Pirmasens Pirmasens: Karte hilft bei der Suche nach Blindgängern

Die Bauarbeiten in der Schäferstraße vor zwei Jahren hat ein Fachbüro begleitet, weil der Verdacht bestand, dass im Untergrund n
Die Bauarbeiten in der Schäferstraße vor zwei Jahren hat ein Fachbüro begleitet, weil der Verdacht bestand, dass im Untergrund noch Sprengkörper liegen.

Eine Karte zeigt, wo sich im Pirmasenser Untergrund noch Blindgänger und Munition aus dem Zweiten Weltkrieg befinden könnten. So will die Stadt die Kampfmittelsuche vor Bauarbeiten erleichtern und Kosten sparen, sagt Michael Maas, Leiter des Tiefbauamts.

„Der Straßenausbau in Pirmasens ist ein enormes Erfolgsprogramm“, sagt Michael Maas, Leiter des städtischen Tiefbauamts. Seit 2001 verfolgt die Verwaltung ein Straßenausbauprogramm, das inzwischen zum Vorbild für andere Städte geworden sei. Seit dem Frühjahr gibt es eine Karte, auf der verzeichnet ist, wo in Pirmasens noch Blindgänger und Munition aus dem Zweiten Weltkrieg unter der Erde liegen könnten. Das soll die Kampfmittelsuche vor Baumaßnahmen vereinfachen und Kosten sparen.

Kataster kostet rund 60.000 Euro

Rund 60.000 Euro hat sich die Stadt dieses Kriegslastenkataster kosten lassen. Die Hälfte übernahmen laut Maas die Stadtwerke. Geld, das bereits im ersten Jahr der Nutzung wieder eingespielt wird, sagt Maas. Das Büro IBH aus Weimar hat die Karte erstellt, indem es Luftbilder der Stadt aus Kriegstagen auswertete und in Archiven recherchierte. Historisch-genetische Erkundung heißt dieses Verfahren dem Tiefbauamtsleiter zufolge. Auf alten Luftbildaufnahmen der alliierten Streitkräfte sind Krater zu sehen – die meisten in der Pirmasenser Kernstadt, die am heftigsten bombardiert wurde. Außerdem hatten die Streitkräfte aufgezeichnet, wann und wo ihre Flugzeuge Angriffe flogen, welche und wie viel Bomben abgeworfen oder Munition verschossen wurde. „Wenn der Trichter auf dem Bild relativ klein ist, kann man vermuten, dass dort ein Blindgänger runterging“, erklärt Maas. Etwa 66 Luftangriffe auf Pirmasens gab es Maas zufolge zwischen 1940 und 1945 – darunter 51 Jagdbomberangriffe. Bahnhof und Güterbahnhof wurden beschossen, Kasernen und im Außenbereich einige Flakstellungen. Im Vorfeld von Baumaßnahmen muss bis heute erkundet werden, ob noch Bomben im Boden liegen, die Arbeiter und Einwohner gefährden könnten.

Kampfmittelräumung in Ländern unterschiedlich geregelt

Wie Maas berichtet, haben die Bundesländer die Handhabung der Kampfmittelräumung unterschiedlich geregelt. Mancherorts übernehme das Land sowohl die Untersuchungen als auch die Räumungen. In Rheinland-Pfalz sei das anders: Die Untersuchung des Bodens obliege den Kommunen – die dafür Fachbüros beauftragen müssen. Erst wenn ein Sprengkörper entdeckt wird, schalte sich der Kampfmittelräumdienst der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier ein und entsorge die Kriegslast. „Die Kommunen bleiben auf den Kosten sitzen“, sagt Maas zu den Voruntersuchungen. Rund 200.000 Euro jährlich habe die Stadt Pirmasens bisher dafür ausgegeben. Der Pirmasenser Beigeordnete und zuständige Dezernent Michael Schieler setze sich – zum Beispiel beim Städtetag – dafür ein, dass das Land oder der Bund künftig auch die Voruntersuchungen für die Gemeinden übernimmt. Gesetzlich sei geregelt, dass das sogenannte Baugrundrisiko auch Kampfmittel umfasst. Dieses Risiko dürfe nicht den Auftragnehmer, sprich die Baufirma, treffen. Der Bauherr, also die Stadt, muss im Vorfeld sicherstellen, dass sich keine Sprengkörper mehr im Boden finden. Ab 2012, so Maas, habe die Kampfmittelräumung Aufsehen erregt, weil die Berufsgenossenschaften nach bundesweiten Unfällen bei Bauarbeiten Druck auf den Gesetzgeber ausübten, um die Arbeit auf den Baustellen sicherer zu machen. „2013, ’14 und ’15 hat das Thema bundesweit Fahrt aufgenommen“, erzählt Maas. Die Sachverständigenbüros, die Baustellen auf Sprengkörper prüfen, waren zunehmend ausgebucht, die Preise gingen nach oben. Um die Kosten für die Stadt Pirmasens zu vermindern, ließ die Stadt das Kriegslastenkataster erstellen. Die Landauer Stadtverwaltung, die wegen ihres Geländes für die Bundesgartenschau viel Erfahrung auf dem Gebiet Kampfmittelräumung habe, beriet die Pirmasenser und gab hilfreiche Tipps, berichtet Maas. Auch mit der Berufsgenossenschaft habe man sich zusammengesetzt, bevor die Gefährdungskarte erstellt wurde. Auf dieser für den internen Gebrauch gedachten Karte zeigen nun rote Kringel an, wo im Stadtgebiet sich noch Sprengkörper im Boden befinden könnten. Besonders die Innenstadt ist auf der Karte großflächig rot. Wird auf den Flächen gebaut, die nicht betroffen sind, müsse die Stadt keine teuren Voruntersuchungen mehr in Auftrag geben, so Maas.

Blindgänger meist tiefer als einen Meter im Erdreich

Ist die Stelle aber durch einen roten Punkt gekennzeichnet, besteht zumindest der Verdacht, dass da noch ein Blindgänger liegen könnte, und es wird genauer nachgeforscht. Das machen zunächst einmal Mitarbeiter des Bauamts, erklärt der 42-Jährige. Sie prüfen, wann die Straße oder der Kanal, um die es gerade geht, gebaut wurden. War das nach 1945, ist die Gefahr gering, dass sich noch unliebsame Überraschungen im Boden verstecken. Anders allerdings, wenn beispielsweise ein Trassenverlauf geändert oder ein Kanal erweitert wird. Dann kann es sein, dass ein Blindgänger in der Nähe zwar bei früheren Arbeiten nicht gefunden wurde, aber dort liegt, wo nun gebaut wird. Blindgänger seien zudem in der Regel tiefer als einen Meter im Erdreich vergraben. Bauschutt und Erdmaterial deckten die Sprengkörper zu. Kommen die Mitarbeiter des Tiefbauamts zum Schluss, dass Gefahr besteht, wird ein Fachbüro engagiert, das die Fläche mithilfe von Metallsonden durchsucht. Kann der Verdacht auch so nicht ausgeräumt werden, dann begleitet das Büro die Bauarbeiten vorsichtshalber.

Skurrile Funde

Die Metallsonden schlagen nicht nur an, wenn tatsächlich eine Bombe im Boden liegt. „Wir wissen nie, ist das jetzt ein alter Nachttopf oder sonstwas, oder liegt da Munition?“, meint Maas. Auch Draht oder Gleise der früheren elektrischen Straßenbahn würden gefunden. Einmal sei ein alter Citroën C 4 am Robert-Schelp-Platz aufgetaucht. „In der Nachkriegszeit wurde Bauschutt überall dahin getan, wo ein Loch war“, erklärt der Gersbacher die teils skurrilen Funde. Die Erstellung des Kriegslastenkatasters habe sich „auf jeden Fall“ gelohnt, sagt Maas. Nun müsse die Stadt nur noch 50.000 bis 60.000 Euro im Jahr für die Untersuchungen ausgeben – im Vergleich zu 200.000 Euro zuvor. Die Karte wird nicht veröffentlicht, denn sie enthalte auch Aufzeichnungen über Privatflächen, die dem Datenschutz unterliegen. Die Verwaltung wolle sich weiterhin dafür einsetzen, dass Land und Bund künftig die Kosten für die Suche nach Sprengkörpern in Bauland übernehmen.

Michael Maas
Michael Maas
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