Pirmasens Hinter schönen Fassaden tobt der Beziehungskrieg

Familienkatastrophen stellte das Ensemble der Münchner Tournee an einem „Sommerabend“ im Oktober dem Publikum in Rodalben vor. M
Familienkatastrophen stellte das Ensemble der Münchner Tournee an einem »Sommerabend« im Oktober dem Publikum in Rodalben vor. Mit dabei waren (v. li.) Sarah Elena Timpe, Daniel Friedrich, Jutta Speidel, Daniel Pyrala, Carin C. Tietze und Ralf Komorr.

Die Liebe schwindet, die Familie bröckelt, die Fassade zerfällt. Bissig- amüsant, bitterböse und doch höchst unterhaltsam stellt der Wiener Autor Gabriel Barylli in der Komödie „Sommerabend“, die er auf einem tragischen Fundament aufbaut, familiäre Katastrophen dar. Mit dem Werk gastierte am Sonntag ein prominent besetztes Ensemble der Münchner Tournee vor über 300 Zuschauern in der ausverkauften Halle der Rodalber Mozartschule.

Aus gesellschaftlicher Sicht würde sich das Bühnenstück zu einer erschütternden Bestandsaufnahme entwickeln, wäre nicht der versöhnliche Abschluss. Das heiratswillige Paar Maria (Sarah Elena Timpe) und Martin (David Pryla) beschwichtigt die arg entgleiste Kennenlern-Gartenparty seiner Eltern, beruhigt die außer Rand und Band geratenen Gemüter. Beide setzen sich zur Verblüffung aller ins Ungewisse ab und geben ihrer Liebe abseits vom heimischen Chaos eine Chance. Vielleicht gibt es sie ja doch, die Familie als Lebensmittelpunkt und Wohlfühl-Hort, auch als Keimzelle der Gesellschaft. Erst der Schluss stimmt zaghaft zuversichtlich. In seiner Komödie bereitet der Autor das nahende Unheil auf naturalistische Weise und mit vielen Vorausdeutungen vor. Über der Kulisse, den Wohlstands-Symbolen aus mächtigen Säulen, Gittertoren und schweren Gartenmöbel grollt es, zieht ein Gewitter auf. „Wir sollten wissen, dass jeder unserer Schritte eine Konsequenz nach sich zieht“, bemerkt Richard (Ralf Komorr), Bestseller-Autor mit aktueller Erfolgsflaute. Seine Frau Madeleine (Carin C. Tietze), populäre Fernsehmoderatorin und Spezialistin für Pointen, mag seine Weisheiten nicht, erträgt sie nur mit viel Alkohol. Sie sind die Eltern des Bräutigams. Eingeladen zur „Familien-Zusammenführung“ haben Wilhelm (Daniel Friedrich), der wohlhabende Herzchirurg, der sich witzelnd „Handwerker“ nennt, und seine Frau Anna (Jutta Speidel), Anästhesistin, jetzt „nur Hausfrau und Familienmensch“ – die Eltern der Braut. Zerwürfnisse in ihrer Beziehung zeigen sich von Anfang an im barschen Umgangston und in gegenseitigen Anschuldigungen. Die nicht intakten Ehen bereiten den Boden für die Fehltritt mit herben Konsequenzen. Anna fühlt sich schon bald zum Buchautor und seinen blumigen Worten hingezogen. Wilhelm, gerne in der Rolle des rücksichtslosen Draufgängers, fasziniert Madeleines Verschönerung auf Körbchengröße D. Die wiederholte Bemerkung „Roland ist ein Guter“, der Schönheitschirurg nämlich, erlangt ebenfalls metaphorische Bedeutung. Allgemein gedeutet, geht es um die Verschönerung von Fassaden, die das Unschöne verdecken. Für die Annäherung an den anderen Partner bieten sich Rückzugsgelegenheiten (Schuppen und Keller). Bei der Rückkehr steht Richards Hose und Madeleines Bluse offen. Später legen Handys mit kurzen Filmaufnahmen das aus Misstrauen installierte Überwachungsszenario offen und entblößen die gegenseitigen Sex-Abenteuer, die nach drei Flaschen Champagner die ohnehin verfahrene Situation des Miteinanders ins Derbe und Bösartige explodieren lassen. Der verbale Kleinkrieg steigert sich zum krachenden Dialog, es tobt der Wahnsinn, der die Lieblosigkeit der Paare entlarvt. Wilhelm muss sich vorwerfen lassen, die „perfekte Fassade zu pflegen“ und sich für Affären freizukaufen. Richard, als „Kameltreiber“ (wegen seiner Vorliebe für Ägypten) und „brotloser Dichter mit unbewältigter 68er Vergangenheit beschimpft“, wandelt sich selbst vom Schöngeist zum Beziehungs-Provokateur („Zufallserfolg füllt Wilhelms Kassen“). Anna hört die Gegen- Schwiegerleute über sich reden als „verwöhnte Luxusschlampe, die sich von Doktor Frankenstein aushalten lässt“. Sie selbst nennt Madeleine eine „mühsam aufgepumpte Fernsehschlampe“. Es zeigt sich: Unehrlichkeit und Verschleierung haben die emotionale Kälte herbeigeführt, Betrug, Enttäuschungen und dazu routiniertes achtloses Nebeneinander. „Das Ende haben wir schon ein dutzend Mal erlebt“, gesteht Anna. Aber der Autor lässt dem Beziehungskater zumindest einen Hoffnungsschimmer folgen. Das letzte Glas gehört dem von seiner Liebe überzeugten Hochzeitspaar. Und das Rodalber Publikum bedankte sich mit viel Applaus für zwei Stunden beste Unterhaltung mit Tiefgang,

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x