Pirmasens Bundestagsabgeordnete Glöckner über Migration, Verschuldung und die Pfalz

Die SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles sei „eine Persönlichkeit, die es versteht zu führen und den Abgeordneten
Die SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles sei »eine Persönlichkeit, die es versteht zu führen und den Abgeordneten viel Disziplin abverlangt«, sagt Angelika Glöckner.

Sommergespräch: Im ewigen Zank um Migration und Flüchtlinge komme zu kurz, dass in Berlin durchaus Politik gemacht wird für die Menschen vor Ort, sagt die Abgeordnete Angelika Glöckner. Als Beispiel nennt sie die Initiative, um Langzeitarbeitlose wieder in einen Job zu bringen.

Politikverdrossenheit macht auch Angelika Glöckner zu schaffen. „Die Wertschätzung der Arbeit eines Politikers nimmt ab“, sagt die 56-jährige SPD-Bundestagsabgeordnete aus Lemberg. Sie versuche, dem im Kleinen entgegenzuwirken, indem sie auf Menschen zugeht, offen mit ihnen spricht, sich unters Volk mischt und der Kritik stellt. So wie gerade auf ihrer Sommertour: Bis Ende August besucht sie Betriebe in der Region, die Lern- und Spielstube Ohmbach, die Pflegeschule Pirmasens, die Pirminiusschule oder ein Seniorenwohnheim. „Im direkten Kontakt sagen mir die Leute sehr wohl, was ihnen missfällt“, in der Regel auf sachliche Art und Weise, berichtet Glöckner. Was die Menschen im Wahlkreis bedrückt, erfährt sie auch in ihren Sprechstunden. Das mögen ganz individuelle Anliegen sein wie der Streit um eine Baugenehmigung, aber auch Fragen zur Rente, zur Pflege - oder Krankenversicherung. Alltägliche Probleme der Menschen eben, die zu Glöckners Bedauern unterzugehen drohen, solange Migration und Flüchtlinge die alles beherrschenden Themen sind in der öffentlichen Wahrnehmung. „Dass Innenminister Seehofer das Thema so hochkocht, das tut dem Land nicht gut“, sagt die 56-Jährige.

Flüchtlingsdebatte überschatte alles

Darunter leide auch ihre Partei, die SPD, sagt Glöckner. Erfolge wie der Mindestlohn oder jetzt die Initiative von Arbeitsminister Hubertus Heil, Langzeitarbeitslose mit Zuschüssen in einen Job zu bringen, würden überdeckt durch die permanente Diskussion über Flüchtlinge. Dabei sei gerade Heils Gesetz zum sozialen Arbeitsmarkt enorm wichtig für Pirmasens. Hier, wo sich Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt habe, müsse Menschen unter die Arme gegriffen werden, damit sie wieder eine Chance bekommen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Glöckner glaubt nicht, dass es eine Illusion ist, Leute ohne Schulabschluss oder Berufsausbildung regulär in Lohn und Brot zu bringen. Sie wisse von Handwerksbetrieben, die bereit wären, auch diesem Klientel eine Arbeit anzubieten – allerdings müsste das Jobcenter die Integration in den Betrieb begleiten, „weil die Handwerksmeister das neben dem operativen Geschäft nicht leisten können“, sagt Glöckner.

Schichtmodell im Bundestag

An die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit geraten auch die Bundestagsabgeordneten, sagt Glöckner. Plenarsitzungen gehen bis in die Nacht, letztens habe sie um 0.53 Uhr eine Rede gehalten. „Das geht schon an die Substanz!“ Früher hätten Abgeordnete ihre Reden zu dieser Nachtzeit zu Protokoll gegeben, „sie galt dann als gesprochen“, sagt Glöckner. Aber dieses Prozedere lehne die AfD ab. Nach den Sommerferien werde die SPD im Bundestag deshalb ein Schichtmodell ausprobieren, um der Anwesenheitspflicht im Plenum halbwegs gerecht zu werden. Ein Vorschlag übrigens der Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles. „Sie ist eine Persönlichkeit, die es versteht zu führen und den Abgeordneten viel Disziplin abverlangt“, sagt Glöckner. Dass sich die SPD, die sich doch eigentlich in der Opposition erneuern wollte, erneut auf die „Groko“ eingelassen hat, verteidigt Glöckner. „Es stellt sich nicht die Frage, ob das richtig war. Es war notwendig! Unser Land braucht eine handlungsfähige Regierung“, sagt die Sozialdemokratin. Eine Mehrheit links der Union gibt es schließlich nicht mehr im Deutschen Bundestag. „Sehr kritisch“ sieht Glöckner in diesem Zusammenhang die Sammlungsbewegung „Aufstehen“ der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Sie sehe nicht, was das Ziel dieser Bewegung sein soll, sagt Glöckner.

Mehr interkommunale Arbeit

Zur Entschuldung von Städten wie Pirmasens ist seitens der Abgeordneten, die diese Kommunen im Parlament vertreten, wohl keine entscheidende Initiative zu erwarten. Glöckner erzählt zwar von Arbeitsgruppen innerhalb der SPD-Fraktion, die sich mit der Verschuldung von Kommunen beschäftigen, aber fraktionsübergreifend gebe es dazu keine Initiativen. Im Übrigen gelte auch hier: Die Themen Migration und Flüchtlinge drängen die Diskussion über hoch verschuldete Kommunen an den Rand. In der Region wünscht sich Glöckner, deren Wahlkreis die Städte Pirmasens und Zweibrücken sowie den Landkreis Südwestpfalz und den südlichen Landkreis Kaiserslautern umfasst, mehr interkommunale Zusammenarbeit, insbesondere im Tourismus, so wie es beispielsweise die Südpfalz längst praktiziere. „Wir müssen uns mehr als Region verkaufen“, sagt sie. Nicht jede Kommune brauche ihren eigenen Prospekt und ihre eigene Touristinfo. Die Möglichkeiten einer solchen Zusammenarbeit seien noch längst nicht ausgeschöpft.

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