Pirmasens Shakespeare mit einer Tasse Tee genießen

Ganz in Weiß, so standen die Berliner Schauspieler vor ihrem Dahner Publikum.
Ganz in Weiß, so standen die Berliner Schauspieler vor ihrem Dahner Publikum.

Wer etwas Falsches sagt, wird in den Wald verbannt oder flüchtet gleich freiwillig. Deswegen ist es dort so voll. Das gilt auch fürs Publikum. Volles Haus, oder besser: einen vollen Burghof, beschert die Shakespeare Company Berlin den Dahner Sommerspielen am Sonntag, obwohl es kühl ist, ganz schön windet und Deutschland parallel sein WM-Auftaktspiel vergeigt. Burg Alt-Dahn liefert für Shakespeares „Wie es euch gefällt“ eine traumhafte Kulisse, die man mit Tee und Sitzkissen umso mehr genießen kann.

Bunt, poetisch und verrückt: Die Shakespeare Company Berlin ist ein Tournee-Theater par excellence, obwohl sie in der Hauptstadt eine feste Spielstätte hat. Alles, was auf der Bühne auftaucht, wird bespielt. Die Metallkoffer, in denen auf der Fahrt Kostüme und Bühnenbild verstaut sind, werden in Szene gesetzt mal als Lounge-Landschaft, mal als Rollstuhl oder auch als Thron. Der royal-blaue Vorhang symbolisiert einerseits, dass es um Macht und Vermögen geht, andererseits ist es einfach himmlisch, was sich davor so abspielt. Denn die Macht der Liebe steht im Mittelpunkt. Genau dieses Blau des Vorhangs spiegelt sich auch im Liedschatten der Schauspieler wieder. Das ist ein schönes Bild: sind sie einfach nur blauäugig oder gar blind, denn die Augen verschwinden großteils hinter der Maskerade. Worum es geht? Vor allem um die Macht der Liebe, der alle verfallen, obwohl Celia ihre Cousine Rosalinde warnt: „Tu es, aber verlieb dich nie im Ernst“. Aber auch um das aktuelle Lieblingsthema Gender: eine Frau im Männerklamotten, Schwule und weibliche Rebellion. Und um Macht, Intrigen und Hab und Gut – sonst wäre es ja kein Shakespeare. Brüder streiten um ihr Erbe und ein Herzog unterdrückt sein Volk. Natürlich gibt es ein Happy End, denn es handelt sich um eine Komödie, um eine romantische dazu. Also: Alle suchen das Glück, die große Liebe und sich selbst. Im großen Finale wird geheiratet, aber es bleibt offen und, wie es euch, dem Publikum, gefällt: denn die Paarungen sind variabel – nicht im Text, aber durch die Regie-Handschrift von Christian Leonard, der die Hochzeit als Ringelreihen inszeniert, bei dem sich jeder mit jedem präsentiert. Die Shakespeare Company Berlin bietet aber nicht einfach nur Schauspiel. „Wie es euch gefällt“ hat allein durch Kostüm und Maske durchaus clowneske Züge, die an Straßentheater erinnern. Nico Selbach, der im Stück als Narr auftritt, zieht zum Beispiel einen roten Schaumstoffball aus der Tasche, der aussieht wie eine Clownsnase. Doch dann stülpt er sich das Requisit als Mikrofon auf den Zeigefinger und macht einen Soundcheck. Später bekommt er – gegen den Willen des Publikums, denn das wird immer wieder mal nach seiner Meinung gefragt – von Andrey alias Isabelle Feldwisch, die auch Celia spielt, einen dritten Apfel, damit er wunderbar jonglieren kann. Mit so manchem Slapstick und mit Filmzitaten kreiert die Truppe eine zeitgemäße Fassung von Shakespeare, die den Dahner Sommerspielen ein ausverkauftes Haus beschert. „Lass mich dein rosaroter Panther sein“, wünscht sich Orlando von Rosalinde. Und als Charles (Daniel Schröder) gegen Orlando kämpft, tun das beide im Zeitraffer-Effekt. Wem fällt da nicht Sylvester Stallone in „Rocky“ ein. Herzog Frederick hingegen führt seine Schergen in Pasolini-Manier wie in „120 Tage von Sodom“ als Hunde an der Leine. Gabriele Kortmann, die der Kompanie durch ihre fantasievolle Schneiderei ein unverwechselbares Erscheinungsbild gibt, hat sich diesmal für weiße Kostüme entschieden, denn den Figuren heftet allen etwas Unschuldiges an. Mit kleinen Details werden Charakterzüge herausgearbeitet. Der Herzog trägt akkurate schwarze Knöpfe, Phoebe hat animalisches Leder am Kostüm, wie übrigens auch Orlando, der nicht nur romantisch liebt und dichtet, sondern einfach triebgesteuert ist, wenn er Rosalinde auf die Pelle rückt. Und die Mädchen sind ein wenig naiv und sehr verspielt. Deswegen zeigt Kortmann sie mit viel Tüll als Primaballerinen, ja als Prinzessinnen, die auf ihre Prinzen warten. Der Publikumsliebling ist eindeutig Orlando, der von Thilo Herrmann gespielt wird. Egal, ob er gerade Orlando, Lebeau oder Corin verkörpert; mit seinen Grimassen entzückt und begeistert er das Publikum. Das Dahner Publikum bekommt einen köstlichen Theaterabend geboten und amüsiert sich besonders, als Orlando Liebesgedichte im Wald an Bäume pinnt und klar wird, dass jeder Zuschauer einen Baum symbolisiert, und das Publikum gemeinsam den Wald. Die Truppe aus Berlin macht einfach kluges Theater, ohne es intellektuell zu überfrachten und schenkt dem Publikum einen federleichten Abend voller Wortwitz und Musik.

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