Pirmasens Ferne Shakespeare-Welt, so nah

Nähern sich mit Hingabe den Abgründen menschlichen Handelns: Vera Kreyer (von links), Nico Selbach, Katharina Kwaschik, Katja Uh
Nähern sich mit Hingabe den Abgründen menschlichen Handelns: Vera Kreyer (von links), Nico Selbach, Katharina Kwaschik, Katja Uhlig und Tobias Schulze spielen in Shakespeares »Mass für Mass«.

Ein tragikomisches Buffo-Schauspiel mit schockierenden Szenen und ergreifender Musik bietet die Shakespeare Company Berlin mit ihrer neusten Inszenierung „Mass für Mass“. Am Sonntag, 28. Juli, 19 Uhr, laden die Dahner Sommerspiele zu der Inszenierung voller Wortgewalt und Sprachreichtum ein, um das Publikum in ferne Welten zu entführen. Wie das geht, hat Regisseur Matthias Grupp RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Christiane Magin verraten.

Was erzählen Sie mit Shakespeares Komödie „Mass für Mass?

Dass jedes Maß verloren gegangen ist. Einerseits entführt das Stück in eine fremde Welt, aber gleichzeitig kriegt man total heutige Bezüge. Das Lustige und Absurde ist, dass die Handlung in Wien spielt. Und das hat ganz große Anleihen an das Österreich von heute. Dieser ganze Skandal um Strache, der rigoros immer härtere Gesetze eingefordert hat und selbst der größte Heuchler war. Das ist an dem Stück so toll: Einerseits wird der Sittenverfall vorgeführt und gleichzeitig will da jemand mit ganz strengen Gesetzen alles regulieren. Letztendlich fällt dabei jede Figur aus dem Maß. Es gibt keine Waagschale mehr. Warum haben Sie genau das Stück ausgesucht? Die Shakespeare Company hat es mir vorgeschlagen. Sie haben den „Macbeth“ von mir gesehen, und mich gefragt, ob ich mit ihnen arbeiten will. Eigentlich leite ich das Vorstadttheater Basel, aber als ich das Stück gelesen hatte, fand ich es großartig. Es hat mich gereizt, einen so alten Stoff zu nehmen, der so viel Archaisches mit sich bringt und trotzdem derart heutig ist. Die Shakespeare-Welt scheint fern, historisch gesehen und wegen der Sprache. Aber die Geschichte ist brandaktuell. Was ist das Besondere an der Kooperation mit der Shakespeare Company? Dass sich zwei Stile treffen. Die Inszenierung ist sehr spielerisch. Ich lege sehr viel Wert auf das Improvisieren zu Beginn der Proben. Und genau das spiegelt sich in der Inszenierung wider: Das Publikum spürt die Spiellust. Es ist eben nicht nur pur Shakespeare, da ist ganz viel von uns mit drin. Eine Rolle haben wir sogar hinzugefügt, die es bei Shakespeare gar nicht gibt. Die Sekretärin von Angelo - gespielt von einem Mann - ist frei erfunden, aber durch ihre trockene Art herrlich komisch für das Stück. Was war für Sie die größte Herausforderung während der Theaterproben? Es ist Freilufttheater, das ist noch mal eine ganz andere Nummer. Außerdem hatten wir nur knappe zwei Wochen, um das Stück auf eine Freiluftbühne zu bringen. Geprobt haben wir auf kleinem Raum. Das mussten wir erst wieder mit samt Bühnenbild umwandeln für draußen. Wie sind die grotesken Kostüme entstanden? Ein Riesenkonzept gab es da nicht. Bei mir entwickelt sich alles im gemeinsamen Tun und Reden und dem Spiel, der Improvisation. Wir haben einen Haufen von Kostümen gehabt und gesagt: So, jetzt kleidet euch mal an. Dann haben wir viel Übungen zu Clowns gemacht. Genau das bekommt man im Stück mit: Die schwarzen Clowns, die Buffone, beginnen das Stück. Dann schlüpft langsam jeder in seine Rolle. Mit der Zeit blieben nur noch Versatzstücke der Kostüme übrig. Weil die Schauspieler nur zu fünft sind und 15 Rollen spielen. Kostümwechsel muss also sein. Das ist das Besondere: Man bekommt den Verwandlungsprozess mit. Angekündigt ist ein musikalisches Bühnenspektakel. Welche Musik haben Sie gewählt? Mal gibt es eine schöne Händel-Musik zu hören, mal ein Bach-Begräbnislied – und sogar einen selbst geschriebenen Musical-Song haben wir eingefügt. Die Musik ist jeweils szenisch begründet. Das Schöne an der Inszenierung ist, dass die Schauspieler alle sehr gute Sänger sind. Deswegen gibt es keine Einspielungen und kaum Instrumente. Das hat sich als Konzept herausgeschält: Die Charaktere ersingen sich alles. So haben wir einen Gegensatz zu dem clownesken Spiel gefunden, weil sich mit der Musik eine andere Ebene erfüllt. Info — Eintrittskarten kosten 19 Euro im Vorverkauf und 22 Euro an der Abendkasse, die 45 Minuten vor der Veranstaltung öffnet. —Erhältlich sind die Tickets bei der Tourist-Information Dahner Felsenland, Telefon 06391/9196-222, beim Reisebüro Aktiv Kissel in Dahn und Hauenstein, über den RHEINPFALZ-Ticket-Service (Hotline 0631/ 37016617) und unter www.reservix.de. — Ab 18 Uhr steht ein Shuttle-Bus auf dem Parkplatz unterhalb der Burg bereit. — Bei ungünstiger Witterung findet die Veranstaltung im Otfried-von-Weißenburg-Theater statt. Eine Bandansage teilt ab 15 Uhr unter 06391/9196 288 die endgültige Spielstätte mit. | Interview: Christiane Magin

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