Pirmasens „Wenn nichts geregelt ist, greifen Standards“

Hermann Schulze
Hermann Schulze

„Ja, Herr Doktor, Sie dürfen.“ Dem behandelten Arzt dieses rechtsverbindliche Einverständnis zu geben oder eben zu verwehren, darum geht es bei der Patientenverfügung. Wer Vertrauen zur Medizin hat und sich mit seinen Angehörigen über dieses Thema sowieso schon ausgetauscht hat, braucht nicht zwingend ein Formular, betont Hermann Schulze, der seit vergangenem Oktober Bewohner der AWO-Seniorenhäuser „Johanna Stein“ in Pirmasens und das Zweibrücker Haus am Rosengarten berät. RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Christiane Magin sprach mit dem Mann, der einen Beitrag zu einer besseren Sterbekultur leisten will. Damit betreibt er Pionierarbeit, denn sein Beratungsmodell findet man selten.

Warum gibt es eine Patientenverfügung?

Es ist jedem Menschen freigestellt, über seinen Körper zu entscheiden. Solange er einen freien Willen hat, ist das auch überhaupt kein Problem. Wenn aber jemand irgendwann einmal nicht mehr einsichts- und einwilligungsfähig ist, wie es juristisch heißt, muss klar sein, wie ein Arzt verfahren darf. Ein Patient muss ja zustimmen, damit ein Arzt ihn überhaupt berühren darf – und wenn es nur ums Blutdruckmessen geht. Wenn nichts geregelt ist, greifen Standards. Was nutzt eine Patientenverfügung? Im Grunde schaltet man genau diese Standards aus. Dazu ist eine beweisbare Aussage des Betroffenen nötig, damit es nicht heißt, es liege eine unterlassene Hilfeleistung vor. Jeder Mensch hat das Recht, behandelt zu werden, aber eben auch, krank zu sein. Ärzte sind allerdings verpflichtet, pro Leben zu entscheiden. Nur, wer nicht zu viel des Guten will, tut gut daran, es schriftlich zu fixieren. Was muss man beim Verfassen einer Patientenverfügung beachten? Sie muss schriftlicher Art sein, die persönlichen Daten enthalten und dokumentieren, was medizinisch vorgenommen werden darf. Die Möglichkeiten gehen von „Ich will alles, was die Medizin kann und darf“, also von künstlicher Ernährung oder Beatmung oder Wiederbelebung, bis zum anderen Extrem: „Mich darf kein Arzt anrühren.“ Jeder muss für sich prüfen, was er will, und vermerken, ab wann die Verfügung gilt. Ein Formular ist nicht zwingend erforderlich. Was ist das Besondere an Ihrer Beratung? Sie geht über die Patientenverfügung hinaus. Ich erkläre den Bewohnern nicht nur die Bürokratie, ich kümmere mich auch um individuelle Feinheiten. „Ich will noch mal in den Zoo, bevor ich sterbe“, lautete mal ein Wunsch. Oder einen Esel streicheln. Solche Bitten dokumentiere ich und versuche, sie zu erfüllen. Ich kontaktiere die entsprechenden Stellen, die es realisieren können: den Wünschewagen des ASB etwa. Mein Bestreben ist der Versuch, mit den hiesigen Rettungsdiensten und Hausärzten zu sprechen und so eine gemeinsame Verabredung über Notfallsituationen herzustellen. Wenn die Bewohner es wollen, spreche ich auch mit den Angehörigen und Hausärzten. Man weiß ja aus Erfahrung, dass es die Familie schwer erträgt, wenn eine nahestehende Person nicht mehr ins Krankenhaus will, weil dann klar ist, dass der Betreffende sterben wird. Um gegenseitiges Verständnis sicherzustellen, auch damit Entscheidungen mitgetragen werden, treffe ich mit den Betroffenen eine Art soziale Verabredung. Denn oft wird über Krankheit und Tod nicht gesprochen. Mein Auftrag ist, einen Beitrag zu einer besseren Sterbekultur zu leisten. Damit jeder in Würde sterben kann. Für wen ist die Beratung und was kostet sie? Die Beratung ist kostenlos für alle, die gesetzlich krankenversichert sind und hier im Haus oder bei der AWO in Zweibrücken wohnen. Alle anderen haben die Möglichkeit, sich beim AWO-Betreuungsverein in der Zweibrücker Straße zu Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung beraten zu lassen. Zur Person Hermann Schulze hat die Geschäftsführung des Betreuungsvereins Pirmasens und Südwestpfalz an Fabian Meyer übergeben, seinen Ruhestand hat er allerdings verschoben. Seit Oktober 2018 hilft er den Bewohnern der AWO-Seniorenhäuser in Pirmasens und Zweibrücken, Patientenverfügungen zu schreiben.

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