Pirmasens „Vor dem Vergessen bewahren“

Das Buchcover
Das Buchcover

Julian Ehrgott, Jahrgang 1993, aus Ruppertsweiler hatte schon als 17-Jähriger seinen ersten Roman geschrieben. Mit der Veröffentlichung von „Story Of A Hanging Man“ unter seinem Pseudonym J. C. Rickards ging für den jungen Mann dann im Frühjahr 2016 ein Traum in Erfüllung. Der zweite Roman „Die Frage nach dem Sinn“ erschien Mitte 2017. Ehrgotts drittes und aktuelles Buch „Es war ein langer Weg“ steht nun auch in den Regalen. Unser Mitarbeiter Peter Schneider hat sich darüber mit dem Autor unterhalten.

Was hat Sie dazu bewogen, die Erlebnisse ihrer Großmutter während des Zweiten Weltkriegs zum Thema ihres aktuellen Buchs zu machen?

Die Geschichte meiner Großmutter begleitet mich nun schon mein Leben lang. Mich faszinierten schon immer ihre Erzählungen, da sie meiner eigenen Kindheit so fern waren. Ich kann den genauen Tag nicht mehr benennen, aber ich erinnere mich noch sehr genau: In den Nachrichten war gerade über Flüchtlinge berichtet worden und ich saß bei meiner Großmutter am Tisch. Wir hatten schon mehrere Jahre nicht mehr über die Erlebnisse ihrer Kindheit gesprochen, doch an diesem Tag schienen die Erinnerungen wieder in ihr aufzusteigen. Das war dieser besondere Moment – die Emotionen in ihren Augen, die gebrochene Stimme und dieser unvergleichliche Schmerz. Das war der Stoff aus dem ich mein neues Buch schaffen wollte. Bisher basierten meine Romane nur auf von mir erfundenen Handlungen, aber dieser sollte etwas Besonderes werden. Es inspirierte und packte mich von der ersten Sekunde an, denn verglichen mit meiner Kindheit, war es eine gänzlich andere Welt. Meine größte Sorge als Kind war es, mit wem ich am Nachmittag nach den Hausaufgaben spielen oder welches Bild ich als nächstes malen sollte. Es machte mich traurig mir vorzustellen, dass es nach wie vor Kinder gibt, die ihrer Kindheit schier beraubt werden. Ich wollte daher nicht nur diese Erinnerung vor dem Vergessen werden bewahren, sondern auch in gewisser Weise all jenen Zeitzeugen Tribut zollen, die diese dunkle Zeit durchleben mussten. Wie sind Sie konkret vorgegangen? Es war zur Osterzeit vergangenen Jahres, als ich fast täglich bei meiner Großmutter saß, ausgerüstet mit einem Stift und meinem Notizbuch. Sie erzähle mir alles, was sie noch wusste und war ihr nach unserer Unterhaltung noch etwas eingefallen, so rief sie mich direkt an. Binnen 14 Tagen hatte ich dadurch rund 25 Seiten mit Informationen gefüllt. Die Schwierigkeit beim Schreiben war es dann, den Anfang und das Ende festzulegen. Wo sollte die Geschichte beginnen und wo aufhören? Eine weitere Herausforderung war, dem Roman das passende Gesicht zu verleihen, alle Fakten sachlich rüberzubringen, ohne dabei zu viel zu wollen und das nötige Herzblut, die Emotionen, einfließen zu lassen, ohne es kitschig wirken zu lassen. Welche Absicht haben Sie mit den Illustrationen verfolgt? Mit den Illustrationen wollte ich dem Leser die Stimmung der Geschichte nochmals verdeutlichen. Meine Zeichnungen sollten die kindliche Unschuld und zugleich die brutale Realität widerspiegeln. Was sagt ihre Familie zu dem doch recht privaten Buch? Meine Familie, so kam es mir zumindest vor, konnte anfangs nicht wirklich abschätzen, in welche Richtung sich dieser Roman bewegen wird beziehungsweise wie das fertige Produkt aussehen sollte. Viele von ihnen wussten nur Bruchstücke oder gar nichts von den Ereignissen, die meine Großmutter durchleben musste. Im Nachwort des Buches verraten Sie, dass ein Teil des Erzählten erfunden ist. Wie ist das Verhältnis von Realität zu Fiktion? Ich würde sagen, dass grob geschätzte 15 Prozent erfunden sind. Den ganzen grausamen Rest hat mir meine Großmutter exakt so berichtet. Was an „Es war ein langer Weg“ erstaunt sind die vielen Details, die exakten Schilderungen fast 74 Jahre nach Kriegsende. Ich wollte dem Leser eine genaue Vorstellung dieser Welt liefern. Kleinigkeiten, wie die Farbe der Tapeten oder was zum Essen aufgetischt wurde, entspringen meiner Fantasie. Gewisse Passagen konnte meine Großmutter noch erschreckend deutlich in ihrer Erinnerung abrufen. Es waren also die Nichtigkeiten, mit denen ich die Geschichte ausschmückte. Die fürchterlichen Dinge des Krieges hatten sich genau so zugetragen. Beim Schreiben kam es mir selbst so vor, als würde ich immer noch, wörtlich gesprochen, eins draufsetzen wollen, um dem Leser noch deutlicher diese Schrecken und Todesängste in den Kopf zu zwängen. Aber nein, das meiste war leider tatsächlich genau so, wie ich es aufgeschrieben habe. Ist die geschilderte, schier unfassbare und zu Herzen gehende Odyssee der Tante Ihrer Oma tatsächlich passiert? Diese Frage muss ich mit einem klaren „Ja“ beantworten. Neben den Erzählungen meiner Großmutter hatte ich einen weiteren, ich will es mal Schatz nennen, zur Hilfe bei meiner Recherche. Tante Maria, wie sie auch im wahren Leben hieß, hatte kurz vor ihrem Tod sämtliche Ereignisse dieser Zeit aufgeschrieben. Da die Geschichte der kleinen Greta folgt, wie ich meine Großmutter in dem Buch nannte, konnte sie logischerweise nicht wissen, welche Strapazen ihre Tante zeitgleich auf sich genommen hatte. Daher kam mir die Idee, ab einem gewissen Punkt im Buch einen weiteren Handlungsstrang, eine weitere Sichtweise, einfließen zu lassen. Auch jetzt ist es für mich noch unvorstellbar, welchen Mut und Aufopferung diese junge Frau für ihre Familie auf sich genommen hat. Der letzte Satz ihrer Aufzeichnungen bildet das Eingangszitat des Romans: „Das waren die schlimmsten Wochen meines Lebens“. Sind Sie mit der bisherigen Verkaufszahl des Buches zufrieden? Es bedeutet mir die Welt. Und das meine ich wirklich aufrichtig. Ich messe den Erfolg nicht an den verkauften Exemplaren, sondern an der Rückmeldung, die ich für mein Buch erhalte. Fünf Sterne und die achtsamen Worte, die Leser bei ihren Bewertungen im Internet geschrieben haben, sagen mir, dass ich wohl etwas richtig gemacht habe. Ich will Menschen mit meinen Geschichten berühren, packen und in eine andere Welt entreißen. Ich glaube, mit dem Roman „Es war ein langer Weg“ ist mir das gelungen. Um was wird es in Ihrem nächsten Buch gehen? Nach der Fertigstellung von „Es war ein langer Weg“ habe ich mir eine kurze Auszeit vom Schreiben genommen, da mich die inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik recht beschäftigte. Schließlich ging es dabei um meine Familie. Doch seit einigen Wochen arbeite ich nun an einem neuen Projekt. Ich möchte noch nicht mit Sicherheit sagen, dass es meine nächste Veröffentlichung wird, aber ich gehe stark davon aus. Diesmal handelt es sich wieder um eine gänzlich von mir erfundene Geschichte. Sie spielt in einer fiktiven Stadt und folgt dem Leben vier verschiedener Jugendlicher. Es gibt Thriller- und Mystery-Elemente mit Mord und Intrigen. Die Geschichte wird ziemlich düster. An manchen Stellen geht sie möglicherweise in die Richtung des „Hanging Man“. Die Idee dahinter war, dass ich mich von den alten Kriminalromanen und Comicbüchern inspirieren ließ, bei denen nacheinander in kurzen Zeitabständen mehrere Bände erschienen. Bei dem aktuellen Projekt möchte ich genau dies umsetzen und die Handlung pro Buch ungefähr auf je 150 Seiten reduzieren, dafür aber auf mehrere Bände verteilt erzählen. Es sollen kurze, spannende Geschichten werden, die man ohne viel Vorwissen lesen und dann hoffentlich nicht mehr loslassen kann. Infos —Julian Ehrgott im Internet: https://www.facebook.com/J.C.Rickards. —Das Buch: J. C. Rickards: „Es war ein langer Weg“. 184 Seiten. Illustriert. Verlag epubli. 2017. ISBN-10: 374504441X. Gebunden. 18,99 Euro.

Julian Ehrgott schreibt unter dem Namen J. C. Rickards.
Julian Ehrgott schreibt unter dem Namen J. C. Rickards.
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