Pirmasens „Das hat einen totalen Ohrwurmcharakter“

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Mit der „Misa a Buenos Aires“ des argentinischen Komponisten Martín Palmeri kommt der Junge Kammerchor des Immanuel-Kant-Gymnasiums, unterstützt von den Solistinnen Svenja Hinzmann, Sopran, Maren Kallenberg, Klavier, Marlène Clément, Bandoneon und Streichquartett ab 19 Uhr in die Pirmasenser Festhalle. Die Leitung hat Volker Christ. Mit ihm unterhielt sich unser Mitarbeiter Fred G. Schütz über die musikalischen Herausforderungen einer Tango-Messe und die manchmal glücklichen Fügungen bei der Suche nach neuen Werken und guten Musikern.

Wie sind Sie auf dieses Werk gekommen?

Ich beschäftige mich immer sehr lange und intensiv mit der Repertoire-Auswahl und müsste eigentlich jetzt schon wieder viel intensiver dran sein fürs nächste Jahr. Dieses Mal war es wieder der Wunsch, ein zyklisches Werk zu machen. Dann hat mir eine Kollegin von früher, eine Geigerin, erzählt, sie habe gerade eine Tango-Messe gespielt. Die sei so toll gewesen, ob ich die kenne. Kannte ich nicht, aber ich hab“s gegoogelt. Das war aber ein Werk für großes Orchester. Bei der Gelegenheit habe ich dann aber die Tango-Messe von Martin Palmeri gefunden, hab mir das angehört und gedacht, das wäre was für uns. Also mal wieder totaler Zufall. Was war so reizvoll an dem Werk? Der Stilmix hat den Reiz ausgemacht. Es ist ja eine gängige Messe-Vertonung nicht das, was uns normalerweise besonders nahe liegt, aber jetzt hat das ganz gut funktioniert. Der Chor singt das sehr gerne, obwohl es vom Chorsatz her eher klassisch angehaucht ist. Es gibt sogar zwei große Chor-Fugen in Anlehnung an die barocken Vorbilder wie Bach. Die große Besonderheit ist aber, dass etwas eigentlich komplett ungeistliches wie der Tango, der ja auch etwas Erotisches, Verruchtes an sich hat, hier mit der Ordinariums-Vertonung der katholischen Messeverquickt wird. Der Kant-Kammerchor ist ja mittlerweile an rhythmisch anspruchsvollere Werke gewöhnt, ein Tango ist dann aber doch noch mal eine andere Nummer, oder? Die Tango-Rhythmen liegen weniger beim Chor. Der Chor ist eher Träger des geistlichen Textes, der Tango-Rhythmus liegt eher bei den Instrumenten. Wobei der Chor anfangs eher mit den Harmonien ein bisschen zu ringen hatte, etwa den Vorhalten bei einem Moll-Akkord, der sich nicht über den Grundton, sondern die None aufbaut. Die Reibungen kommen sozusagen freihändig rein, und das ist schwer. Das Tango-typische kommt von den Instrumenten, ganz besonders natürlich vom Bandoneon. Bandoneon-Spieler gibt es nun ja nicht gerade an jeder Ecke…? Das Stück ist für Mezzo-Sopran, gemischten Chor, Bandoneon, Piano und Streichorchester geschrieben. Und weil unglücklicherweise mein Freund und Kollege Maurice Croissant an diesem Wochenende verhindert ist, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Jedenfalls hatte ich wieder Glück und hab zwei Damen gefunden, die auf Tango und Bandoneon spezialisiert sind. Die Pianistin heißt Maren Kallenberg und Marlène Clémont spielt Bandoneon. Die beiden haben dieses Stück auch schon in unterschiedlichsten Besetzungen gespielt, weil sie den Komponisten persönlich kennen. Die sind regelmäßig in Argentinien und bringen die neusten Sachen mit, ich sitze hier also ein bisschen an der Quelle. Wie ist das Orchester besetzt? Ganz konventionell als Streichquartett, was ich sehr gut finde. Das Orchester stammt aus Heidelberg und hat letztes Jahr beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ mitgemacht. Da sind Ihre alten Verbindungen nach Heidelberg? In dem Falle sind es eher familiäre, denn meine Tochter spielt da mit. Wie hat Ihr Chor auf die Werkauswahl reagiert? Es war eine willkommene Abwechslung. Wir haben ja viel Chilcott gemacht, mit Pop und Jazz und meist hochklassiger Lyrik verbunden. Jetzt ist es mal etwas richtig Geistliches. Wobei, wir haben ja auch die Johannespassion gemacht. Aber so eine Messe haben wir noch nie gesungen. Die mögen das sehr, das hat einen totalen Ohrwurmcharakter, das verfolgt einem dann tagelang. Was zeichnet das Werk sonst noch aus? Die Emotionalität des Messetextes, von tiefer Trauer bis hin zu ausgelassenem Jubel, Anflehen, tiefste Depression. Und das wird durch den südamerikanischen Tango noch mehr verstärkt. Zudem hat wahrscheinlich kaum jemand das Werk schon mal gehört. Ich hoffe, dass das eindrucksvoll wird. Was haben wir noch zu erwarten? Die Messe selbst ist nicht allzu lang, so dass unsere Tango-Experten aus Essen noch zwei Bonus-Stücke bringen werden. Die werden vorweg ein Duett spielen und mit den Streichern zusammen ein weiteres Instrumentalstück. Ist derzeit irgendein Register im Chor unterbesetzt? Im Alt habe ich gerade einen kleinen Schwund, weil einige Alumni, die uns sonst immer die Treue halten, dieses Mal aus den verschiedensten Gründen leider verhindert sind. Aber ansonsten ist das sehr ausgewogen. Super sind die Männerstimmen, was ja sonst allerorten Anlass zum Jammern gibt, da kann ich nicht drüber klagen. Wir sind gut besetzt. Wie groß ist der Chor augenblicklich? So um die 40, der jüngste ist in der achten Klasse, dann geht das bis Klasse dreizehn und es sind noch ein paar Lehrer und ein paar Alumni dabei, was mir ganz besonders wichtig ist, dass wir den Kontakt halten. Und das sind wieder die Früchte der Singklassen, oder? Ja, das kann man ganz klar beobachten. Die intensive Arbeit bei den Kleinen führt dazu, dass das Singen eine Selbstverständlichkeit bekommt, so dass die Chöre einen guten Nachwuchs haben. Der Pubertätsfaktor ist trotzdem vorhanden, beim Übergang von Klasse sieben zu Klasse acht, da wollen nicht alle weitermachen. Es ist aber ganz oft so, dass sie dann später wieder dazu kommen. Das hier ist aber der Kammerchor, und das sind diejenigen, die auch bereit sind, sich noch ein bisschen mehr zu engagieren, es gibt ja doch die ein andere zusätzliche Samstagsprobe. Ein paar Extra-Termine muss man für so eine Produktion schon einplanen. Regulär proben wir immer freitags nach der Schule für anderthalb Stunden. Sie haben ja immer nur eine Aufführung, was gemessen am Probenaufwand sehr schade ist, oder? Ich arbeite dran und gebe die Hoffnung nie auf. Das Schwierige ist, dass ich nie weiß, was ich in einem halben Jahr für einen Chor habe. Das hat aber bisher immer sehr gut geklappt. Im Herbst haben wir aber noch einen Auftritt in Vinningen in der Alten Kirche, da werden wir etwas aus unserem bereits aufgeführten Programm singen.

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