Pirmasens Jeder führt jeden an der Nase herum

Schlicht aber wirkungsvoll ist das Bühnenbild zu „Cosi fan tutte“ in der Pirmasenser Festhalle.
Schlicht aber wirkungsvoll ist das Bühnenbild zu »Cosi fan tutte« in der Pirmasenser Festhalle.

„Cosi fan tutte – So machen es alle“ – damit sind die wankelmütigen und leicht verführbaren Frauen gemeint. Allerdings wollten Wolfgang Amadeus Mozart und sein kongenialer Textdichter Lorenzo Da Ponte keinen moralischen Zeigefinger erheben, sondern ein leichtes Possenspiel gestalten, bei dem jeder jeden an der Nase herumführt. Auch die Zuschauer bleiben nicht davon verschont, denn am Ende der Oper ist keiner mehr sicher, wer denn nun eigentlich wen liebt und wer eigentlich zu wem gehört. Zu erleben war die am Mittwoch in der Pirmasenser Festhalle, aufgeführt von der Kammeroper München.

Das Verwirrspiel wird von Don Alfonso eingefädelt. Der Zyniker behauptet, dass keine Frau auf Dauer treu bleiben kann. Doch seine jungen Freunde Guglielmo und Ferrando sind sicher, dass ihre Verlobten, die Schwestern Fiordiligi und Dorabella da eine rühmliche Ausnahme darstellen. Die Freunde schließen eine Wette ab und hecken den Plan aus, den Schwestern ihre Einberufung zum Militär vorzuspielen, um dann verkleidet wieder zu kommen und die Braut des jeweils anderen zu umwerben. Mit Hilfe Don Alfonsos und der Kammerzofe Despina haben sie tatsächlich Erfolg. Kurz bevor es zur Hochzeit kommt, stehlen sich die Männer davon und kehren als wahre Verlobte wieder, die die Schwestern ertappen und zur Rede stellen. Niemand würde je glauben, dass Dorabella und Fiordiligi die Männer nicht erkennen würden. Auch die Maskerade Despinas als Arzt und Notar ist komplett unrealistisch. Aus diesem Grund wird eigentlich auch nie versucht, das Maskenspiel glaubhaft darzustellen. Nahezu jede Inszenierung ergreift die „Flucht nach vorne“ und versucht es im Höchstfall anzudeuten, weswegen das Stück immer eine Komödie bleibt, wenngleich die Musik eine andere Sprache spricht. Mozarts Komposition ist so voll schlichter klassischer Schönheit und Wahrheit, dass der Zuhörer nie an der Echtheit der Gefühle zweifelt, wenn er die Augen schließt und nur der Musik lauscht. Die Regie von Beka Savic ist da keine Ausnahme. Die serbische Regisseurin hat für die Kammeroper München eine muntere Komödie inszeniert und darin ganz auf die Darsteller und die Musik gesetzt. Dabei unterstützen sie das Bühnenbild von Céline Demars und die Kostüme von Uschi Haug sehr gut. Auf der ansonsten leeren Bühne befinden sich ein (Liebes-) Karussell, das mit Vorhängen verhängt zu einem Pavillon und somit einem „Raum im Raum“ wird. Vor allem die Kostüme der Frauen sind verspielt und wirken in Fiordiligis und Dorabellas Fall wie aus dem Märchen. Die beiden Schwestern sind wie Schneeweißchen und Rosenrot zurecht gemacht, während Despina als Commedia dell’arte-Figur auftritt. Polly Ott glänzt in dieser Rolle gesanglich wie darstellerisch. Die Mezzosopranistin Irena Weber spielt hinreißend komisch und singt mit leichter und doch voller Stimme eine Dorabella, die zu dramatischen Ausbrüchen in der Lage ist, ohne je zu forcieren oder an Klangschönheit einzubüßen. Von ihr wird man sicher noch hören. Erst recht von der jungen polnischen Sopranistin und erfolgreichen Geigerin Anna Malesza. Den schwierigen Gesangspart der Fiordiligi singt sie leicht mit heller, klarer Stimme, rasanten Koloraturen, ausdrucksstarker Höhe, lockerer Tiefe, Musikalität und großer technischer Disziplin. Ihre Arie „Come scoglio“ markiert den Höhepunkt des Abends. Wenngleich die Männer sängerisch nicht ganz so spektakulär glänzen wie die Damen, gibt Frederik Tucker einen überzeugenden Don Alfonso, der souverän und ausdrucksstark singt und agiert und Daegyn Jeong ist ein technisch sicherer Guglielmo, obwohl seine Stimme noch jugendlich und hell klingt, was zu einer recht dünnen Tiefe führt, die sicher seinem jungen Alter geschuldet ist und andererseits eine sichere Höhe beschert. Der slowenische Tenor David Jagodic singt mit guter Höhe, sauberer Technik und schönem Ausdruck, vor allem in den legato-Linien seiner berühmten Arie „Un aura amorosa“. Allerdings fehlt seiner Stimme der lyrische Schmelz, den man von einem Ferrando erwarten würde. Zurecht gilt die Kammeroper München als Talentschmiede, die jungen Sängerinnen und Sängern die Chance auf eine internationale Karriere eröffnet. Damit diese ihre Partien in Originalsprache einstudieren können und so für die großen Opernbühnen vorbereitet sind, greift man zu einer cleveren Lösung. Die Ensembles und Arien werden in italienischer Sprache aufgeführt und die Secco Rezitative in der deutschen Übersetzung gesungen, damit das Publikum genug von der Handlung versteht, was ohne Übertitel funktioniert. Auch der Dirigent des Abends ist ein Nachwuchskünstler. Andreas Partilla vertritt den Leiter der Kammeroper München souverän. Sein Dirigat ist flott und spritzig und das Orchester folgt ihm ohne Mühe. Es ist eine Freude, den Musikern des solistisch besetzten Kammerorchesters zu lauschen, für das der Komponist und Musikwissenschaftler Vladimir Beleaev das schlanke Arrangement geschaffen hat. Besonders auffallend ist, dass das Cembalo in den Secco-Rezitativen durch eine Gitarre ersetzt wird, was glänzend funktioniert. Die Sänger müssen niemals fürchten, vom Orchester übertönt zu werden. Das macht es ihnen möglich, mit einer solchen Leichtigkeit und Druckfreiheit zu singen, dass man sich am Ende fragt, warum diese Oper überhaupt je von einem kompletten Orchester aufgeführt werden sollte. Das Pirmasenser Kulturamt hat mit dem Engagement dieses Ensembles jedenfalls alles richtig gemacht.

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