Pirmasens Länderhopping in der Zeitmaschine

Auch optisch hatte sich der Chor aus Mannheim für das Konzert einiges einfallen lassen.
Auch optisch hatte sich der Chor aus Mannheim für das Konzert einiges einfallen lassen.

Das Eröffnungskonzert der 16. Fabrikmusik war eine gelungene Überraschung, eine Besonderheit. Denn 17 Stimmen erfüllten den Raum des Neufferanums in Pirmasens mit Klangkunst, die noch fantastischer wurde, als die Sängerinnen die klassische Chorliteratur hinter sich ließen, um sich zeitgenössischer Musik zu widmen. Martina Kuntze, ehemalige pädagogische Leiterin des Dynamikums, war an den Horeb zurückgekehrt, um mit „Carré Chanté“, ihrem Frauenkammerchor der Mannheimer Liedertafel, aufzutreten.

Gleich der Beginn riss das Publikum in eine andere Welt. Mit langen schwarzen Gewändern betraten die 17 Sängerinnen im Gänsemarsch, fast in Zeitlupe, den Raum und bezauberten das Publikum mit „Saulit velu vakarai“, einem lettischen Volkslied, das eher an gregorianische Gesänge erinnerte als an Folklore. Wie in einer Zeitmaschine sollte sich das Publikum am Mittwochabend noch öfter fühlen. Denn es ging von Alexis Holländers (1840-1924) „Mondnacht“ zu Henry Purcell (1659-1695), von dem die Frauen etwas aus dem dritten Akt von „Dido und Aeneas“ sangen, bis zu Béla Bartoks (1881-1945). Oft kombinierten die Frauen ihre wunderbaren Stimmen mit einer lebhaften Geräuschkulisse aus rieselndem Sand, Wasser, Holz und Nüssen, mit denen sie die passende Atmosphäre zauberten. Literarisch sah der bunte Mix des Gruselprogramms nicht anders aus. Denn die Musik war immer wieder von kurzen Lesungen und szenischen Auftritten unterbrochen. „Carré Chanté“ wählte Ottfried Preußlers „Krabat“, aber auch William Shakespeares „Macbeth“ und Goethes „Zauberlehrling“. Martina Kuntze, Sarah Rothfuß und Wiebke Urbschat hatten ganz offensichtlich großen Spaß mit ihren kleinen Szenen, bei denen sie über die Rolle der Vorleserin hinauswuchsen. Auch das Publikum genoss diese kleinen Pausen, bevor die nächste musikalische Überraschung aus so unterschiedlichen Nationen begann. Beeindruckend für sich war schon die simple Choreografie der Sängerinnen, die langsam ihre Position veränderten, sich mal gegenüberstanden, mal voneinander abgewandt waren oder in Grüppchen zusammenstanden. Bernd Hummel stellt zum 16. Mal die Räumlichkeiten des Neufferanums für die Fabrikmusik zur Verfügung, die von Maurice Antoine Croissant initiiert und geleitet ist. „Einen Frauenkammerchor hatten wir noch nie hier“, sagt der Leiter der Bezirkskantorei, der in jedem Jahr ein herausragendes Programm im Pirmasenser Neuffer am Park präsentiert. Am Mittwoch war der Konzertsaal mit etwa 50 Gästen sehr gut besucht, als Janette Schmid mit weichen, fließenden Bewegungen ihre 16 Sängerinnen dirigierte. Passend zu dem Programm „Nacht, Beschwörung und Magie“ war der Saal mal in grün-blaues Licht getaucht, mal einfach abgedunkelt und mit kleinen Stehlampen beleuchtet, die vor den Sängerinnen den Boden säumten. Jan Wilke begleitete die Sängerinnen am Klavier. Das Programm von „Carré Chanté“ war liebevoll zusammengestellt und sprühte nur so von der Begeisterung der Frauen. Ihre Lust an der Entwicklung des eigenen Chorklanges spürte man in jedem Lied. Doch eigentlich hätten ihre Stimmen völlig gereicht, denn die musikalischen Seltsamkeiten machten den Abend aus. Besonders Arne Mellnäs „Aglepta“ und „Käppee“ des zeitgenössischen finnischen Frauentrios „Värtinä“ aus Helsinki brachte das Publikum ins Schwelgen. Genau diese Klänge waren es, die derart bereicherten, das man viel mehr davon wollte.

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