Pirmasens „Eine Obersauerei“

Karl-Heinz Stöffler versteht die Welt nicht mehr.
Karl-Heinz Stöffler versteht die Welt nicht mehr.

Karl-Heinz Stöffler ist bei einer Opfer von Ärztepfusch geworden. Er kämpft seither vergeblich vor Gericht. Jetzt ist er auch noch Opfer wohl übereifriger Bürokratie geworden: Ihm wurde der Führerschein entzogen, weil der Verdacht besteht, er sei wegen zu starker Schmerzen fahruntüchtig. Sein Arzt nennt das „eine Obersauerei“.

„Wird mir denn alles genommen?“ Karl-Heinz Stöffler versteht die Welt nicht mehr. Der Mann, der im Vinzentius-Krankenhaus Landau Opfer eines ärztlichen Kunstfehlers wurde und seither vor den Gerichten vergebens um sein Recht kämpft (die RHEINPFALZ berichtete mehrfach), hat nun noch den Verlust seines Führerscheins zu verkraften. Die Zulassungsbehörde in Germersheim verlangt von ihm eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU). Der Grund: Stöffler, der nach der missglückten Wirbelsäulenoperation unter starken Schmerzen litt, lebt seit über vier Jahren mit einer implantierten Schmerzpumpe, die kontinuierlich in kleinen Mengen Morphin ausschüttet. Der ehemalige Berufskraftfahrer betont, er sei immer sicher und unfallfrei gefahren – vor der missglückten Operation und auch danach. Sein neues Problem begann Ende 2017 mit einem Nachbarschaftstreit. Karl-Heinz Stöffler zeigte seinen Kontrahenten wegen Beleidigung an. Während der Aussage bei der Polizei erwähnte der 57-jährige Rheinzaberner seine Leidensgeschichte – und sein Leben mit der Schmerzpumpe. Der Polizist, der die Aussage aufnahm, so Stöffler, gab die Information an die Zulassungsstelle der Kreisverwaltung Germersheim weiter. Die wurde tätig. Es bestünden „Bedenken an der Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen“ heißt es in einem ausführlichen Schreiben, das der RHEINPFALZ vorliegt. Deswegen ordne man an, dass ein Neurologe mit verkehrsmedizinischer Qualifikation ein Gutachten erstelle; darüber hinaus müsse eine Medizinisch-psychologische Untersuchung absolviert werden. Es gelang dem Rheinzaberner und seinem Anwalt Peter Becker nicht, einen Mediziner mit entsprechender Doppelqualifikation zu finden; mehrere Ärzte winkten ab. Der Karlsruher Neurochirurg Detlef Rosenow, ein Spezialist für Schmerztherapie, hätte ein Gutachten erstellen können. Er wurde aber von der Behörde abgelehnt. Der Grund: Rosenow ist der Arzt, der bei Karl-Heinz Stöffler die Schmerzpumpe implantiert hat und ihre Funktion regelmäßig überwacht. Der Neurochirurg, der schon zahlreiche Eingriffe dieser Art gemacht hat, nimmt kein Blatt vor den Mund. Dass die Fahrtüchtigkeit seines Patienten in Frage gestellt wird, kann er in keiner Weise nachvollziehen. Er könne sich das „aufgebauschte, völlig überzogene Verfahren“ nur dadurch erklären, „dass dem Mann jemand am Zeug flicken will“. „Eine Obersauerei“ sei es, eine teure MPU zu verlangen, bei der jeder unvorbereitete Mensch Probleme habe. Karl-Heinz Stöffler sei gesundheitlich beeinträchtigt, aber doch „kein Fall für eine MPU“. Laut Rosenow ist die wissenschaftliche Datenlage absolut klar. Nur in den ersten vier bis sechs Wochen nach Einsetzen der Pumpe sei Autofahren nicht ratsam. Danach trete der Patient in eine konstante Phase ein und es bestünden bei regelmäßiger Überwachung und gelegentlicher Anpassung der Dosis keinerlei Bedenken mehr. „Das System Mensch gewöhnt sich daran.“ Er kenne, so Detlef Rosenow, Hunderte von Patienten, die mit Morphinpumpe problemlos Auto fahren. Nachdem sich kein Gutachter fand und Stöffler keinen Grund sieht, den medizinisch-psychologischen Test zu machen, wurde die Fahrerlaubnis Ende Mai entzogen. Mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Neustadt will der Anwalt erreichen, dass die Entscheidung rückgängig gemacht wird. Auf dieses laufende Verfahren bezieht sich die Pressestelle der Kreisverwaltung Germersheim in ihrer knappen Stellungnahme zum Fall Stöffler. Fragen zur Fahreignung, heißt es in dem Statement, könnten erst nach Abschluss des Verfahrens beantwortet werden. Dabei sieht man sich offenbar auf der sicheren Seite. „Bei dieser Fallkonstellation hat die Führerscheinstelle nach den einschlägigen Rechtsgrundlagen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung zur Ausräumung von erheblichen Bedenken hinsichtlich der Kraftfahreignung eine MPU anzuordnen“, heißt es in der Stellungnahme. Übrigens kostet das ganze Verfahren Geld – und das soll Karl-Heinz Stöffler, aus seiner Tasche bezahlen. Nach dem misslungenen Eingriff, bei dem er, wie er sagt, „zum Krüppel operiert“ wurde, lebt er mit seiner Familie von einer kleinen Erwerbsunfähigkeitsrente. Nach eigenen Angaben hat er bisher rund 400 Euro Gebühren begleichen müssen, dazu kämen etwa 1200 Euro für die MPU. Die Kreispressestelle will diese Zahl nicht bestätigen. Zu den Kosten der MPU könne seriös nur die beauftragte Untersuchungsstelle Auskunft erteilen; die Kostenhöhe sei vom Umfang der Untersuchung abhängig. Klar sei aber: „Die Kostenlast hat der Betroffene im Falle der Beauftragung der Begutachtungsstelle selbst zu tragen.“ Leichter gesagt als getan. Karl-Heinz Stöffler betont, er würde sich gerne im Rahmen seiner verbliebenen Möglichkeiten etwas dazuverdienen – zum Beispiel als Fahrer für Essen auf Rädern. Aber dazu braucht er einen Führerschein.

Ausgebremst: Die Kreisverwaltung verlangt eine Untersuchung.
Ausgebremst: Die Kreisverwaltung verlangt eine Untersuchung.
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