Herausforderung auch für die Kirche – und das weiß die Kirche vor Ort auch, ist sich Wüst sicher. „Der Stadt war das Selbstbewusstsein völlig abhanden gekommen“, so die Kirchenpräsidentin, die inzwischen eine Kehrtwende zu erkennen glaubt. Als Beispiel nennt sie das Diakoniezentrum: „Ein Erfolgsprojekt, bei dem Großartiges geleistet worden ist“. Insoweit sieht Wüst Pirmasens auf dem richtigen Weg und nennt in diesem Zusammenhang den Pakt für Pirmasens als weiteres Stichwort.

Situation um die Kita-Finanzierung bedrückend

Hinter der Frage, wie es mit den Kitas in kirchlicher Trägerschaft weitergeht, steht auch für Wüst noch ein dickes Fragezeichen – vor allem mit Blick auf die Finanzierung. Dabei leisten die Kirchen hier einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. „Wenn sie für uns finanzierbar sind, sehe ich keinen Grund, nicht zu den Kitas zu stehen“, sagt Wüst, die die Situation aktuell als „bedrückend“ empfindet. Zumal mit dem „Rasenmähersparen“ Schluss ist – jetzt geht es bei den Finanzen ans Eingemachte und die Diskussionen darüber werden noch Jahre heftig weitergehen, mutmaßt sie.

Trotz des Sparzwangs wird für Wüst in der Kirche im Alltag viel geleistet und oft leider unterschätzt, weil es im Stillen stattfindet. Allein die Kreativität, die man während der Corona-Krise gezeigt hat, beeindruckt die Kirchenpräsidentin, die sicher ist, dass „diese Krise die Kirche flexibler gemacht hat“. Sicher sei man im Nachhinein immer schlauer, aber es sei gut gewesen, als Kirche die Priorität auf den Schutz des Lebens zu legen: „Ich hätte nicht in der Zeitung lesen wollen, dass der Gottesdienst in der Pauluskirche ein Superspreader war.“

Wüst weiß, dass die Kirche während der Pandemie Leute verloren hat – „aber das Pfalztheater hat das auch“. Doch „die Kirche ist lebendig und bunt“ und darauf, sagt Wüst, muss aufgebaut werden statt immer nur auf den Rückgang der Gottesdienstbesucher zu achten.

Nur noch selten ist Dorothee Wüst in ihrer Heimatstadt Pirmasens.
Nur noch selten ist Dorothee Wüst in ihrer Heimatstadt Pirmasens.
„Die Kirche ist lebendig und bunt“, sagt Dorothee Wüst.
»Die Kirche ist lebendig und bunt«, sagt Dorothee Wüst.
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