Pirmasens „Wir müssen die Jüngeren ernst nehmen“

Herr Anders, Sie singen auf Deutsch, im Mai waren Sie zum ersten Mal solo in Deutschland auf Tournee. War die Zeit reif, sich neu zu erfinden?

Ich würde nicht sagen, dass ich mich neu erfunden habe. Ich bin immer noch Musiker und nicht plötzlich Theaterschauspieler. Lediglich die Sprache meiner Songs hat sich geändert. Aber ist das nicht musikalisch ein großer Schritt? Das stimmt. Es gibt diesen deutschen Satz „Den Mutigen gehört die Welt“, den ich ganz wichtig finde. Denn, wenn man nichts tut, dann kann man auch nichts verändern. Leider gibt es in unserer Gesellschaft zu viele, die sich zwar über etwas beschweren, aber nicht den Mut besitzen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dabei sollte jeder selbst die Initiative ergreifen, wenn ihm der Ist-Zustand nicht gefällt. Dann singen Sie jetzt auf Deutsch, weil Sie unzufrieden waren? Ich doch nicht. Aber ich möchte lieber agieren statt reagieren. Ich möchte bestimmen, wo es hingeht. Ich möchte meine Lebenserfahrung nutzen und vorausschauend planen, damit mein Weg dort endet, wo ich es möchte. Sie sagten gerade, es gebe in unserer Gesellschaft viele, die meckern, aber nichts tun. Wen meinen Sie? Am Stammtisch gibt es immer die besten Politiker und den besten Bundestrainer. Im digitalen Zeitalter finden diese Stammtischgespräche in den sozialen Netzwerken statt mit einem nicht aufzuhaltenden Verbreitungsgrad. Und jeder – ich sage das jetzt mal ganz provokant – Unwissende kann seinen Senf dazugeben. Das ist eine Herausforderung für die Politiker, die darauf nicht gut vorbereitet sind. Hinzu kommt, dass viele von ihnen gar nicht wissen, wie mit digitalen Medien umzugehen ist. Was unterstellen Sie ihnen? Der Youtuber Rezo hat unsere beiden großen Parteien so auf dem linken Fuß erwischt, dass sie sogar falsch darauf reagiert haben. Oder lesen sie das gefachsimpelte Getwittere einiger Politiker, das Otto Normalverbraucher gar nicht versteht. Die Politiker haben verlernt, die Sprache des Volkes zu verstehen und sich in der Sprache des Volkes mitzuteilen. Und bewirken dadurch vor allem eine Entfremdung der jungen Wähler ... Ich finde, wir Älteren müssen den Jüngeren mehr vertrauen, sie ernst nehmen. Wie sollen diese Generationen lernen zu führen, wenn wir ihnen keine Flügel geben? Wenn unsere alteingesessenen Politiker behaupten, sie wüssten es besser, die Spaßjugend von heute hätte keine Erfahrung? Bei der Europawahl wurde ganz klar, dass das nicht nur eine Spaßjugend ist. Da hat es endlich einmal einen Ruck gegeben. Stichwort ernst nehmen: Damit hatten Sie als Jugendlicher kein Problem. Ihr Wunsch, Musiker zu werden, fand schon früh Gehör. Als Kind strahlte ich vor allem diesen Niedlichkeitseffekt aus. Meine Eltern haben meinen Berufswunsch aber nie zu ernst genommen. Für sie kam das Abitur immer an erster Stelle. Die Songs auf Ihren Alben „Pures Leben“ und „Ewig mit dir“ sind durchweg positiv und lebensbejahend. Woher kommt ihr Optimismus? Das hat mich das Leben gelehrt. Wenn ich die Dinge positiv betrachte, lebt es sich leichter. Was war ein solcher Punkt? Nachdem „Modern Talking“ sich 1987 zum ersten Mal getrennt hatte, saß ich zu Hause vor meinem Kamin und fragte mich: „Mensch, ich bin gerade 24 Jahre, und das soll es jetzt gewesen sein?“ Irgendwann aber wurde mir klar, dass ich mit dem Ende von „Modern Talking“ ja nicht meine Stimme und meine Ausstrahlung verloren habe. Also habe ich daran gearbeitet und einen neuen Lebensabschnitt begonnen. Bis sich Ihr Erfolg mit „Modern Talking“ wiederholte. Würden Sie Ihre Hand dafür ins Feuer legen, dass Sie kein drittes Mal zusammen mit Dieter Bohlen auf der Bühne stehen? Ach, die Hand ins Feuer zu legen, damit sollte man immer vorsichtig sein. Aber die Chancen für ein Comeback stehen schlecht: Zu 99,9 Prozent wird das nicht passieren. Und was passiert beim Rheinland-Pfalz-Tag auf der Bühne? Es wird ein verknapptes Konzert meiner Deutschland-Tournee geben. Ich singe meine deutschen Songs und natürlich die Klassiker von „Modern Talking“. Ich freue mich wirklich sehr darauf. Termin Thomas Anders tritt mit seiner Band beim Rheinland-Pfalz-Tag am Samstag, 29. Juni, 21.30 Uhr, auf der SWR-Bühne auf dem Wasgau-Parkplatz auf. Der Eintritt ist frei. | Interview: Barbara Swojanowsky

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