Pirmasens „Die klassische Musik ist so vielfältig“

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Für ihr Sinfoniekonzert am Donnerstag, 30. März, 20 Uhr, in der Pirmasenser Festhalle hat sich die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Leitung von Nabil Shehata mit einem Pianisten verstärkt, der zu den vielen herausragenden jungen deutschen Musikern gehört, die – man denke auch an drei Geschwister Steckel – in den letzten Jahren die Konzertbühnen erobern. Frank Dupree, Pianist, Dirigent, Moderator und Jazzmusiker gleichermaßen, ist in dieser Spielzeit der Artist in Residence der Staatsphilharmonie und gibt als solcher zwölf Konzerte mit dem Ensemble – unter anderem das in Pirmasens. ein Sinfoniekonzert gibt. Mit dem 25-jährigen Rastatter sprach Christian Hanelt.

Sie sind in dieser Spielzeit Artist in Residence der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Was bedeutet das für Sie und welche Möglichkeiten eröffnen sich dadurch?

Es ist eine sehr große Ehre für mich, Artist in Residence zu sein, besonders nach meinen beiden namhaften Vorgängern, dem Trompeter Reinhold Friedrich und dem Violinisten Pinchas Zukerman. Die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz ist ein hervorragendes Orchester, das schon mit großen Persönlichkeiten zusammengearbeitet hat und ich bin froh, gerade von dieser Erfahrung profitieren zu dürfen. Die Residency ermöglicht mir, viele neue Ideen auszuprobieren, Programme zu gestalten, etwas Neues zu wagen und das alles auf höchstem Niveau umzusetzen. Ein großer Spielplatz für alle Beteiligten. Was ist das Besondere an diesem Orchester? Die Flexibilität. Man kann in einem Programm Mozart spielen und in der nächsten Sekunde erklingt dann die „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin. Ob Romantik, ob Moderne – das Orchester ist mit allen Wassern gewaschen. Gerade in dieser Saison ist das Repertoire-Spektrum breit gefächert. Unter welchen Gesichtspunkten haben Sie das Programm des Pirmasenser Konzerts zusammengestellt? Im Konzert in Pirmasens bin ich ausschließlich Klaviersolist. Ich wurde vom Intendanten des Orchesters, Michael Kaufmann, gebeten, Tschaikowskis berühmtes Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll zu spielen. Dieses einst für unspielbar bezeichnete Meisterwerk begleitet mich in meinem Leben von allen Klavierkonzerten am längsten, da ich es mit 13 Jahren zum ersten Mal mit Orchester gespielt hatte und ich es bis heute regelmäßig immer wieder gern aufführe. Gibt es ein Stück, das für Sie eine ganz spezielle Herausforderung darstellt? Tschaikowski ist nicht das leichteste Klavierkonzert. Es gibt wahnsinnig virtuose Stellen, mit denen jeder Pianist zu kämpfen hat, und dennoch ist es mit so viel Lyrik und wunderschönen, ruhigen Stellen durchsetzt. Jedes Mal, wenn ich dieses Stück spiele, stellt es erneut eine große Herausforderung für mich dar. Es bleibt immer aufregend. Sind Sie schon einmal an einem Stück gescheitert? Nein. Sie haben schon in vielen großen Städten und Sälen gespielt. Nun kommen sie in die sogenannte Provinz. Inwieweit ist es für Sie ein Unterschied, in der Pirmasenser Festhalle oder in einem der großen Häuser zu spielen? Musik ist es wert, sie überall zu spielen und für jeden hörbar zu machen, egal, ob Pirmasens oder Paris! Vor kurzem war ich in Neuseeland, quasi auf der anderen Seite der Welt, und habe auch dort Tschaikowski gespielt. Egal wo auf der Welt, es ist unsere Pflicht als Künstler, dem Publikum überall auf höchster musikalischer Ebene zu begegnen. Unterscheidet sich das Publikum in kleineren Städten von dem in, mit Kultur verwöhnten Metropolen? Ich selbst bin in einer Kleinstadt aufgewachsen und mir ist diese Mentalität besonders hier im Südwesten lieb und vertraut. Ich habe das Gefühl, dass, wenn ich in einer kleineren Stadt auftrete, die Menschen mit offenem Herzen und kräftigem Applaus auf die Musik reagieren. 2014 wurden Sie Sieger beim Deutschen Musikwettbewerb. Welche Bedeutung hatte dieser Preis für Ihre weitere Karriere? Der Preis beim Deutschen Musikwettbewerb war ein starker Wendepunkt in meiner Karriere. Es folgten 40 Solo- und Kammermusikkonzerte in ganz Deutschland, ich durfte meine Debüt-CD beim Label Genuin aufnehmen und ich wurde von vielen Orchestern als Solist eingeladen. Dadurch ist mein Name auch über die Landesgrenzen hinweg bekannter geworden. Ich bin mir sicher, dass ich ohne den Wettbewerb nicht da wäre, wo ich heute bin. Sie werden als Star der jungen Generation gefeiert. Das ist sicher eine große Ehre. Erzeugt das aber nicht auch großen Druck? Es ist viel mehr ein Ansporn, immer weiter zu machen und besser zu werden. Ich habe einfach große Lust, Musik zu machen. Die Bühne ist mein Zuhause. Mit Mitte 20 spielen oder dirigieren Sie in der Regel mit Musikern, die viele Jahre älter sind. Müssen Sie sich bei diesen erfahrenen Kollegen immer wieder die Wertschätzung neu erarbeiten? Das muss ich immer wieder tun. Das hat allerdings nichts mit dem Alter zu tun, weder bei meinen Kollegen, noch bei mir. Es geht in erster Linie darum, die beste Qualität zu bringen und konzentriert an die Musik heranzutreten. Sie haben als Jugendlicher Schlagzeug gespielt. Wer oder was hat Sie inspiriert, dann eine musikalische Karriere als Pianist anzustreben? In meiner Kindheit und Jugend habe ich die unterschiedlichsten Musikformen ausprobiert – von afrikanischer Trommelmusik bis hin zu modernen Kompositionen von Stockhausen. Ich habe komponiert, verschiedene Instrumente gespielt und dirigiert. Ich wollte immer schon die Musik aus verschiedenen Perspektiven erleben. Auch wenn ich heute Klavier spiele, spiele ich nicht nur das Instrument an sich, sondern ich versuche, die Klangfarben des Orchesters auf das Klavier zu übertragen. Die klassische Musik ist so vielfältig. Sie bereichert sich auch aus anderen Musikrichtungen. Auf jeden Fall hat mir das Schlagzeugspielen nicht geschadet, im Gegenteil. Sie haben gesagt, „In Beethoven steckt viel Jazz“. Wie haben Sie das gemeint und welche Verbindungen gibt es zwischen Klassik und Jazz? Für mich hat die Klassik einen unglaublichen Groove, einen rhythmischen Zug, wie man das auch aus der Jazzmusik kennt. Gerade Beethoven hat (zufälligerweise) die Elemente, die den Jazz ausmachen, schon in seinen Klaviersonaten vorweggenommen. Es gibt Synkopen, Akzente auf den Offbeats und sogar der Swing-Rhythmus ist zu finden. Letztendlich zählt für mich die Spielfreude, egal in welchem Genre ich mich befinde. Sie sind auch im Jazz zuhause. Was sind da Ihre Favoriten? Der Jazz ist für mich wie ein Hobby. Wenn ich genug habe von Beethoven und Co, dann fange ich an Jazz zu spielen. In meiner Freizeit höre ich viel Jazz, um den Kopf frei zu bekommen. Meine Lieblingspianisten sind Art Tatum und Oscar Peterson – die sind einfach genial. Ich habe den Eindruck, viele Ihrer Kollegen haben Berührungsängste mit anderen Musikstilen? Ich empfinde es so, dass gerade meine Generation sehr offen für die verschiedenen Musikstile ist. Auch die heutigen Orchester bleiben nicht nur in der „Schublade Klassik“. Wir alle versuchen, immer mehr Brücken zu bauen. Steckt in Ihren Augen die „klassische Musik“ noch immer im Elfenbeinturm der sogenannten Ernsten Musik und erzeugt deshalb auch beim Publikum Berührungsängste? Vor wenigen Jahren hat man am Klavier sogar noch auf Elfenbeintasten gespielt. Auch diese gibt es zum Glück nicht mehr. Was den Elfenbeinturm angeht, so sind wir dabei, die Türen des Turms zu öffnen und diesen für jedermann zugänglich zu machen. Das erfordert Kreativität, Weitblick und vor allem Mut. Es scheint, als seien in den letzten Jahren immer mehr junge Musiker in der klassischen Musik überaus erfolgreich. Beobachten Sie auch eine entsprechende Verjüngung des Publikums? Laut einer Studie der Media School in Hamburg ist es für junge Leute sogar wieder angesagt, klassische Musik zu hören. Jeder Sechste aller Twens hört gern klassische Musik. Insofern bin ich zuversichtlich! Wie definieren Sie Erfolg? Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt und ich kann sie immer noch nicht beantworten. Wenn ich es beschreiben müsste, bedeutet Erfolg für mich, immer weiter zu gehen, nie stehen zu bleiben, das nächste Ziel zu erreichen. Wichtig dabei ist auch die Liebe zu dem, was man tut, zu bewahren und das Feuer am Brennen zu halten. In meinem Fall ist das die Musik. Bitte nennen Sie drei Gründe, in das Konzert nach Pirmasens zu kommen. Nummer eins: Lieber Tschaikowski als „Germany next Topmodel“; Nummer zwei: Sie werden ein toll zusammengestelltes Konzertprogramm mit dem Dirigenten Nabil Shehata und der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz erleben. Das ist eigentlich Grund genug, oder?; Nummer drei: Und es gibt vielleicht eine kleine Zugabe, die Sie mit Sicherheit nicht erwarten würden. Programm —Tschaikowski: Slawischer Marsch b-Moll, op. 31. —Tschaikowski: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll, op. 23 —Rimski-Korsakow: Sheherazade. op. 35 Karten Eintrittskarten für das Konzert am Donnerstag gibt es zu Preisen zwischen elf und 22 (ermäßigt jeweils die Hälfte) Euro im Pirmasenser Kulturamt, Telefon 06331/842352. Die Abendkasse in der Festhalle ist ab 19 Uhr geöffnet. Staatsphilharmonie Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, beheimatet in Ludwigshafen, wurde 2015 mit dem Echo in der Sparte „Orchester des Jahres“ ausgezeichnet. In Pirmasens wird das Orchester von Nabil Shehata geleitet. |han

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