Pirmasens Ein magischer Moment

Präzise und strahlkräftig: die Bläser der „Brass Machine“.
Präzise und strahlkräftig: die Bläser der »Brass Machine«.

Erst am Abend zuvor hatte die Formation von Bandleader Jens Vollmer ein Konzert in Bad Kreuznach absolviert und musste noch in der Nacht, gleich nach dem Abbau, an den Genfer See reisen. Um halb fünf in der Früh in Lausanne angekommen, reichte das gerade noch für vier Stündchen Schlaf und ein kräftiges Frühstück. „Echt anstrengend“, wie mancher aus der Band zugab. Schon gegen 11 Uhr ging`s an Bord der MS „Lausanne“. Nach dem Soundcheck hieß es Leinen los und auf nach Montreux, um ab 15 Uhr das Publikum aufzunehmen. „Wie wir an der Uferpromenade einliefen, das war schon echt ergreifend“, schildert Vollmer diesen Moment. Und sein Posaunist Joe Denzer ergänzt: „Da hatten wir wohl alle feuchte Augen.“ Erinnerungen seien hochgekommen: an die beiden Gastspiele der Band 2002 und 2007 auf dem weltberühmten Festival. Mit dem Wetter hatten die Pfälzer schon damals zu kämpfen: Erst kurz vor den Auftritten waren die Gewitterwolken einer sanften Abendstimmung gewichen. Und auch heuer standen – wie so oft in der dämpfigen Schwüle der Festivaltage – Blitz, Donner und Regen auf der Wetterkarte. Doch nichts da: Sonne satt leuchtet über der musikalischen See-Reise. An die 1000 Gäste drängen sich denn auch auf allen Decks des 1991 in Linz gebauten Zweischraubendampfers „Lausanne“, um vier Bands in zwei Schichten zu erleben. Die Pfälzer Band ist zweifellos der Star des Tages Vor der „Brass Machine“ eröffnet der heftig bluesrockende Schweizer David Minster das Konzert auf der Hauptbühne auf dem Oberdeck. Im Salon weiter unten verbreiten die Oldtime-Jazzer der „Moonlight Gang“ aus der Schweiz und später von „Sugarpie & The Candymen“ aus Italien pure Nostalgie. Den Vogel schießen jedoch – das zeigen auch die Publikumsströme – die Pfälzer Musiker ab. Auch wenn sie wenig geschlafen hatten – die Magie des Ortes, das Wiedersehen mit Montreux und die besondere Atmosphäre auf dem elegant übers Wasser gleitenden Schiff euphorisieren die komplette Truppe: die Festivalveteranen Jens Vollmer (Saxophon), Joe Denzer (Posaune), Don Owen (Trompete), Rainer Dettling (Schlagzeug), Markus Zellhofer (Bass) und Sängerin Silke Hauck ebenso wie die Montreux-Neulinge Patrick Embach (Keyboard), Wolle Sing (Gitarre) und Sänger Christian Stockert. Geschlossen, hochkonzen-triert und motiviert bis in die Haarspitzen liefern sie ein 90-minütiges Set ab, das keine Chance für Entspannung lässt. Ein Soulkracher jagt den nächsten Funkhit, mit Nummern von „Earth, Wind & Fire“, Jocelyn Brown, Donna Summer, Chaka Khan und Kollegen packen sie ihr Publikum von Minute eins an. Mitsingchöre, kollektives Mitgrooven und frenetischer Jubel sind angesagt bei Hits wie „Stayin Alive“, „Bad Girls“ oder „Brickhouse“. Mit Flip Flops und vier Streifen verfolgt der Kapitän das Konzert Selbst „Lausanne“-Kapitän Patrick Schaffner hält es da nicht durchgängig auf seinem Posten auf der Brücke. Den Kurs seines 2400 PS starken, 78 Meter langen und 640 Tonnen schweren Schiffs verfolgt der Steuermann, während sich der Chef mit den vier Streifen auf den Schulterstücken und den Flip Flops an den Füßen an den Bühnenrand gesellt und leise mitwippt. „Mein Vater ist Musiker, und ich bin dementsprechend ein großer Musikfan“, grinst der 50-jährige Schiffsführer und erzählt weiter, dass er entsprechend gerne und nun auch schon seit sechs Jahren die Themenboote des Jazzfestivals übernehme. „Das sind meine schönsten Arbeitstage“, bekennt er. Mit 24 Jahren hat der gebürtige St. Moritzer bei der Compagnie Generale de Navigation sur le Lac Leman angefangen und sich in zwölf Jahren zum Kapitän hochgearbeitet. Seine Leidenschaft sind neben der Musik die alten Schaufelraddampfschiffe, die er ansonsten im Liniendienst zwischen Genf, Lausanne und Montreux fährt. Zurück zur Leidenschaft auf der Bühne, die mit dem Megapartyhit „Celebration“ eine neue Stufe des Wahnsinns erreicht - das Publikum kocht. Auch Daphne Zumbrunnen, Organisatorin der Schiffe und Züge des Festivals, groovt begeistert mit. „Ein magischer Moment“, bringt es einer ihrer Mitarbeiter auf den Punkt. Die Brass Machine biegt damit sozusagen auf die Zielgerade ein, der Bug der „Lausanne“ schwenkt wieder Richtung Montreux, das idyllische Seeufer mit seiner vielbevölkerten Promenade und den prächtigen Bauten teilweise aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rücken näher. Ein toller Geburtstag war die Soul-Sause für Trompeter Don Owen Zeit ist vor dem Anlegen noch für ein Geburtstagsständchen für „Brass-Machine“-Trompeter Don Owen, der auf dem See seinen 55. feiert. „Eine unglaubliche Geburtstagsparty“, schwärmt er und liegt damit voll auf Bandlinie. Komplett nassgeschwitzt, ebenso fertig, aber auch total gelöst und glücklich sind Vollmer und seine Brass Machinisten nach der Mega-Soul-Sause. Was sie mit dem Großteil des Publikums vereint, das sich nur schwer vom Oberdeck der MS „Lausanne“ verabschieden kann. Ein Tag, den man selbst als langjähriger Bühnenprofi so schnell nicht vergessen wird. Info Am 17. August spielt „Brass Machine“ wieder in heimischen Gefilden. Die Band tritt ab 21 Uhr Open Air beim „Seitze Gaade Feschd“ im Pirmasenser Z1 auf .

Anheizer an vorderster Front: Sängerin Silke Hauck und Kollege Christian Stockert.
Anheizer an vorderster Front: Sängerin Silke Hauck und Kollege Christian Stockert.
Nostalgie pur: „The Moonlight Gang“ im Salon.
Nostalgie pur: »The Moonlight Gang« im Salon.
Linien der 90er Jahre: MS „Lausanne“ beim Einlaufen in Montreux.
Linien der 90er Jahre: MS »Lausanne« beim Einlaufen in Montreux.
Bekennender Musikfan: „Lausanne“-Kapitän Patrick Schaffner.
Bekennender Musikfan: »Lausanne«-Kapitän Patrick Schaffner.
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