Zweibrücken Donkosaken singen Lieder aus der Ukraine

Ukrainische Melodien vom Don: Das Gesangsensemble um Maxim Kowalew in der Zweibrücker Alexanderkirche.
Ukrainische Melodien vom Don: Das Gesangsensemble um Maxim Kowalew in der Zweibrücker Alexanderkirche.

„Kalinka“ schlägt die Zuhörer in der Zweibrücker Alexanderskirche völlig in Bann. Die Maxim-Kowalew-Donkosaken werden immer schneller und unbändiger. Wie die Flut, deren Wellen sich am Felsen brechen. Dann holen sie die Sterne vom Himmel.

Der Glockenklang ist schon lange verweht, die getragene Sanftheit zersprungen. Die zweite Hälfte nach der Pause hat längst dem harmonischen Gleichklang abgeschworen. Jetzt ist die Atmosphäre vorwiegend rasanter, fordernder, mitreißender. „Dubinuschka“ schraubt sich immer höher und gipfelt in einem sich verzehrenden Klangbild. Das Volkslied aus Russland ist prädestiniert für den Vortrag durch die sieben Maxim-Kowalew-Donkosaken. Es ist Resonanzkörper für eine Begeisterung, die sie nach außen tragen. Ein Ventil für ihre Leidenschaft.

Die Sänger unter Dirigent Maxim Kowalew reisen mit den rund 60 Zuhörern im Gotteshaus quer durch geistliche Stücke, flotte russische, georgische oder ukrainische Volksweisen und ruhigere Vokalmusik. In der zweiten Hälfte ist das Akkordeon Begleiter der Sänger. Es schafft eine gemütliche Atmosphäre und lässt die Stimmen ein bisschen sanfter wirken.

Siebenfache Urkraft

Es ist erschütternd, was die Kosaken zu den Zuhörern transportieren. Ihre Stimmen haben eine wahnsinnige Kraft. Oft sind sie wie der Donner. Obwohl nur sieben Sänger vor dem Altar stehen, ist das Klangbild, wie bei „Auf viele Jahre“, energisch, kompromisslos und voll pulsierender Kraft. Die Stimmen preschen vor, Kowalew streckt die Arme aus und scheint den gesamten Raum umfassen zu wollen.

Es ist ein waberndes, intensives, lebendiges Klangbild, das die Sänger in die Kirche bringen. Die tut ihr übriges, um die Stimmen strahlen zu lassen: Die Akustik ist in der größten Kirche Zweibrückens perfekt. So fließen die Stimmen durch den Raum, scheinen sich jeden noch so kleinen Zentimeter zu erobern. Bei „Katjuscha“ oder „Marusja“ findet man in die Lieder eingeflochtene Schreie.

Die können echt was.

Schnitt, großer Schritt zurück. Wir „beamen“ uns mal schnell in die Zeit vor der Pause. In diesem Konzertteil geht es um einiges ruhiger und unaufgeregter zu. Zu diesem Zeitpunkt denkt man als Zuhörer: Die können echt was – aber viele Lieder waren doch sehr ruhig.

Das hat auch Vorteile: Gerade bei den ruhigen Stücken kommt der oft akkordähnliche Hintergrundgesang zum Vorschein. Oft trägt ein Sänger die Melodie, während die anderen im Hintergrund ein idyllisches Fließen erzeugen. Bei den oft gesungenen „Abendglocken“ imitieren die Hintergrundsänger sogar die Glocken. Und plötzlich stimmen alle mit ein und das Lied wird aus seinem Winterschlaf geholt.

Ehrfurcht vor dem heimgesuchten Volk

In ihren Liedinterpretationen schwingt so vieles mit. Da ist geradlinige Disziplin, die dafür gesorgt hat, dass sie sich die Stücke in dieser Form zu Eigen machen konnten. Da sind lautes Frohlocken und ganz viel Ehrfurcht.

Ehrfurcht auch vor dem bekriegten Volk: Obwohl Maxim Kowalew russische Wurzeln hat, flechten er und seine Kosaken immer wieder ukrainische Volksweisen mit ein. Eine schöne Geste. Denn man muss zugeben, dass man seit Putins Angriffskrieg auf die Ukraine russische Künstler unwillkürlich mit anderen Augen sieht. Nicht unbedingt mit schlechteren – aber mit hinterfragenden. Ob es okay und richtig ist, russische Künstler einzuladen.

Die Sterne vom Himmel

Die Donkosaken aber sind Künstler und singen ukrainische Lieder. Ob diese Tatsache und die Kunst über dem Schrecken Putins steht, muss jeder für sich selbst beantworten. Aufgewachsen ist Maxim Kowalew übrigens im polnischen Danzig; sein Vater stammt aus Russland, seine Mutter ist gebürtige Deutsche.

Zurück zur Musik: Bachs „Ave Maria“ ist ruhig und bedächtig. Das Lied schimmert in Harmonie und schafft ein klangliches Treiben. Am Ende holen die Musiker noch die Sterne vom Himmel – zumindest, wenn es nach dem Lied „Guten Abend, gut’ Nacht“ geht.

In der Vertonung von Johannes Brahms ist das Gedicht zu einem der bekanntesten Schlaflieder geworden. Vor dem Schlafengehen muss man sich aber erst mal aufwärmen. In der Kirche war es leider bitterkalt; das trübte den Konzertgenuss. Vielleicht tut’s ja ein Glühwein daheim.

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