Pirmasens Pirmasens: Eine Liebeserklärung an die Stadt

Filmemacher Philipp Majer an seinem Schnittplatz in Saarbrücken. Weil er die negativen Medienberichte über Pirmasens satt hatte,
Filmemacher Philipp Majer an seinem Schnittplatz in Saarbrücken. Weil er die negativen Medienberichte über Pirmasens satt hatte, drehte er einen eigenen Film über die Stadt.

Philipp Majer hat einen Film über Pirmasens gedreht. Der Saarbrücker Filmemacher will damit einen Gegenpol zu den bundesweiten negativen Medienberichten über die Stadt setzen. Geschönt hat er in dem Film aber nichts. Dennoch ist das Interesse an dem Film groß: Die Premiere im Walhalla-Kino ist ausverkauft.

„Die besten Geschichten liegen oft vor der Haustür“, lautet das Credo des Filmemachers Philipp Majer. In seiner Karriere beherzigte er es schon einige Male, so auch bei seinem aktuellen Projekt: einem Dokumentarfilm mit dem schlichten Titel „Die Kleinstadt“. Es geht um die Stadt, die der Rodalber bestens kennt, weil er dort zur Schule gegangen ist. Es geht um Pirmasens, die Stadt, die bundesweit fast nur negative Schlagzeigen macht, die sich fast mantraartig um die hohe Arbeitslosigkeit, die vielen Leerstände und die vergleichsweise niedrige Lebenserwartung der Bewohner drehen. Es sind Schlagzeilen, die auch Philipp Majer kennt – und die er irgendwann satt hatte.

Ein Film als Reise

„Ich habe all diese negativen Berichte gesehen, die durch die Medien gingen, und mir nur gedacht: Krass, wie die Stadt wahrgenommen wird“, sagt der 35-Jährige. „Das störte mich. Klar, die Stadt hat ihre Probleme, aber in den Medien bestand sie plötzlich nur noch aus Statistiken.“ Er stellte aber auch etwas Anderes fest: „Bei all den Negativschlagzeilen merkte ich, dass es ein grundsätzliches überregionales Interesse an der Stadt gibt. Da dachte ich mir, ich zeige mal Pirmasens, wie ich es kenne.“ Mit seiner Kamera machte er sich auf den Weg in die Horebstadt, drehte ein Jahr lang, immer in seiner Freizeit, wenn sein Job in Saarbrücken es zuließ. Das Ergebnis ließ er auf sich zukommen: „Normalerweise habe ich ein Exposé, überlege mir vorher genau, was ich haben will. Bei dem Film war es eher eine Reise, ich bin hingefahren und habe geguckt, was passiert.“ Fest stand vorher nur das Casting: Sieben Pirmasenser hat Majer ausgesucht, die er im Film porträtiert. Darunter eine Busfahrerin, ein Psychotherapeutenehepaar, ein Kneipenbesitzer. „Ich wollte einen guten Querschnitt haben, arm und reich, alt und jung“, erklärt Majer. Auch einer seiner Freunde, den er seit Schultagen kennt, tritt in dem Film auf – stellvertretend für all die jungen Menschen, die die Stadt nicht verlassen haben. „Es war mir wichtig, dass jemand auch diese Rolle vertritt.“

Unverfälscht und ungeschönt

Eigentlich wollte Majer nur eine Kurzdoku drehen. Doch das Rohmaterial wurde immer üppiger. Am Ende wurden 65 Filmminuten draus. Aneinanderreihungen von kurzen, statischen Aufnahmen von Leerständen in der Stadt, Kindern, die auf dem Exerzierplatz spielen, sich drehenden Dönerspießen oder einem Waldweg wechseln sich ab mit den Geschichten der Protagonisten, die dem Zuschauer „ihr“ Pirmasens zeigen. Geschönt wird dabei nichts. Das war Majer wichtig. Er habe die Stadt weder besser noch schlechter machen wollen: „Ich wollte sie einfach durch die Augen der Protagonisten zeigen.“ Manche von ihnen hatten kein leichtes Leben, andere hatten sich eigentlich was anderes für ihre Zukunft vorgestellt. Wie etwa die Busfahrerin, die eigentlich in ihrer Jugend den Traum hatte, mit großen Trucks über die Route 66 in den USA zu brettern. Es kam anders. Die gebürtige Pirmasenserin nimmt es im Film mit Humor: Mit dem Bus durch die Mississippi oder die Delaware Avenue zu fahren sei ja „fast wie in den USA“, sagt sie und lacht.

Geblieben - trotz Statistik

Im Film spielt Majer mit den negativen Statistiken über Pirmasens. Das ältere Ärzteehepaar, das sich mit Inbrunst der Pflege seiner Parkanlage widmet, dürfte es ja eigentlich gar nicht mehr geben, heißt es etwa plötzlich im Film – wegen der niedrigen Lebenserwartung. Und Majers Schulfreund dürfte laut Statistik nicht mehr in der Stadt wohnen, da Pirmasens in den vergangenen 40 Jahren 30 Prozent seiner Einwohner verloren hat. Er ist trotzdem geblieben. Mit diesen Gegenbeispielen will Majer die Probleme der Stadt nicht kleinreden – im Gegenteil. Er hat Verständnis für junge Menschen, die aus der Stadt weg wollen – das sei bei ihm schließlich nicht anders gewesen. „Beim kulturellen Angebot kommt man irgendwann an einen Punkt, an dem man mehr will. Und da sind die Möglichkeiten in Pirmasens begrenzt.“

Liebeserklärung an Pirmasens

Trotzdem: Seinen Film versteht Majer als eine Liebeserklärung an Pirmasens. Wenn der Dokumentarfilmer über die Stadt spricht, wird sein Blick weich. „Die Stadt hat mir so viel gegeben, vor allem die Menschen, die ich dort kennengelernt habe. Das war mit die schönste Zeit meines Lebens.“ Damit meint er vor allem seine Schulzeit am Leibniz-Gymnasium. Nach dem Abitur ging Majer, der in Rodalben aufgewachsen ist, für seinen Zivildienst nach Berlin – und entdeckte dort sein Interesse für Film. Kreativ sei er schon immer gewesen, habe sich für Fotografie interessiert, viel Musik gemacht. „Der Film ist das ideale Medium, um beides zu verbinden.“ Zurück aus Berlin, ging er nach Saarbrücken, absolvierte eine Ausbildung zum Mediengestalter für Bild und Ton, arbeitete für den Saarländischen Rundfunk und eine Saarbrücker Filmagentur.

Keine Unterstützung von der Stadt

2009 machte er sich mit zwei Kollegen selbstständig und gründete die Filmproduktionsfirma „Estragon Film“. Dokumentationen bezeichnet Majer als sein Steckenpferd. „Ich bin immer auf der Suche nach guten Themen.“ Dass die oft, wie gesagt, vor der Haustür liegen, zeigte er mit seinem Film „Smajl“ über einen Kosovo-Albaner, der in den 70ern nach Deutschland kam, um ein Tonbandgerät zu kaufen – und dann über 40 Jahre blieb. Es ist die Familiengeschichte einer Freundin Majers. Dass „Die Kleinstadt“ in Pirmasens Premiere feiern soll, war Majer wichtig. Ob er über die beiden Vorstellungen im Walhalla-Kino hinaus hier noch laufen wird, weiß der Filmemacher noch nicht. „Ich habe den Film bei verschiedenen Wettbewerben eingereicht und möchte da das Echo erstmal abwarten“, sagt er. Schade findet Majer, dass die Stadtverwaltung den Film nicht stärker unterstützt. „Ich habe die Stadt angesprochen, aber da kam nicht wirklich was bei rum. Schade, ich hatte gehofft, die Stadt engagiert sich da stärker. Das Land hat sich ja auch engagiert.“ Nach Abschluss der Dreharbeiten hatte Majer sich um eine Förderung bemüht. Die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur unterstützte die Postproduktion des Films mit 7000 Euro (wir berichteten). Info

  • Das Walhalla-Kino in Pirmasens zeigt den Film „Die Kleinstadt“ am kommenden Samstag, 21., und am Sonntag, 22. April, jeweils um 18.30 Uhr. Karten zum Preis von vier Euro gibt es nur noch für die Vorstellung am Sonntag an der Abendkasse des Kinos.
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