Pirmasens „Ich genieße die Aufmerksamkeit“

Singt zum ersten Mal in Pirmasens: Viviane de Farias
Singt zum ersten Mal in Pirmasens: Viviane de Farias

Nach der Pianistin Anke Helfrich gibt am morgigen Sonntag ab 11 Uhr die brasilianische Sängerin Viviane de Farias die zweite Matinee, der vom Pirmasenser Jazz-Enthusiasten Bernd Adler in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt initiierten Jazz-Reihe in der Alten Post. Vorstellen wird de Farias mit ihrem Quintett ihre aktuelle CD „Vivi“, die vor eineinhalb Jahren erschienen ist. Mit der Sängerin sprach unser Redakteur Christian Hanelt.

Wie kam eigentlich der Kontakt nach Pirmasens zustande?

Bernd Adler, der diese Jazz-Konzerte in Pirmasens mitorganisiert, ist sehr oft in Ettlingen bei den Jazz-Workshops, bei denen ich unterrichte. Er hat diese Konzertreihe mit Anke Helfrich begonnen, einer ganz tollen Kollegin von mir, und ich glaube, sie hat mich empfohlen. Ich freue mich schon auf das Konzert, denn die Alte Post soll eine sehr schöne Location sein. Was werden Sie in Pirmasens singen? Das Programm wird gemischt sein, aber zu einem großen Teil aus meiner letzten CD „Vivi“ bestehen. Das sind überwiegend eigene Kompositionen von mir und meinen Partnern – meistens von Paulo Morello, dem Gitarristen. Die Texte sind von mir. In dem Konzert erzähle ich auch über meine musikalischen Erfahrungen, über Rio de Janeiro, wo ich gelebt habe, über die Kontraste, die Farben und Erinnerungen, von denen ich mich bei den Liedern habe inspirieren lassen. Es ist eine CD, die ganz unkompliziert zustande gekommen ist. Da war einfach ein großer Flow, eine Welle, auf der ich geritten bin. Dazu gibt es im Konzert natürlich auch ein paar bekannte Songs aus dem brasilianischen Repertoire. Das Konzert wird von diesem brasilianischen Rhythmus und den vielen Improvisationen meiner Band leben. Es wird jazzig und fröhlich sein mit einem bunten Repertoire aus Sambas, Bossa Novas und auch mit jazzigen Balladen. Sie singen portugiesisch? Ja, denn das ist ja auch die Sprache des Bossa Nova und der Sambas. Eine Komposition auf der neuen CD ist in Englisch und es kann sein, dass ich in der Alten Post auch zwei oder drei weitere Lieder auf Englisch singe. Natürlich haben wir eine Setliste vorbereitet, aber es kann ja auch sein, dass die Chemie an diesem Vormittag in irgendeine andere Richtung geht, Was hat Sie eigentlich nach Deutschland geführt? Es war die Musik. Viele Menschen sagen, dass sie der Liebe wegen nach Deutschland gekommen sind. Aber meine Liebe war die Musik. Ich habe damals als junge Musikstudentin mit einem Stipendium an einem Austauschprogramm der Universitäten Karlsruhe und Rio de Janeiro teilgenommen. So habe ich sechs Jahre an der Karlsruher Musikhochschule studiert und bin dann dageblieben. In Karlsruhe gibt es eine sehr gute, renommierte Opernschule und da bin ich direkt ohne Deutschkurs gelandet. Die musikalisch universale Sprache der Oper, der Musik überhaupt, ermöglicht die sofortige interkulturelle Verständigung. Die Musik ist eben eine Sprache, die alle verbindet. Wie lange haben Sie Oper gesungen – Sie haben ja sogar einmal mal mit Placido Domingo auf der Bühne gestanden? Ja, das waren schöne Zeiten. Ich habe schon in Brasilien mit Oper angefangen, hatte sehr viel Glück und viele Möglichkeiten schon in jungen Jahren in Rio de Janeiro, neben Sao Paulo der kulturellen Hauptstadt Brasiliens. Hierhin kamen viele internationale Künstler, Orchester und Dirigenten, und ich als junges, vielversprechendes Talent durfte viel beobachten und mitmachen. Insgesamt bin ich etwa 15 Jahre bei der klassischen Musik gewesen. Warum haben Sie dann diesen musikalischen Weg verlassen? Ich bin schon immer sehr neugierig gewesen und hatte schon vor der klassischen Musik viel Kontakt mit ganz unterschiedlicher Musik. Mein Vater arbeitete bei einer Fluggesellschaft und wir sind viel gereist, lebten einige Jahre in Los Angeles und in Chicago. So habe ich die amerikanische und die brasilianische Musik kennengelernt. Das Radio war allgegenwärtig und in Brasilien hört man immer irgendwelche Rhythmen – vor allem im Sommer. Mein Vater hatte aus Europa und den USA auch viele Platten für die Musikläden in Brasilien mitgebracht. Unsere Wohnung war voll damit. Wir haben als Kinder manchmal mit Schallplatten Häuser gebaut. Und natürlich haben wir die Platten immer wieder gehört. Und irgendwann habe ich durch den Musikunterricht mit klassischem Gesang angefangen. Es war alles sehr unkompliziert. Ich bin einfach diesem Flow gefolgt. Von einem Stil in den anderen durch diesen Ozean der Musik in dem es keine Mauern gibt. Und da war die klassische Musik und Deutschland mit all diesen große Komponisten für mich eine obligatorische Etappe – und auch eine sehr bereichernde Etappe, die ich nicht missen möchte und die bis heute ein Teil meines Lebens ist. Sie ist auch eine Quelle des Jazz, ebenso wie die afrikanische Musik, der Samba aus Brasilien, die Musik der Indianer. Irgendwann war für mich klar, dass ich in Deutschland zu meinen Wurzeln komme. Es war, glaube ich, Tolstoi, der gesagt hat, „erkenne dein Dorf, dann wirst du die Welt erkennen“. Und je älter man wird, desto besser lernt man sich und seine Wurzeln kennen. Was unterscheidet das Publikum in Brasilien von dem in Deutschland? Das Publikum in Deutschland ist sehr respektvoll. Die Konzertbesucher hören sehr genau der Musik zu, diesem kulturellen Botschafter. Man spürt das. In Brasilien dagegen tanzt man sofort zur Musik. Sie ist fast wie eine Droge, die man braucht, um happy zu sein. In Brasilien möchte man auch sofort mitsingen. Es passiert sehr oft, dass das ganze Konzerthaus mitsingt. Beides ist sehr schön, aber in Deutschland genieße ich es sehr, die Aufmerksamkeit des Publikums zu haben. Ich erzähle ja auch gute fünf Minuten bevor ich singe die Geschichte der Lieder, wodurch ich auch eine Brücke zwischen diesen beiden Kontinenten herstelle. Wo ist für Sie Heimat – in Brasilien oder in Deutschland? Beides. Deutschland ist meine Heimat, wenn ich in Brasilien bin – und umgekehrt. Bitte nennen Sie drei Gründe in das Konzert zu kommen. Runter vom Sofa, Handy aus und das richtige Leben leben, Menschen begegnen und eine fröhliche Rhythmus-Massage bekommen. Bei dieser Musik spürt man im Körper, dass etwas passiert. Livemusik hören und etwas Neues kennenlernen – das ist so wichtig. Infos —Die Band spielt in der Besetzung Paolo Morello (Gitarre), Kim Barth (Saxofon), Robert Koch (Bass) und Aron Hantke (Schlagzeug) —Das Konzert in der Alten Post beginnt morgen um 11 Uhr. Eintrittskarten (inklusive Garderobengebühr) gibt es zum Preis von 20 (ermäßigt 15) Euro an der Tageskasse ab 10 Uhr.

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