Pirmasens Blankes Entsetzen

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Häuser in Flammen, qualmende Flugzeugtrümmer, Menschen in Panik, ein Toter, mehrere Verletzte – am 7. Januar 1986 herrschte kein Krieg, für die Einwohner des Zweibrücker Vororts Rimschweilers fühlte es sich aber so an. Bis kurz vor 15 Uhr war es ein ganz normaler Dienstag. Dann rasten zwei Kampfflugzeuge der US-Airforce bei einem Übungsflug ineinander und stürzten ab. Teile einer zerstörten Maschine schlugen im Garten des Hauses der Familie Pirmann in der Ortsmitte ein. Der 60-jährige Ernst Pirmann wurde dabei getötet. Auch einer der Piloten kam ums Leben.

Das Unglück jährt sich heute zum 30. Mal. Es hat sich ins Gedächtnis der Rimschweilerer gebrannt. Alle, die damals schon dort wohnten, wissen, wo sie gerade waren und was sie machten, als der ohrenbetäubende Knall sie aus ihren Alltagsgedanken riss und brennende Wrackteile vom Himmel fielen. Die zweite beteiligte Maschine kam in der Nähe des Alsterhofes bei Rimschweiler herunter, im freien Feld, so dass es keine weiteren Toten und Verletzten gab. In der Ortsmitte aber herrschten Ausnahmezustand und blankes Entsetzen. Die Katastrophe, vor der Gegner der Übungs-Militärflüge immer gewarnt hatten, war eingetreten: Ein Flugzeug war mitten in ein dicht bewohntes Gebiet gestürzt. Wie sich später rekonstruieren ließ, waren die zwei Düsenkampfflugzeuge vom Typ Eagle F 15 des 36. Taktischen Kampfgeschwaders der US-Luftwaffe auf dem Flugplatz Bitburg zu einem Routineflug aufgebrochen, bei dem sie einen Luftkampf simulierten. Augenzeugen berichteten, die Maschinen seien aufeinander zugerast, dann sei eine steil nach unten getrudelt, während das zweite Flugzeug – eine Rauchfahne hinter sich herziehend – sich in Richtung Südosten entfernte. Weitere Beobachter sahen, wie zwei Fallschirme zu Boden schwebten. Einer der Piloten, Rudolph U. Zuberbuhler, konnte unversehrt auf dem Zweibrücker Flughafen landen. Craig Dean Lovelady (29) verfing sich am Stausteiner Hof zwischen Vinningen und Bottenbach in einem Baum und erlitt tödliche Verletzungen. Im Ortskern von Rimschweiler versuchte unterdessen der Katastrophenstab der Stadt, Herr der Lage zu werden. Erstmals handelte es sich für Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte um keine Übung. Drei Häuser brannten, aus den Wrackteilen war Kerosin ausgelaufen, es bestand Brand- und Explosionsgefahr. Der Kommandeur des US-Flughafens Zweibrücken, Raymond Healy, versicherte zwar, dass die Jagdbomber keine scharfe Munition an Bord hatten. Dennoch sollten die Rimschweilerer im Umkreis von 500 Metern um die Unglücksstelle evakuiert werden. Manche leisteten der Aufforderung Folge und wurden vorübergehend in der Schillerschule untergebracht. Ein Großteil der Bevölkerung jedoch weigerte sich, wegzugehen beziehungsweise kam direkt zurück, nachdem die Brände an den Gebäuden gelöscht waren. Dass die Einwohner nicht weg wollten, hatte größtenteils mit der Sorge um Angehörige und Bekannte zu tun. Handys gab es noch nicht, man war auf das Telefon und Informationen vor Ort angewiesen. Außerdem wollten die Bürger etwas tun, Hilfe leisten. Einige traten mit Handfeuerlöschern den Flammen entgegen. Eine Frau kümmerte sich bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes um ihre Nachbarin, die durch herumfliegende Wrackteile verletzt worden war. Andere beteiligten sich an der Suche nach zwei vermissten Kindern, die erst gegen 19.30 Uhr gefunden wurden – am Unfallort, unter den Schaulustigen. Rund 180 Helfer von Rotem Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Feuerwehr und US-Armee eilten herbei, das Technische Hilfswerk errichtete eine Bereitschaft im Rathaus der Stadt. Anton Hans, damals DRK-Kreisgeschäftsführer, räumte ein, dass der Ernstfall zwar hundertmal geprobt worden war, man aber die Angst der Menschen nach so einem Unglück unterschätzt habe. Nicht alle Anrufer waren bei der eilig eingerichteten Telefonnummer gleich durchgekommen, unter der Angehörige sich nach ihren Verwandten erkundigen konnten. Der ASB schlug ein Zelt für die Einsatzkräfte vor Ort auf, gab Suppe und Getränke aus und brachte drei Rimschweilerer ins Krankenhaus. Zwei Augenzeugen standen unter Schock, ein dritter Beobachter hatte vor Aufregung einen Herzinfarkt erlitten. Am Tag nach dem Unglück begannen US-Soldaten um 6 Uhr mit dem Bergen der Trümmer. Die Feuerwehr hatte die ganze Nacht Wache gehalten. Eine Untersuchungskommission der Airforce mit Experten von US-Stützpunkten in Holland, England und Bitburg war angerückt. Die Bergungsarbeiten gestalteten sich schwierig bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Tagsüber herrschte Tauwetter, nachts Frost. Hinter dem Pirmannschen Anwesen, in dem sich auch die Gaststätte „Zur Pfalz“ befand, hatte sich ein Wrackteil acht Meter tief in den Boden gebohrt. Lehm, Schlamm, Lösch- und Grundwasser wirkten wie ein Sog; der Versuch, das Trümmerteil mit einem Kran herauszuziehen, schlug fehl. Es musste schließlich ausgebaggert werden. Feldjäger aus der Niederauerbach-Kaserne hatten die Unfallstelle zum Sperrgebiet erklärt und bewachten diese. Die Untersuchungen ergaben, dass menschliches Versagen zu dem Unglück geführt hatte. Am 17. Januar meldete die RHEINPFALZ, dass die Kegelbahn hinter der Gaststätte „Zur Pfalz“ abgerissen worden war und nun das kerosinverseuchte Erdreich ausgetauscht werde. Alle Betroffenen seien in Ersatzwohnungen in Rimschweiler untergebracht. Für die Renovierung der Häuser war das Amt für Verteidigungslasten in Koblenz zuständig. Nach dem Absturz in Rimschweiler setzte eine neue, heftigere politische Diskussion zu Tiefflügen über bewohnten Gebieten ein. Der Kommandeur des Jagdbombergeschwaders Bitburg, George Muellner, hatte zwar von einem „äußerst ungewöhnlichen Zwischenfall“ gesprochen. Tatsächlich aber waren solche Abstürze gar nicht so ungewöhnlich. Im Frühjahr 1985 war ein Militärflugzeug bei Krähenberg abgestürzt, im November 1985 eins bei Waldfischbach. Am 16. Januar 1986, fünf Tage nach der Beerdigung von Ernst Pirmann, stürzte eine US-Militärmaschine bei einem Übungsflug am Messersbacherhof im Donnersbergkreis ab.

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