Pirmasens Freundin der Flüchtlingsfrauen

Nadia Krautwurst-Aouadi übersetzt für Alaa Jbara beim Pakt.
Nadia Krautwurst-Aouadi übersetzt für Alaa Jbara beim Pakt.

Die Marokkanerin Nadia Krautwurst-Aouadi ist seit zehn Jahren Lebenswegbegleiterin beim Pakt für Pirmasens. Da sie fließend Arabisch spricht, übersetzt sie dort für Flüchtlinge und bringt ihre ganz eigene Einwanderungsgeschichte mit.

„Ich war froh, dass ich, als ich vor 22 Jahren nach Deutschland kam, Hilfe und Unterstützung hatte und schnell Deutsch gelernt habe. Das will ich nun zurückgeben“, sagt sie und bezeichnet gerade die Flüchtlingsfrauen, mit denen sie es nahezu täglich zu tun hat, als ihre Familie. „Es gibt kaum einen Flüchtling in Pirmasens, der mich nicht kennt“, sagt Nadia Krautwurst-Aouadi mit nicht wenig Stolz. Sozial engagiert war sie schon immer. Als sie vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten der Liebe wegen nach Pirmasens gekommen war – ihren Ehemann lernte sie kennen, als er durch Marokko reiste –, betätigte sie sich nach ein paar Deutschkursen in der Lern- und Spielstube am Sommerwald. Die Kinder lagen ihr am Herzen, soziales Engagement war ihr wichtig. Schnell fand sie einen Job und arbeitete hauptamtlich in der Lern- und Spielstube, bis 2008 der Pakt für Pirmasens ins Leben gerufen wurde. „Der Pakt hatte mich sogleich interessiert“, sagt sie. Heute habe sie fast täglich damit zu tun und kümmere sich sowohl um deutsche als auch um ausländische Familien. „Meine freien Tage verbringe ich mit den Familien, die mir mittlerweile zur eigenen Familie geworden sind“, erzählt die Mutter zweier Kinder, deren Aufgabenfeld seit der Flüchtlingswelle enorm gewachsen ist. Da sie fließend Arabisch spricht, übersetzt sie für Flüchtlinge bei Behördengängen, findet für sie die richtigen Worte, füllt Anträge beim Jobcenter aus, begleitet die Familien zum Einkauf oder zum Arzt, hört zu und vermittelt nebenbei Wohnungen und Arbeitsplätze. Unter der Woche arbeitet das Energiebündel derzeit vormittags bei der Bauhilfe, ist dennoch flexibel und kann sich ihre Zeit für den Pakt einteilen. Auch wenn ihr gerade die muslimischen Frauen, mit denen sie es zu tun hat, zu Freundinnen geworden sind, hat sie zu kämpfen: „Es gibt Leute, die wollen keine Syrer, außerdem verlangen manche Vermieter, mit denen ich spreche, horrende Summen, die die Flüchtlinge nicht bezahlen können. Dann wiederum gibt es Klienten von mir, die das System nicht verstehen und auch nicht wissen, dass ich eigentlich noch einen Beruf habe, mit dem ich Geld verdiene. Dann fehlt es ebenfalls an Verständnis, wenn ich nicht gleich beispringen kann, wenn sie Hilfe benötigen“, sagt sie. Aber negative Erfahrungen wie diese seien verschwindend gering. Im Großen und Ganzen komme viel von ihren Schützlingen aus sechs Familien, die sie intensiv betreut, zurück. „Ich werde zu privaten Festen, Geburtstagen etwa, eingeladen, die Frauen und ich kochen zusammen, und ein Mal war ich sogar bei einer Geburt dabei – ein Mädchen, das heute ein halbes Jahr als ist und um das ich mich nach wie vor kümmere. Mittlerweile sagt sie Oma zu mir. Ich habe viele Patenschaften für muslimische Frauen und Kinder übernommen. Da kommt viel Liebe zurück“, so die gebürtige Marokkanerin, die beim Pakt für Pirmasens Mama-Kurse für flüchtige Frauen ins Leben gerufen hat und mittlerweile sogar syrischen Dialekt spricht. Auch wenn die 46-Jährige selbst sehr westlich orientiert ist und beispielsweise kein Kopftuch trägt, lässt sie ihre muslimischen Freundinnen so sein, wie sie möchten. „Die Frauen leben vorwiegend zu Hause und betreuen die Kinder. Bei unseren Frauentreffen und Ausflügen kann es dann durchaus vorkommen, dass man sich noch mehr öffnet, sich schminkt, vielleicht mal einen etwas kürzeren Rock an- und das Kopftuch auszieht und zu Musik tanzt, die aus dem Radio kommt. Es ist dann nur wichtig, dass keine Männer zugegen sind. Mein eigener Mann und mein erwachsener Sohn müssen dann auch zu Hause bleiben“, berichtet sie. Auch wenn ihr Ehrenamt an manchen Tagen Stress und Rückschläge verursacht, bleibt Nadia Krautwurst-Aouadi positiv gestimmt und lässt sich die Freude an ihrer „Herzenssache“, wie sie ihre Arbeit beim Pakt bezeichnet, nicht nehmen. „Ich bin und bleibe eine Frohnatur“, sagt sie, „denn Rückschläge und negative Erfahrungen gehören dazu. Ganz im Gegenteil: Wenn ich ein paar Tage nichts von meinen Schützlingen höre, fühle ich mich leer. Sie brauchen mich, und mittlerweile brauche ich auch sie.“

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